„One World Trade Center“ – Aussichtsplattform als Manifest
Das „One World Trade Center“ ist New Yorks trotzige Antwort auf die Anschläge vom 11. September. Das unterstreicht auch die neue Aussichtsplattform.
New York.
Das Attentat auf Sinne und Trommelfell beginnt schon in den hellen Katakomben des Turmes, der als trotzige Antwort auf den Wahnsinn des 11. September gebaut wurde. Wer die Sicherheitsschleusen überstanden und die Multimedia-Wand mit den gefilmten Bekenntnissen von patriotischen Maurern und Installateuren abgeschritten ist, die das „One World Trade Center“ in New York 541 Meter hoch unter die Wolkendecke gepflanzt haben, der steht mit etwas Bammel vor den „Sky Pods“.
Ganze 47 Sekunden brauchen die fünf Aufzüge auf dem Weg bis zur 102. Etage. Damit Höhenangst erst gar nicht aufkommen kann, flimmern auf Rundumfilm-Projektionsflächen 500 Jahre Stadtgeschichte am Auge des Betrachters vorbei. Bildung als Ablenkungsmanöver, das selbst den nötigen Druckausgleich in den Ohren für einen Aha-Moment vergessen macht.
„One World Trade Center“ überragt die New Yorker Konkurrenz
Oben angekommen hebt sich nach wenigen Sekunden eine Jalousie und gibt den Blick frei auf die atemberaubendsten An- und Aussichten, die New York derzeit zu bieten hat. Licht und Weite im Überfluss. Seit Freitag lädt die neue Schaubühne Manhattans täglich bis zu 10 000 Neugierige zum Gucken und Staunen ein.
New Yorker, die wegen der Enge im Hochhauswald zur Entspannung gerne auf sich herabblicken, und Millionen Touristen haben fortan drei Optionen, um ihre abgrundtiefe Verehrung für die architektonischen Verrenkungen am Boden auszudrücken. Neben dem Empire State Building in der Stadtmitte (320 Meter) und der nördlicher gelegenen Freiluft-Plattform „Top of the Rock“ auf dem Rockefeller Center (260 Meter) steht mit dem „One World Observatory“ 14 Jahre nach den Terror-Anschlägen von Al Kaida auf die Doppeltürme des alten WTC auch an der Südspitze wieder ein exquisiter Ausguck zur Verfügung.
„One World Trade Center“ – Aussichtsplattform mit Bar
Die auf drei Ebenen samt Restaurant, Bar (Cocktail-Empfehlung: „Highball“) , Souvenir-Geschäft, Rolltreppen und allerlei interaktivem Hightech-Gedöns ausgestattete Attraktion bietet bei Eintrittspreisen von 32 Dollar für Erwachsene (13-64 Jahre), 26 Dollar für Kinder (6-12) und 30 Dollar für Senioren (65 und aufwärts) auf 380 Meter über Meeresspiegel einen 360-Grad-Panoramablick, der lange verschüttete Sichtachsen freilegt. Im Norden die Silhouette von Midtown mit dem Chrysler Building, im Westen die Industriesschlote von Hoboken/New Jersey, im Osten die Brooklyn Bridge und im Süden die Hudson Bay mit der auf Ameisenformat geschrumpften Lady Liberty.
„Bei klarer Sicht können Sie hier 80 Kilometer weit gucken“, sagt David Cheketts, Chef der Betreiber-Firma „Legends“, die laut Pachtvertrag binnen der nächsten 15 Jahre rund 875 Millionen Dollar erwirtschaften muss. „Das wird funktionieren“, sagt der Manager. Er kalkuliert mit vier Millionen Besuchern pro anno im voll verglasten Open-Air-Kino, das 365 Tage im Jahr Programm fährt. Im Sommer bis Mitternacht, im Winter bis zum Beginn der Tagesschau.
Glitzernder Turm ist ein New Yorker Manifest
Dass der glitzernde Turm auf historischem Grund steht, sieht man beim Rundgang nur an den in der Vogelperspektive auf Handtuchgröße geschrumpften Wasserbecken, die als Mahnmal in die Grundrisse der zum Einsturz gebombten WTC-Türme eingelassen sind. Ansonsten ist 9/11, New Yorks größte Katastrophe, hier oben nur eine Fußnote. „Wir schauen nach vorn“, sagt David Cheketts, „dieser Ort ist ein Manifest unseres unbeugsamen Willens.“
Als Kompensation für den fehlenden Freiluft-Effekt haben die Architekten Spirenzchen wie das „Sky Portal“ entworfen. Man steht auf einer durchsichtigen Plattform und glaubt das Treiben unten auf der Straße zu sehen. Optische Täuschung. Videokameras filmen das Geschehen und projezieren es in Echtzeit in die Höhe. „City Pulse“, eine Ansammlung von wahrlich innovativen Videomonitoren, gehorcht auf Handbewegungen. So kann man sich jede Sehenswürdigkeit heranzoomen und erklären lassen.
Was zu beachten wäre: Vor der Buchung dringend die Wettervorhersage studieren. Grauweiße Nebelwände vor den Fensterscheiben verführen zu leichtfertigen Bestellungen an der gut sortierten Bar. Was sich spätestens im Aufzug rächen kann. Auf dem Weg nach unten fühlt man sich wie in einem kreisenden Helikopter im Sinkflug. Ticket-Vorbestellungen und Infos unter www.OneWorldObservatory.com