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Norbert Molitor bloggt Liebeserklärungen an Neviges

Norbert Molitor bloggt Liebeserklärungen an Neviges

Können Zahlen eine Liebeserklärung sein? Norbert Molitor sagt: ja. 42553 steht für Neviges, die Kleinstadt, in der der Messebauer wohnt, lebt und bloggt. Seine launigen Internet-Einträge ziehen internationale Aufmerksamkeit auf sich – und wurden mit einem Grimme belohnt.

Neviges. 

Können fünf Ziffern, kann eine schlichte Postleitzahl eine Liebeserklärung sein? Aber ja! 42553 steht für Neviges, lexikalisch gesehen für eine Ortschaft mit 18 945 Einwohnern, die einst selbstständig war und nun ein Teil von Velbert. Sie steht aber auch für den Internet-Blog von Grimme-Preisträger Norbert Molitor, in dem er so süffisante Dinge schreibt wie: „Der Ort ist mittwochnachmittags und an allen anderen Tagen ab 18.30 Uhr geschlossen!“ Man täusche sich nicht: Der Mann liebt gerade das an Neviges, die Ruhe, das Kleinteilige und wie es ist, wenn – fast – nichts passiert.

Morgens um zehn, wenn schon wieder nichts passiert, kann man Norbert Molitor bei „Monsieur M.“ treffen. Dem kleinen Café in der Mitte des Ortes, das direkt um die Ecke von Molitors Fachwerk-Wohnung liegt. Einmal rechts, Treppe runter über Kopfsteinpflaster, und da sieht man den 68-Jährigen auch schon an einem der runden Tische sitzen. Vor sich Zigaretten und, unverzichtbar, seine Kamera. Eine Leica. Mit dem Kauf dieser Kamera hat überhaupt alles angefangen. Das war der Moment, in dem er beschloss, einen Blog über seine Heimat einzurichten. Nicht ahnend, dass er dafür einmal den renommierten Grimme-Online-Preis erhalten sollte.

„Ich wollte dieses Kaff und seine Menschen fotografieren. Der Blog sollte einfach wie verständlich sein und den Nevigesern Spaß machen“, sagt Norbert Molitor, der eigentlich Grafiker ist und in seiner beruflich aktiven Zeit als Messebauer unterwegs war. Inzwischen haben nicht nur die Nevigeser ihren Spaß daran, sondern Menschen rund um den Erdball. Allein am Mittwoch wurde seine Internet-Seite 36 000-mal besucht, erhielt er Mails aus Berlin und von den Cook-Inseln im südlichen Pazifik.

Es ist, als ob sich die Menschen über den Blog und Molitors Schreibe in diesen Ort verliebten, der bislang allenfalls Wallfahrern bekannt war. In dem es von A wie Alkoholikerbedarf über D wie Dreck-weg-Tag und S wie Sex bis hin zu Z wie Zoo die alltäglichsten Dinge der Welt gibt. Nur, dass sie durch den Blick von Norbert Molitor zu etwas ganz Besonderem werden. Zu etwas Einzigartigem.

„Bei gutem Wetter verbessert sich die Laune der Wirte“

Da ist Nikko, der Wirt vom „Alten Bahnhof“, den Molitor in diesen Tagen ablichtete. Schwarz-weiß natürlich, wie alle seine Bilder. Einmal etwas düsterer, einmal in hellerem Licht. Einmal eher streng, dann lächelnd. „Bei gutem Wetter verbessert sich die Laune der Nevigeser Wirte schlagartig“, schreibt Molitor unter das Foto und dann über Nikko: „Beste Markenklamotten, beste Uhr, bester Kugelschreiber, nämlich das Meisterstück von Montblanc im besten Biergarten des Dorfes. Heutige Aussichten: 25 Grad“.

Molitor beobachtet, beschreibt, bewertet: „Viele Hauseigentümer streichen ihre Fassaden neuerdings knall- oder klogrün. Soll vermutlich schön sein, ist aber ein Irrtum…“. Oder auf dem Wochenmarkt: „Strings? Pants? Bodys? Tangas? Was viele Frauen in Neviges drunter tragen, hat mit den verführerischen Dessous, die viele Männer aus dem Internet oder Ottokatalog kennen, offensichtlich nix zu tun. Damenunterwäsche auf dem Nevigeser Wochenmarkt. Donnerstag von etwa 8 bis etwa 13 Uhr.“

Charmante Feier des Alltäglichen

Oder über die Baustelle bei ihm direkt gegenüber, dort, wo gerade die Stadtkirche renoviert wird: „Ausschlafen, in Ruhe frühstücken, mit dem Kind sprechen, leise Musik hören, mit Freunden telefonieren, einen Brief schreiben, ein Fenster aufmachen, die Ohren eincremen. Neviges schrillste Baustelle macht ein paar Tage Pause: Donnerstag, Freitag (Brückentag?), Samstag, Sonntag, Gott sei’s gedankt, getrommelt und gepfiffen. Historischer Kirchplatz in Neviges Mitte“.

Es ist ja so viel los, in diesem Ort, in dem nichts los ist. Tote Hose, das wissen Landeier, hat seinen eigenen Charme. Und wer sich dieses Rund aus Fachwerkhäusern um die kleine Stadtkirche herum ansieht, der ahnt, was Norbert Molitor antrieb, als er hier hinzog vor über 20 Jahren. In das Dorf, in dem er mittendrin leben wollte, mit einem Café um die Ecke.