Hamburg.
Natürlich hätte er auch ein Buch schreiben können, um zu erzählen, was er alles erlebt hat. Aber er ist ja kein Schriftsteller, er ist Sänger. Deshalb hat er lieber ein neues Album eingespielt. „Mit Liedern, die vom Text her zu meinem Leben passen“, sagt Nino de Angelo.
Keine neuen Lieder sind es, sondern Songs von Kollegen wie Rosenstolz, Joachim Witt oder auch Michael Holm. „Meisterstücke“ hat er sie genannt und legt Wert darauf, dass er sie nicht einfach nur nachsingt, sondern sie alle „neu arrangiert“ hat. „Menschlich“, sagt der 51-Jährige, „ist das eine Bilanz, künstlerisch ist es ein Neuanfang.“
Es ist nicht der erste, aber de Angelo hofft, dass es der letzte ist. Dass er vielleicht noch einmal anknüpfen kann an die große Zeit der frühen 80er-Jahre, als er „Jenseits von Eden“ ist und ganz oben in den Charts. Er, der Junge aus Stuttgart, der eigentlich Domenico Gerhard Gorgoglione heißt und mit der Mutter nach Köln zieht, als die Eltern sich scheiden ließen. Der mit 13 Jahren die Schule schmeißt, weil er Sänger werden will. Erst tritt er beim Perser vor speisenden Gästen auf, dann in der Pianobar „Die Taste“. Irgendwann trifft er Drafi Deutscher. Er schreibt den Song, der de Angelo berühmt macht.
Die Krankheitgab ihm den Rest
Gerade 19 ist de Angelo, als der Erfolg plötzlich über ihn herein bricht wie eine Welle, und er schon bald „komplett die Bodenhaftung verliert“. Ein Jahr später ist er Millionär und bringt die Gagen mit beiden Händen unter die Leute. Ein Ferrari hier, eine schicke Uhr dort. „Mit Geld umzugehen, zählte nicht zu meinen Stärken.“ Lange Zeit fällt das nicht auf. „Es kam ja immer was nach.“
Bis „Jenseits von Eden“ aus den Charts verschwindet und nichts nachkommt. Jedenfalls nichts Gleichwertiges. „Das musst du erst mal begreifen, dass du diesen Erfolg nicht toppen kannst.“
De Angelo begreift es lange nicht. Vielleicht, weil er den Kopf nicht frei hat. Er spielt wie ein Besessener, greift zu Drogen, investiert ständig in neue Projekte. Immer weiter geht der Weg nach unten, alle Warnungen schlägt er in den Wind. „Ich war ziemlich beratungsresistent.“ Dann kommt der Krebs an den Lymphdrüsen. De Angelo überwindet ihn. Gleich zwei Mal. Aber die „Krankheit hat mir den Rest gegeben. Lange Zeit konnte ich nicht auftreten“. 2005 ist er pleite, mehrfach will er sich umbringen. Aber er überlebt. „Ich habe viel Glück gehabt.“
Das Leben umgestellt
Doch auf Glück allein will er sich nicht mehr verlassen. De Angelo hat sein Leben umgestellt, trinkt und raucht nur noch in Maßen, achtet auf seine Ernährung. Und er hat sich gut gehalten. Das einst tiefschwarze Haar ist mittlerweile grau und eine ganze Ecke kürzer, die männliche Statur aber ist geblieben. Letztes Jahr hat er wieder geheiratet. Zum vierten Mal. Larissa heißt die Auserwählte und ist 20 Jahre jünger. „Schon deshalb muss ich fit bleiben“, sagt er und lacht.
Lieder für Andrea Berg
Er schreibt Lieder für Roland Kaiser, Michelle oder Andrea Berg, hat wieder Auftritte und die neue CD verkauft sich besser als das meiste, was er nach „Jenseits von Eden“ veröffentlicht hat. Klar, alles kein Vergleich zu früher, „aber wir kommen über die Runden“.
So ist es gut, so soll es bleiben. De Angelo hat ein neues Tattoo auf der Brust. Man kann es sehen, wenn das Hemd oben offen steht, man kann es nur nicht komplett lesen. „Semper fidelis“, hilft er weiter. „Für immer treu“. Das Motto der US Marines. Aber wem will de Angelo treu bleiben? „Natürlich meiner Frau“, sagt er. „Vor allem aber auch mir selber.“