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Krimi-Serie „Letzte Spur Berlin“ verschenkt Potenzial

Krimi-Serie „Letzte Spur Berlin“ verschenkt Potenzial

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Foto: ZDF
Das Thema ist gut gewählt, der Staffel-Start clever gesetzt. Ausgerechnet mitten in der Krim-Krise startet die ZDF-Serie „Letzte Spur Berlin“ mit neuen Folgen. Zum Auftakt wird die Geschichte einer russischen Regime-Kritikerin erzählt, die plötzlich verschwindet. Und dennoch überzeugt die Serie nicht völlig.

Mainz. 

Die deutsche TV-Serie hat es auch nicht leicht. Regelmäßig wird sie von den Kritikern mit internationaler Konkurrenz wie „Breaking Bad“ verglichen und kräftig abgewatscht. Man wehrt sich gern mit dem Hinweis auf die mageren Quoten, die auch Feuilleton-Lieblinge wie „Mad Men“ im Hauptprogramm einzufahren pflegen, versteckt die Kleinode im Spartenkanal und ärgert sich insgeheim über ein deutsches Publikum, das angeblich noch nicht reif ist für modernes Fernsehen. Heraus kommen dann Friedensangebote wie „Letzte Spur Berlin“, dessen dritte Staffel in dieser Woche startet (ZDFneo heute 21.45 Uhr, ZDF Freitag, 21.15 Uhr).

Dieser ZDF-Krimi ist aus mehreren Gründen ungewöhnlich. Erstens wird hier nicht nach Mördern, sondern nach Vermissten gesucht. Die Handlung fixiert sich also nicht auf einen Täter, sondern ermöglicht mehrere Perspektiven. Schnelle Schnitte und rasante Kamerafahrten suggerieren außerdem temporeiche Erzählung, und als Zeichen für den Mut zum Risiko wurde sogar der Titel geändert.

Die erste Staffel hieß noch „Die letzte Spur“, daraus wurde dann „Letzte Spur Berlin“ – was den Quoten übrigens nicht gut bekam. Vielleicht wollte man ein wenig mehr Lokalkolorit in die Sache bringen, doch letztlich stellt man sich so auch in eine Reihe mit den unzähligen Sokos, die den Vorabend plätten, und irgendwie hat man sich wohl auch ein wenig vor der eigenen Courage erschrocken. Der Auftakt der dritten Staffel wirkt nämlich wie ein typisches Kompromissangebot: moderner „Look“, aber wenig Bereitschaft, eine Geschichte mal anders zu erzählen. Dabei hätte die „Staatsfeindin“ Potenzial anzubieten gehabt.

Es winkte mal ein Grimme-Preis

Eine russische Dissidentin verschwindet unmittelbar vor einer Lesung in Berlin. Ihre Tochter wurde bei einem Sprengstoffanschlag in Moskau verletzt, und ihr Mann vermutet, dass der russische Geheimdienst dahinter steckt.

Die Handlung, und das weckt Hoffnungen, wird aus mehreren Blickrichtungen erzählt, legt auch mal Motive der Akteure frei, wagt sich sogar an das heikle Thema, welchen Preis eine Familie für den Mut eines Regimegegners zu zahlen bereit ist und rettet sich nicht in ein falsches Happy-End. Aber ach, letztlich ist der Unterschied zum Krimi-Durchschnitt doch nicht so groß. Anstatt mit Intelligenz und Ausdauer eine fortlaufende Geschichte über eine ganze Staffel auszubreiten, peitscht man den üblichen „Fall“ durch – mehr ist in 45 Minuten nun mal nicht zu leisten.

Warum die amerikanischen Serien so anders (und soviel besser?) als die deutschen Produkte sind, wurde an der Uni Nürnberg übrigens mit unterschiedlichen Sehgewohnheiten erklärt. Anhand von Beispielen wie „Dr. House“ und „Um Himmels willen“ (oh je) glaubte man beweisen zu können, dass der Deutsche Kontinuität und Wiederholung schätzt, sich gern in bewährte Muster kuschelt und Neuem eher misstrauisch gegenüber steht. Der Amerikaner hingegen sei mit MTV-Clips und Internet aufgewachsen und sei deshalb zu allem bereit – beispielsweise für ein verwegenes Projekt wie „House of Cards“, wo die Hauptfigur nach nicht einmal einer Minute der ersten Episode einen Hund killt. Das traut man sich hier noch nicht.

Immerhin ragte die erste Staffel dieser „Letzten Spur“ noch so markant aus dem Meer des Mittelmaßes heraus, dass damals ein Grimme-Preis winkte. Ob die dritte Fortsetzung diesen Kurs verfolgen wird, erscheint nach dem Auftakt eher fraglich.