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Kokain im Kinderbett – Die irren Verstecke der Schmuggler

Kokain im Kinderbett – Die irren Verstecke der Schmuggler

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Foto: dpa
800 Kilo Heroin und 3000 Kilo Kokain hat der Zoll 2014 sichergestellt. Dazu kommen Schwarzgeld, Plagiate und auch mal ein verbotener Affenhirn-Import.

Essen. 

Ein „bolivianischer Bowlingmeister“ passiert nicht jeden Tag die Einreiseschleusen am Flughafen. Aber wenn: Sollte er dann nicht die mitgebrachte Kugel meisterlich halten können? Dass der Mann das nun nur ziemlich linkisch tat, machte einen Zöllner hellwach. Der Beamte guckte sich das runde Stück an und konnte es öffnen. Weiß schimmerten dort 300 Gramm Kokain.

Die kleine Geschichte ist inzwischen Legende. Aber sie ist wahr. Täglich treffen die bundesweit 2500 Beamte der Grenzzollämter und die Fahnder der Mobilen Kontrolleinheiten auf einen schillernden Mix phantasievoller Verstecke. Der Rucksack, der im Juli an der deutsch-luxemburgischen Grenze auffiel und den ein 82-Jähriger mit 1,2 Millionen Euro Schwarzgeld gefüllt hatte, gehört zu dem eher langweiligen Teil der Ausbeute.

Zwei Kilo Crystal im Bonbon-Papier

Kokain im Kinderbett, Marihuana in der Fertigsuppe, zwei Kilo Crystal im Bonbon-Papier, Tabak in einer Türfüllung und 16 500 Flakons mit gefälschtem Parfum – so sieht die Bilanz alleine der letzten vier Wochen aus. Mal haben die Ermittler 30 000 unversteuerte Euros in lila Milka-Hasen gefunden oder einen 74-Jährigen mit fünf Kilo Marihuana an der niederländischen Grenze gestellt. Der Stoff steckte in der Tüte, die sein dreijähriger Enkel hielt.

„Die Täter gehen ungeheuer kreativ vor“, sagt Ruth Haliti vom Zollfahndungsamt in Essen. Ihre Behörde verantwortet die Kontrolle von 572 Kilometer Grenze und ein Viertel der einschlägigen bundesweiten Ermittlungsverfahren. „Wir haben schon Hartschalenkoffer sichergestellt, deren Hartschale aus Kokain bestand“.

Schmuggler kommen in kokaingetränkten Jeans

Was teilweise unterhaltsam klingt, ist alles andere als das. Harte Drogen in anderer Konsistenz ins Land zu bringen – flüssig zum Beispiel – ist der neue Trend. Noch harmlos sind kokaingetränkte Jeans, die schnell durch ihre Steife auffallen. Echte Sorge bereitet dem Zoll in Nordrhein-Westfalen AB 7409. Es ist die Flugnummer des Air Berlin-Airbus aus Curacao. Jeden Mittwochmittag landet der Jet in Düsseldorf und hat Touristen an Bord und meist auch Drogenkuriere.

Hier sind Körperschmuggler unterwegs, die Kokain, verpackt in cocktailwürstchengroße Latex-Fingerlinge, in Magen und Darm transportieren – vielleicht einer der tödlichsten Jobs, den der internationale Rauschgifthandel bietet und russisches Roulette pur: Platzen die „Bolitas“ in den Körpern der bitterarmen Bodypacker, können die Kuriere an multiplem Organversagen sterben. Entkommen sie dagegen den gesundheitlichen Risiken und am Ende auch dem Zoll, zahlen ihnen die Hintermänner einen Transportlohn bis 5000 Dollar. In der Heimat ist das ein Jahreseinkommen.

Neue Herausforderung für die Drogenfahnder

Die Fahnder stehen vor einer neuen Herausforderung. Ab November baut Air Berlin eine zweite Tour Düsseldorf-Curacao-Düsseldorf in den Flugplan ein. Wie heute schon Dienstags startet dann zusätzlich Samstags ein Airbus im Rheinland mit der Rückkehr am Tag darauf. Kaum hat die Maschine aufgesetzt, beginnt jedes Mal eine aufwändige Aktion.

Der Zoll beobachtet beim Aussteigen nicht nur jeden Passagier auf Gang, Verhalten und Schweißausbruch. Er lässt auch die Maschine nach dem Ausstieg abriegeln und untersucht die Toilettentanks des Airbus auf verräterische Spuren. Wird bei der Kontrolle ein Bodypacker gestellt, muss er sich auf einer Spezialtoilette erleichtern. Danach wird das ausgeschiedene Material als Beweis eingesammelt. Auf manchen Flügen waren schon sieben dieser Täter-Typen. Nicht wenige mussten sofort in die nächste Klinik: Notoperation!

Düsseldorf ist die deutsche Koks-Hochburg

In diesem Sommer sitzen in Düsseldorf 43 Männer aus dem südamerikanischen Land, das teilweise zu den Niederlanden gehört, in Straf- oder U-Haft. Künftig werden sie auch auf andere NRW-Gefängnisse verteilt, um die Düsseldorfer Justizvollzugsanstalt zu entlasten.

Die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt ist nicht erst seit heute ein Schwerpunkt dieser Spielart des Drogenhandels. Schon 2012 gingen hier 85 der bundesweit 130 ertappten Körperschmuggler ins Netz. 61 wurden im letzten Jahr enttarnt mit 3354 verschluckten Koks-Päckchen. 12 Prozent der deutschen Kokain-Sicherstellungen überhaupt gehen inzwischen auf das Konto der Düsseldorfer Flughafen-Fahnder.

Das meiste Kokain kommt über den Seeweg

Dennoch: Die größten Kokain-Importe laufen immer noch über die Seehäfen, vor allem via Hamburg. Das Rauschgift ist versteckt in Containern, als Beipack von Lebensmitteln, Kaffee oder Obst, hat jetzt die Bundesregierung bestätigt. „Auch beim Heroin werden regelmäßig Fälle des Einfuhrschmuggels in Lebensmittellieferungen wie Nüsse, Gemüse und Obst festgestellt“, berichtet das Bundesfinanzministerium – um gleich der Bevölkerung zu versichern: Die Konterbande sei gut verpackt, manchmal in Extra-Reisetaschen, und komme nicht mit den Lebensmitteln in Kontakt.

Wäre es anders, hätte Deutschland ein echtes Gesundheitsproblem. Gerade Bananenstauden sind als Drogen-Verstecke beliebt. Und im Herbst letzten Jahres entdeckte der Zoll in Essen 330 Kilo Heroin in einer Lieferung zwischen Dosen mit Gurken und Knoblauch aus dem Iran – die größte beschlagnahmte Einzelmenge dieser Droge seit Jahrzehnten mit einem Verkaufswert von 50 Millionen Euro. „Rip off“ heißt die Methode, das Zeugs dazuzustecken.

Zollfahnder rüsten technisch auf

Die Zollfahnder beantworten die verfeinerten Tricks der Mafia mit verstärkter technischer Aufrüstung. So beschäftigen sie im Ruhrgebiet Spezialisten, die sich mit den zum Schmuggel hergerichteten Hohlräumen in Pkw und Lkw auskennen und die regelmäßig Lkw-Dächer („Da geht viel rein“) auseinander schrauben. Eine mobile Kontrollanlage, die – nur viel größer – den elektronischen Detektoren an den Flughäfen ähnlich sieht, ist für die Überprüfung von Fernbussen eingesetzt und taucht an deren Haltestellen mal in Köln, mal in Dortmund oder anderswo auf.

[kein Linktext vorhanden]Den Menschen kann das alles nicht ersetzen, sagt Ruth Haliti: „Die Zollbeamten sind vor allem in der Risikoanalyse geschult“. Sie müssen sich fragen: Ist hier nicht was ungewöhnlich? Ist das Land, aus dem die Ware kommt, gerade aufgefallen? Oder auch: Wie lange war dieses Paket unterwegs?

Mit einer Mischung aus eigener Erfahrung, Intuition und etwas Glück ist im übrigen das Kokain in der scheinbar harmlosen Bowling-Kugel aufgeflogen: Pech war es für den vermeintlichen Champion, dass der kontrollierende Beamte auch schon selbst Bowling-Pokale gewonnen hatte.