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Für den Abiball greifen Schülerinnen tief ins Portemonnaie

Für den Abiball greifen Schülerinnen tief ins Portemonnaie

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Nach Jahren anstrengender Schulzeit bringt der Abiball die Erlösung. Wenn Abiturientinnen ihr Kleid für den Abend der Abende auswählen, spielt der Preis deshalb oft keine Rolle. Der Stil ist dabei individuell – von mutig bis zum gewollten Stilbruch.

Wesel. 

Das ist es: trägerlos, mit Pailletten bestickt, schwarz. Als die Weseler Schülerin Julia Brosa den fließenden Stoff zwischen ihren Fingern hindurch gleiten lässt, weiß sie: „Dieses Kleid werde ich tragen. Nur dieses.“

Für rund 80 000 Abiturienten in NRW wird es der Abend der Abende. Nach neun Jahren Algebra, Gedichtinterpretation und Evolutionstheorie entschädigt der Abiball für sämtliche Strapazen. Es wird vermutlich die letzte Party, die sie alle gemeinsam feiern, bevor es die einen in entfernte Unistädte, die anderen in anstrengende Jobs verschlägt. Eine unvergessliche Nacht soll es deshalb werden, und dafür scheuen die Jahrgänge keine Kosten und Mühen – schon gar nicht bei der Garderobe.

Kampftag bei den Cocktailmoden

„Einen Abend Prinzessin sein, das gehört dazu“, findet Julia. Der Blick aufs Preisschild spielte für sie beim Ball-Shopping so gut wie keine Rolle. Am kommenden Samstag verwandelt ihr Konrad-Duden-Gymnasium die Niederrheinhalle in einen Ballsaal. Ihr Kleid hat Julia schon seit den Osterferien.

„Seit März herrschen bei uns Kampftage“, erzählt Lenka Li Lilling, Leiterin der Abteilung Cocktail- und Abendmode des Peek & Cloppenburg-Verkaufshauses in Düsseldorf. Vom Niederrhein und aus dem Großraum Düsseldorf würden die Schülerinnen in Scharen in ihre Abteilung strömen, um sich für die eine Nacht einzukleiden. Lastminute-Suchende streifen auch jetzt noch zu Hauf durch die Reihen von Kleiderstangen.

„Der Trend geht zum Nichttrend“, ist dabei Lillings Eindruck. Bodenlang oder knapp und figurbetont, in schwarz, in knalligen Farben, in dezenten Cremetönen, aus Tüll, Taft oder Chiffon – alles sei möglich, „anything goes“.

Der gewollte Stilbruch

Einen Dresscode haben die wenigsten Stufen. Generell seien die Schülerinnen mutiger und experimentierfreudiger geworden, beobachtet Lilling. One-Shoulder-Kleider mit nur einem Träger, Korsagen oder tiefe Rückenausschnitte würden stark nachgefragt. Der gewollte Stilbruch sei ebenfalls „in“. Viele wollten das pompöse Cocktailkleid zur Lederjacke kombinieren, erzählt sie.

Direkt in der ersten Boutique in Wesel wurde Julia Brosa fündig. Ein Glücksgriff. „Ich war nur etwas unsicher, ob mir ein bodenlanges Kleid steht. Ich bin ja nicht so groß“, erzählt sie. 300 Euro legte sie für ihr Traumkleid auf die Theke, Eltern und Großeltern teilten sich die Summe. 60 Euro kosteten außerdem die passenden Schuhe, für die Hochsteckfrisur werden noch einmal 21 Euro fällig – alles für einen Abend.

Doppeltes Lottchen beim Ball

Ihre Freundin Wiebke Gieshoff musste nicht ganz so tief in die Tasche greifen für ihr Wunschkleid. Allerdings besuchte sie eigens ihre Patentante in Frankfurt, um nach dem passenden Dress zu suchen. Dort gibt es die größere Auswahl und: Die Gefahr, sich für das gleiche Kleid wie eine Mitschülerin zu entscheiden, sei gleich Null. Nichts ist peinlicher, als beim Abiball als doppeltes Lottchen aufzutreten. Um das zu verhindern, bedienen sich viele Abiturientinnen inzwischen eines einfachen Kniffs. Fotos ihres Ball-Outfits zeigen sie direkt nach dem Kauf bei Facebook all ihren Freunden. Wehe, es kommt noch jemand auf die Idee, es nachzukaufen …

Junge Männer haben es da leichter, könnte man meinen. Mit Anzug und Krawatte ist schließlich nicht viel falsch zu machen. Auch Jannik Süselbeck vom Oberhausener Freiherr-vom-Stein-Gymnasium wählte diese klassische Variante – allerdings nach langer Suche. Anthrazit-grau ist nun seine Jackett-Hosen-Kombination. „Der Vorteil ist, dass ich den Anzug immer wieder gebrauchen kann.“

Für Abiturientinnen sei das nur selten ein Kriterium, genauso wie der Preis, berichtet die Abendmodenexpertin von P&C. Die witzigsten Taschengeldverhandlungen habe sie schon in den Umkleiden mitbekommen. Die Weseler Schülerinnen können das bestätigen. Auch wenn es verrückt sei, ein halbes Vermögen in ein Kleid für einen Abend zu stecken – es sei gleichzeitig einfach ein tolles Gefühl.