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Elke Sommer möchte nicht mehr schön sein müssen

Elke Sommer möchte nicht mehr schön sein müssen

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148EBC00CBE2EED3-079.jpg Foto: dpa
Elke Sommer verdrehte Hollywood in den 1960er Jahren den Kopf. Wir haben die gebürtige Berlinerin vor ihrem 75. Geburtstag gesprochen.

Washington. 

Im Hintergrund hört man ihren Hund „Smiley“ bellen. Ehemann Wolf Walther, ein pensionierter Luxus-Hotelmanager, gibt mit sonorem Bariton daheim am fränkischen Zweitwohnsitz Marloffstein den Telefonhörer weiter. Und dann ist sie schon auch schon dran, wach und charmant: Elke Sommer, gebürtige von Schletz. Pfarrers-Tochter aus Berlin-Spandau. Dolmetscherin mit großem Latinum. In den 50er Jahren beim Baden im italienischen Viareggio für die Leinwand entdeckt. Nach dem Krieg Deutschlands erstes Fräuleinwunder in Hollywood. 1964 für „Der Preis“ mit dem Golden Globe belohnt. Zweimal danach zur besten Theater-Schauspielerin Amerikas gewählt. 1998 vom „Playboy“ zur „Erotischsten Deutschen“ des Jahrhunderts gekürt. Bevor sie nächste Woche wieder in ihr anderes Domizil oberhalb des Sunset Boulevards in Los Angeles abhebt, wird am Donnerstag (5. November) am Starnberger See mit Freunden Geburtstag gefeiert. Es wird der 75. sein. Ein Interview.

Ein Dreivierteljahrhundert ist kein Pappenstiel. Wie fühlt sich das an, Frau Sommer?

Elke Sommer: Das ist wirklich ambivalent. Ich fühle mich einerseits stolz. Aber ich fühle mich selbstverständlich auch alt. Man hat hier und da seine Zipperlein. So ist es nun mal. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Aber das Positive überwiegt. Und wenn ich mir ansehe, was hier gerade in Deutschland passiert, dann fühle ich mich immer noch wie die Queen.

Sie meinen die Flüchtlingswelle?

Sommer: Das ist ein furchtbares Dilemma. Für beide Seiten. Ich hasse es, Leute leiden zu sehen. Aber ich fühle mich so verdammt machtlos.

Ruft das Erinnerungen bei Ihnen wach?

Sommer: 1942 haben sie mich in Berlin unter dem Kohlenzug festgeschnallt. Meine Eltern saßen oben. Wir waren ganz schwarz, als wir im bayerischen Hof ankamen. Da waren wir auch Flüchtlinge. Mein Vater war ja Franke. 1945 kamen dann die Amerikaner. Ich habe viel Glück gehabt im Leben. Meine zehn Schutzengel und der liebe Gott kamen oft zusammen.

Was bekommen Sie mit von der Flüchtlingskrise?

Sommer: Ich lebe die Hälfte des Jahres auf dem Dorf bei Erlangen. Wir haben im Moment vielleicht 25 Flüchtlinge hier. Mein Mann und ich, wir geben Kleider und Geldspenden, na klar. Und einmal in der Woche habe ich in einen großen Topf Suppe gekocht. Zuletzt Kürbis mit Ingwer. Da kriegen die Flüchtlinge was ab. Am nächsten Tag stand ein riesiger Gemüsekorb mit einem selbstgenähten Plüschhund vor der Tür, von den Flüchtlingen. Da fängst du natürlich das Heulen an. Aber ich bin sehr zerrissen. Ein guter Freund, der Landrat in Passau ist, hat mir gerade gesagt: Wir können nicht mehr. Ich vermisse, dass man in der Politik nicht genug über die Konsequenzen nachdenkt. Die New York Times schrieb „Deutschland begeht Selbstmord.“ Das hat mich nachdenklich gestimmt.

Seit über 40 Jahren liegt ihr zweiter Lebensmittelpunkt in Kalifornien. Nehmen Sie noch regen Anteil am Geschehen in Hollywood?

Sommer: Überhaupt nicht. Ich habe meine Arbeit immer mit großer Hingabe, Disziplin und Ehrlichkeit gemacht. Ab ich war nie Teil dieses Sich-sehen-lassen-Müssens auf dem roten Teppich. Ich bin keine Schicki-Micki-Jet-Set-Tante. Da gehe ich lieber ins Tierheim zum Helfen. Ich habe früher gearbeitet wie ein deutsches Uhrwerk. Jetzt habe ich den Luxus, Zeit zu haben. Ich genieße das. Die Freiheit, die ich habe, das ist unglaublich (singt die Melodie von Reinhard Meys „Über den Wolken…“)

Apropos deutsches Uhrwerk. „Made in Germany“ hat gerade ein Problem in den USA. Volkswagen. Hat Sie der betrügerische Erfindergeist überrascht?

Sommer: Ich muss ehrlich sagen, das ist eine Sauerei. Die haben das doch gar nicht nötig. Ich kann mir das nur durch eine gewisse Einstellung dem Leben gegenüber erklären. Viele wolle einfach nur noch Kohle, Kohle, Kohle machen. Das ist Gier. Und Gier kriegt man nie aus den Menschen heraus.

Seit ihr Lehrer Prof. Bina sie in der Schule für die Kunst gewonnen hat, gehören Farbe und Pinsel zu Ihrem Leben. Was malen Sie gerade?

Sommer: Einen riesengroßen Baum, der ganz stark in der Erde verwurzelt ist mit einem wunderschönen Stamm. Auf einem Ast hockt ein Chamäleon und schnalzt mit der Zunge. Auf dem unteren Ast liegt eine junge Frau.

Psychologisch interessante Konstellation – autobiografisch?

Sommer: Das kann schon sein (lacht). Vielleicht weil früher viele Männer hinter mir her waren wie der Teufel hinter der armen Seele. Und zu Professor Bina muss ich Ihnen eine wunderbare Geschichte erzählen.

Gern.

Sommer: Aus dem Norden Kaliforniens erreichte mich im Frühjahr die Nachricht eines Pastors. Dessen Großvater war als Soldat 1945 in der Nähe von Erlangen stationiert. Dort fiel dem Mann ein Bild in die Hände, das er drei Jahre später mit nach Hause nahm. Sein Nachkomme hat es mir als Geschenk angeboten, weil er meine Arbeit als Schauspielerin und Künstlerin schätzt. Im Gegenzug wünschte er sich ein Bild von mir. Er hat mich und „Papa-Bär“ (Sommers Kosename für den 1,96 Meter großen Ehemann Wolf Walter *d. Red.) besucht. Ich habe Sauerbraten, Klöße und Rotkraut gekocht. Ich habe vor Freude geweint. Es ist ein Bild von einem Mädchen vor blühenden Kirschen in der fränkischen Schweiz. Gemalt 1937 von meinem Professor Bina. Das ist kein Zufall, das ist das Wunder von Marloffstein.

Kalifornien hat schwere Wassernot. Der Staat zwingt die Bürger zum Rationieren. Leidet Ihr geliebter Garten?

Sommer: Wir mussten den Verbrauch um ein Viertel senken. Darum geben wir nur noch selten große Partys. Wir haben noch die alten Klo‘s. Da gehen jedes Mal sieben Gallonen runter, knapp 26 Liter. Letztes Mal haben wir uns Miet-Toiletten kommen lassen. Was den Garten angeht, also, wir haben da einen Eimer, kein Witz. Da pinkeln ich und mein Mann rein. Am Ende wird es mit ein bisschen Wasser verdünnt und dann zum Gießen benutzt. Ist der Dünger gleich mit drin (lacht laut). Den Pflanzen hat das bisher gut getan.

In Deutschland wird im Bundestag über das schwierige Thema Sterbehilfe und Palliativmedizin beraten. Als Wahl-Kalifornierin ist Ihnen der Fall der schwerkranken Brittany Maynard geläufig. Sie wanderte nach Oregon aus, weil es dort legal ist, auf eigenen Wunsch zu sterben. Wie stehen Sie dazu?

Sommer: Gut sterben zu dürfen, das ganze Argument dafür liegt für mich in einem einzigen Wort. Und das heißt: Würde. Es muss das Recht auf einen selbstbestimmten Tod geben. Ich unterstütze das hundertprozentig.

Denken Sie manchmal, Amerika wird politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich immer verrückter – ich muss hier weg?

Sommer: Das ist eigenartig, dass Sie das fragen. Ja, das trifft zu. Wir haben uns schon umgeschaut, an der Südspitze Spaniens. Wir haben da etwas im Auge, wollten eigentlich jetzt runter fliegen. Dann kam die Grippe dazwischen. Aber es ist natürlich nicht leicht, einen älteren Baum wie mich zu verpflanzen. Ich trenne mich nur ganz schwer von Dingen. Ich habe Amerika nicht satt, aber es passieren in der Politik dort ganz eigenartige Sachen. Und ich kann noch nicht einmal wählen. Ich sage nur Donald Trump, so ein Selbstdarsteller. Aber für uns ist alles noch in der Schwebe. Der Vorteil wäre auch: Die Flugzeit nach Deutschland ist viel kürzer.

Paul Newman, Peter Sellers, Dean Martin, Bob Hope, Vittorio de Sica, Horst Buchholz, Mario Adorf – Frau Sommer, Sie haben mit Titanen gedreht, die viele heute nur aus dem Kino-Museum kennen. Wann stehen Sie wieder vor der Kamera?

Sommer: Ich habe vom Straßenmädchen bis zur Nonne alles gespielt. Und ich habe seit einigen Jahren die Freiheit, wählen zu können, was sehr schön ist. Erst im vergangenen Monat hatte ich Angebote für vier Theaterstücke und einen Film. Es war okay. Aber es war nichts Besonderes. Ich habe abgelehnt. Aber eine atypische Rolle, das würde ich schon machen.

Zum Beispiel?

Sommer: Im „Tatort“`so eine Obdachlose ohne Zähne unter der Brücke, das würde mich reizen. Oder wenn Quentin Tarantino eine Rolle für mich hätte. So eine skurrile Alte. Das könnte ich mir vorstellen. Aber gut muss es sein. Wissen Sie, Ich möchte nicht mehr schön sein müssen.

Gibt es einen Lieblingsschauspieler, mit dem Sie gerne drehen würden?

Sommer: Jan Josef Liefers, der diesen Rechtsmediziner spielt, ist genial. Den mag ich wirklich sehr.

Weiß er das?

Sommer: Jetzt ja.