Diäten – oft bringen sie Frust. Die, die eigentlich abspecken wollten, sind schnell so dick wie vorher oder bringen noch mehr Kilos auf die Waage. Eine Umfrage hat jetzt gezeigt, mit welchen zehn Methoden die Bundesbürger am liebsten Pfunde schmelzen lassen. Experten sagen, was hiervon zu halten ist.
Hamburg/Zürich.
Die Deutschen sind Schwergewichte: 67 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen bringen zu viele Pfunde auf die Waage. Von den übergewichtigen Erwachsenen ist sogar fast jeder Vierte adipös, also fettleibig. Abspeck-Ratgeber füllen Regalwände von Buchhandlungen und regelmäßig die bunten Seiten der Frauenzeitschriften. Die deutsche Lebensmittelbranche setzt mit Diät-Produkten jährlich Milliarden um. Eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das TV-Magazin Wiso (ZDF) hat gezeigt, mit welchen Methoden die Bundesbürger am liebsten Pfunde schmelzen lassen.
Was von diesen Diäten zu halten ist, erklären der Hamburger Ernährungsmediziner und Buchautor Dr. Matthias Riedl und Prof. Christine Brombach. Die Ernährungswissenschaftlerin war Projektkoordinatorin der Nationalen Verzehrstudie 2 (2003 bis 2006), bei der im Auftrag des Bundesverbraucherschutzministeriums die Frage gestellt wurde: Was essen die Deutschen? Brombach arbeitet an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in der Schweiz.
Das Diät-Ranking der Deutschen:
Auf Platz 1: Friss die Hälfte
Fast 80 Prozent aller Abnehmwilligen haben es schon einmal mit FdH probiert. Ernährungsmediziner Matthias Riedl: „Grauenhaft! Der Körper kommt in eine Notsituation. Und wenn man nur 50 Prozent von dem sonst üblichen Fast Food isst, ist das auch nicht die richtige Ernährung.“ Bei der Methode FdH kann es auch unter Umständen zu einem Mangel an Vitaminen, Mineralstoffen, Kohlenhydraten und Ballaststoffen kommen, gibt Riedl zu bedenken.
Auf Platz 2: Dinner-Cancelling
Das sogenannte Abendfasten, meint: Das Abendessen fällt aus. „So ein Abend kann lang werden. Da kann man dazu neigen, bei den anderen Mahlzeiten mehr zu essen oder erlebt nächtliche Heißhunger-Attacken“, warnt Christine Brombach. Außerdem verführe das Abendfasten dazu, noch zwischen den Mahlzeiten zu essen. Mediziner Riedl: „FdH ist eine Diätlüge. Studien zeigen: Die Gewichtsabnahme ist sehr schlecht, wenn man das Abendessen weglässt.“
Auf Platz 3: Schlank im Schlaf
Es müssen zur jeweiligen Tageszeit die richtigen Nahrungsmittel gegessen werden, wird bei der Schlank-im-Schlaf-Diät behauptet. Sport zur richtigen Zeit soll die Gewichtsabnahme beschleunigen. Ziel ist es, den Insulinspiegel in Schach zu halten. Wird alles befolgt, wird versprochen: Die Weichen für die Fettverbrennung in der Nacht sind gestellt. Es gibt drei Mahlzeiten. Zwischen diesen liegen mindestens fünf Stunden Pause. Auf dem Frühstücksplan stehen kohlenhydratreiche Lebensmittel: Brot, Brötchen, Marmelade, Honig, aber keine eiweißhaltigen Lebensmittel wie Milch oder Quark. Mittags dürfen Kohlenhydrate und Eiweiß kombiniert werden. Abends sind Kohlenhydrate tabu. Man kann etwa Fisch, mageres Fleisch, Gemüse und Salat essen. Außerdem muss man ausreichend schlafen.
[kein Linktext vorhanden]Christine Brombach: „Das Verbot bestimmter Lebensmittel zu bestimmten Tageszeiten ist ein Humbug, Schlank im Schlaf eine Lüge. Man nimmt nicht im Schlaf einfach ab, nur weil man vorher die entsprechenden Lebensmittel gegessen hat.“
Ernährungsmediziner Matthias Riedl meint: „Das geht – wie bei anderen Diäten – mit Verboten und sonderbaren Empfehlungen einher, die sich durch nichts belegen lassen. Richtig ist aber: Man muss ausreichend schlafen, um abzunehmen. Zu wenig Schlaf fördert das Gewicht.“
Auf Platz 4: Weight Watchers
Ausgewogenes und genussvolles Abnehmen heißt hier das Motto. Weight Watchers, das ist ein weltweit vertretenes Abnehm-Netzwerk, ein Unternehmen, für das Ex-Eisprinzessin Katarina Witt und Schauspielerin Christine Neubauer Werbung machen.
Es handelt sich weniger um eine Diät als um ein Ernährungssystem. Die Lebensmittel bekommen eine bestimmte Anzahl von Punkten, nach denen gegessen wird. Die Punkte sind abhängig vom Kalorien-, Eiweiß-, Fett-, Kohlenhydrat- und Ballaststoffgehalt des Lebensmittels. Grundsätzlich sind alle Lebensmittel erlaubt. Für Abspeckwillige wird eine täglich erlaubte Punktezahl errechnet, die man verbrauchen darf. Außerdem gibt es Anleitungen für mehr Bewegung und eine Verhaltensänderung.
Ernährungsmediziner Riedl: „Das ist höchstens etwas für Leute mit wenig Übergewicht. Für Diabetiker und Menschen mit schwerem Übergewicht ist das nichts, für Ältere auch nicht. Wichtig ist: Übergewicht ist nicht gleich Übergewicht! Das kommt in der allgemeinen Diskussion immer wieder unter die Räder. Schwer Übergewichtige brauchen eine abgestimmte Therapie von Ernährungsmedizin, Sportpädagogik, Ernährungsberatung und Psychologie. Eine ernährungsmedizinische Beratung wird von den Krankenkassen jedoch nur vereinzelt und auf Antrag bezahlt.
Wichtig ist: Bei stark Übergewichtigen sollte auf jeden Versuch, Gewicht zu verlieren, verzichtet werden, der zu Frust führt. Denn jeder Misserfolg nagt am Selbstbewusstsein des Adipösen.
Auf Platz 5: die Mono-Diät
Das sind Diäten, bei denen nur ein Lebensmittel erlaubt ist – wie etwa Kohlsuppe. „Eine völlig einseitige Diät. Ein Mangel an bestimmten Nährstoffen, die für die Gesundheit unerlässlich sind, kann die Folge sein. Man nimmt rasch ab und oft ebenso schnell wieder zu“, betont Mediziner Riedl.
Christine Brombach: „Solche Diäten sind völlig einseitig. Ein Nährstoff-Mangel kann die Folge sein. Durch die Eiweißarmut bei einer Kohlsuppe etwa wird Muskelmasse abgebaut. Der Grund: Wird dem Körper zu wenig Eiweiß zugeführt, nimmt er sich dies aus den Muskeln und baut Muskulatur ab.“
Laut Brombach ein generelles Problem von kurzfristigen Crash-Diäten: „Man verliert Muskelmasse, wenn man nicht ausreichend Eiweiße (Proteine) zu sich nimmt. Erst nach längerer Zeit baut der Körper neben der Muskel- auch die Fettmasse ab. So hat man bei Crash-Diäten zwar schnelle Erfolge auf der Waage, aber man verliert zunächst vor allem Körperwasser. Und: Der Körper kommt durch solche Diäten in eine Stoffwechsel-Situation, die den Jo-Jo-Effekt erst richtig anheizt. Die Fettzellen, die durch die Crash-Diät eine Notsituation erlebt haben, gieren danach, sich schnell wieder aufzufüllen – für den nächsten Notfall. Das ist die Überlebensstrategie des Körpers.“
Auf Platz 6: die Formula-Diät
Sie bezeichnet Diäten, bei denen Mahlzeiten durch Pulver, die als Suppe oder Fertigdrink angerührt werden, ersetzt werden. Es gibt auch andere fertig zubereitete Nahrungsmittel wie etwa Kekse.
Ernährungmediziner Riedl: „Diese Produkte stellen keine vollständige Versorgung mit allen notwendigen Nährstoffen sicher. Außerdem lernt man durch einfaches Umrühren von Pulver nicht, sich dauerhaft so zu ernähren, dass man das Gewicht auch über längere Zeit halten kann. Da gehört eigentlich ein Aufkleber drauf: Bitte nicht bei mehr als fünf Kilo Übergewicht verwenden! Weil sonst die Gefahr besteht, dass man es länger durchführt. Und dann verliert man dramatisch an Muskelmasse und setzt einen Jo-Jo-Effekt in Gang. Wer wirklich abnehmen muss oder extrem dick ist, über einem BMI von über 30 (adipös) liegt, der sollte diese Diät auf keinen Fall machen. Da richtet man mehr Schaden an als Nutzen. Wenn es nach mir ginge, würden diese Produkte verboten.“ Christine Brombach: „Diese Produkte sind auch noch teuer. Nach drei Tagen ist vor allem Körperwasser weg und nicht Fettmasse.“
Auf Platz 7: die Hollywood-Diät
Sie wurde in den 1920er-Jahren in den USA für Filmdiven entwickelt. Angeblich hat Greta Garbo damit abgespeckt. Auf dem Speiseplan stehen unter anderem “exotische Früchte“ wie Ananas und Papaya. Bei der Hollywood-Diät wird behauptet, diese Früchte seien Fettburner. Außerdem gibt es Fisch, Shrimps, Hummer, fettarmes Fleisch. Als Dickmacher gelten Kohlenhydrate, vor allem Kartoffeln, Brot und Getreideprodukte. Die Hollywood-Diät verbannt sie vom Speiseplan.
„Zum einen ist es wissenschaftlich nicht belegt, dass es Lebensmittel gibt, die die Fettverbrennung ankurbeln, was hierbei ja etwa Ananas und Papaya zugeschrieben wird. Außerdem machen zum Beispiel Kartoffeln nicht dick. Dick machen dazu gereichte Saucen und Beilagen. Das Gleiche gilt für Brot. Da bringen etwa Butter, Wurst und Käse die Kalorien“, betont Christine Brombach.
Mediziner Matthias Riedl: „Es kommt bei dieser Diät auch schnell zu einem Mangel an lebenswichtigen Vitaminen und Mineralien. Müdigkeit, Konzentrationsschwäche oder Kopfschmerzen können sich einstellen. Man fühlt sich schlapp. Ich wende mich auch generell gegen das Verteufeln von Lebensmitteln. Motto: Du darfst das und das nicht essen, dann nimmst Du ab. Das ist Quatsch!“
Auf Platz 8: die Brigitte-Diät
1969 gemeinsam von der Redaktion der gleichnamigen Frauenzeitschrift, Ärzten und Diätexperten entwickelt. Beworben wird sie damit, eine der gesündesten Möglichkeiten zu sein, abzunehmen, da es sich um eine ausgewogene Diät handelt. Es gibt einen großen Strauß von Rezepten zum Nachkochen. Es gibt für Frauen pro Tag rund 1200 Kilokalorien zu essen. Frauen, die viel Sport machen, sollten 1400 Kilokalorien zu sich nehmen. Für Männer gelten 1500, beziehungsweise 1700 Kilokalorien.
„Eine schon sehr ausgewogene und abwechselungsreiche Diät. Für viele Frauen ist das etwas, was ihnen hilft. Sie haben eine Einkaufsliste und bereiten die Gerichte zu“, so Brombach. Was die Ernährungswissenschaftlerin kritisiert: „Die Brigitte-Diät ist nicht alltagstauglich, wenn man etwa unterwegs essen muss oder abends eingeladen ist. Und: Auch die Brigitte-Diät, so sie längerfristig geplant ist, sollte immer in Absprache mit einem Arzt gemacht werden.“
Mediziner Matthias Riedl: „Eine Diät, die die Leute anregt, gesund zu kochen. Die Rezepte sind mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung abgestimmt. Eine gesunde Kost, mit der man auch abnimmt. Die Frage ist, ob die Leute, wenn sie nur etwas nachkochen, lernen, wie man sich ohne diese Rezepte gut ernährt und hierfür Lebensmittel auswählt.“
Auf Platz 9: die Dukan-Diät
Sie wurde von dem französischen Arzt Pierre Dukan in den späten 1970er-Jahren entwickelt. Hierauf schwören angeblich Sängerin Jennifer Lopez und Topmodel Gisele Bündchen. Empfohlen wird eine proteinreiche, kohlenhydrat- und fettarme Kost. Eiweiße gelten als „Motor der Dukan-Diät“. Brot ist verboten. Wichtigste Proteinquelle ist laut Dukan Fleisch.
Dr. Matthias Riedl: „Eine sehr rigide Diät. Es wird mit Verboten, nicht weiter begründeten Geboten gearbeitet. Aber es gibt für die Ernährung und Menschen, die abnehmen wollen, keine Verbote. Die Ernährung muss mit jedem Menschen individuell besprochen werden. Denn es sind nicht alle gleich. Also: Finger weg von der Dukan-Diät.“ Professorin Christine Brombach kommt zu dem gleichen Urteil: „Nicht empfehlenswert.“
Auf Platz 10: die Metabolic-Balance-Diät
Begründer von Metabolic Balance ist der Internist Dr. Wolf Funfack, der betont, dass es sich hierbei um ein Ernährungs- und Stoffwechselregulierungs-Programm handele. Metabolic Balance basiert demnach auf der Annahme, dass der Organismus fähig ist, die für den Stoffwechsel benötigten Hormone selbst in entsprechender Menge zu produzieren.
Die Methode orientiert sich laut Funfack an einem Blutbild mit 36 Laborwerten. Bei Metabolic Balance wird hieraus und aus weiteren persönlichen Angaben ein auf den Menschen individuell zugeschnittener Ernährungsplan erstellt, heißt es. Die angeblich erforderlichen Lebensmittel werden computergestützt errechnet – basierend auf den vorher ermittelten Gesundheitsergebnissen und Laborwerten, wird betont.
Angeblich werden die Lebensmittel bestimmt, die erforderlich sind, um wieder einen ausgeglichenen Stoffwechsel zu erhalten. Die Gewichtsreduktion soll hierbei laut Funfack zu einem „positiven Nebeneffekt“ werden.
Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl: „Schwachsinn, eine echte Scharlatanerie. So etwas gehört eigentlich verboten. Es gibt Patienten, die bekommt man davon nicht los, die halten daran wie abergläubisch fest. Was ich leider immer wieder feststelle: Bei der Ernährung und Gewichtsabnahme haben die Leute ein Wissen auf mittelalterlichem Niveau. Wer sich auf diese Diät einlässt, kann auch schon mal 500 Euro loswerden für eine große Blutanalayse, danach errechnet ein Computer dann irgendeinen Murks. Dann bekommt man den Geheimtipp, wie man sich ernähren soll. Das bieten zum Teil sogar Ärzte an. Da bin immer wieder fassungslos.“ Prof. Christine Brombach: „Die Diät-Vorschläge rund um die Blutanalyse sind Pseudo-Wissenschaft. Finger weg!“