Ein Brasilianer hat die Spitze der deutschen Musik-Charts gestürmt. Michel Teló liefert mit „Ai se eu te pego“ einen Sommerhit mitten im Winter. Berühmt wurde das Stück durch tanzende Fußballer.
Essen.
Vor ein paar Wochen haben sie noch ratlos geguckt in den CD-Abteilungen deutscher Elektromärkte, wenn jemand kam und sagt: „Ich hätte gern das Lied Nossa.“ Dann hat der Verkäufer mit den Schultern gezuckt, im Computer nachgesehen und gesagt. „Ham wa nich! Gibt’s auch nich.“
Gibt es doch und mittlerweile hat ihn auch jeder Laden und jeder Online-Shop. Die Nummer heißt nur anders. „Ai se eu te pego“, auf deutsch etwa: „Wenn ich dich kriege“. Seit gestern ist der Brasilianer Michel Teló damit Spitzenreiter der deutschen Charts. So früh gab es selten einen Sommerhit.
Rechter Arm nach vorn, linker Arm nach vorn
Es haben aber auch viele geholfen. Vor allem Kicker. Und nicht irgendwelche, sondern einige der besten weltweit. Angefangen hat es mit dem brasilianischen Jungstar Neymar. Südamerikas Fußballer des Jahres 2011 wagt im vergangenen Sommer ein kleines Tänzchen in der Kabine des FC Santos. Rechter Arm nach vorn, linker Arm nach vorn, dann beide Arme vor der Brust kreuzen, ruckartig nach hinten bewegen und anschließend eindeutig zweideutig die Hüfte kreisen lassen.
Dazu tönt von irgendwo ein Akkordeon und Michel Telós Stimme, der mit „Ai se eu te pego“ damals gerade Nummer Eins in Brasilien ist. Natürlich wird die Tanzeinlage von irgendjemandem gefilmt und steht nur Stunden später bei Youtube, wo es schnell mehrere Millionen Mal angeschaut wird.
In Deutschland werden erste tanzende Fußballer gesichtet
Ein paar Wochen später tanzt auch der in Diensten von Real Madrid stehende Christiano Ronaldo – ein Landsmann und guter Kumpel von Neymar. Aber er tanzt nicht in der Umkleide, er tanzt auf dem Platz. Nach jedem Tor, das er geschossen hat. Und er schießt viele Tore in jüngster Zeit. So dauert es auch nicht lange, bis der Song Nummer eins in Spanien ist.
In Deutschland werden mit Beginn der Bundesliga-Rückrunde erste tanzende Fußballer gesichtet. Hin und wieder auf Schalke, regelmäßig in Gladbach, wo Marco Reus den Takt vorgibt. Allerdings macht er das nicht annähernd so elegant, wie er das runde Leder bewegt. Und so braucht es einen Sportskameraden mit brasilianischem Blut in den Adern, um dem Songs auch hier zum Durchbruch zu verhelfen. Ailton heißt er, hat mal bei Bremen und Schalke gespielt, tritt Anfang dieses Jahres aber im RTL-Dschungelcamp an.
Teló an der Spitze der Download-Charts
Vor gut sieben Millionen TV-Zuschauern legt er dabei eine flotte Sohle auf den schlammigen Boden und erklärt auch radebrechend, wie man den Tanz, der keinen Namen hat, ausführt. Leider versteht man als Zuschauer vor dem heimischen TV dabei nur ein Wort: „Nooossaa.“ Dennoch ist das Lied nun nicht mehr aufzuhalten.
Binnen Stunden steht Teló an der Spitze der Download-Charts. Auch weil die Plattenfirma dem eigentlichen Liedtitel genau dieses „Nossa“ angehängt haben und es sich nun ganz leicht finden lässt. Seit gestern nun steht der Sänger aus Südamerika, der eher einem skandinavischen Boy-Group-Sänger ähnelt als einem Latin Lover, auch in den normalen Verkaufscharts ganz vorne.
Akkordeon vom Vater geschenkt bekommen
Im portugiesisch sprechenden Teil der Welt ist der Sohn eines brasilianischen Bäckers längst ein Superstar, der Abendgagen von umgerechnet 65.000 Euro kassiert und große Stadien ebenso mühelos füllt wie die Klatschspalten der Boulevardpresse, die regelmäßig über den Zustand seiner Ehe berichtet. Musik macht Teló seit er als Zehnjähriger von seinem Vater ein Akkordeon geschenkt bekommen hat – erst in mehreren Gruppen, seit drei Jahren im Alleingang.
In Deutschland ist es der erste Hit des 31-jährigen.Vielleicht ist es auch sein letzter. Aber mit Sicherheit wird er noch größer. Er kommt nämlich zur richtigen Zeit. Zwar nicht im Sommer aber kurz vor dem Höhepunkt der Karnevals-Saison, in der musikalisch eingängiges aber textlich schlichtes Liedgut bekanntlich Hochkonjunktur hat.
Nach dem zwanzigsten Kölsch scheint mancher Jeck allerdings selbst mit einfachsten Zeilen seine Schwierigkeiten zu haben. Rund um den Dom jedenfalls sind in diesen Tagen immer wieder Feiernde zu hören, die ein lautstarkes „Hossa“ anstimmen. Ist ein anderes Land, eine andere Zeit, ein anderer Sänger aber wenigstens auch Südamerika.