Die Serie war eine Revolution im Fernsehen: Vor 25 Jahren startete Miami Vice in Deutschland. Für die deutsche „Derrick“- und der „Der Alte“-Zuschauerschaft war das Format ein Sprung in die Fernsehzukunft. Nur die Sockenhersteller hatten ein Problem.
Essen.
Man war das ja nicht gewohnt. Ohne Socken rumzulaufen. Oder T-Shirts in diesen Farben zu tragen. Zartrosa und babyblau. Wollte man aber jetzt haben. Unbedingt. Hatte man nämlich im Fernsehen gesehen. Bei „Miami Vice“. Dumm nur, dass gerade Dezember war und Kälte. Denn heute vor 25 Jahren nahmen die Ermittler des Sittendezernats im sonnigen Florida ihre Arbeit auch bei der ARD in Deutschland auf. Zum Debüt an einem Samstagabend, später dann jeden Dienstag.
Gehört hatten die Deutschen schon viel von dieser neuen Krimiserie, die in den USA bereits gut zwei Jahre zuvor angelaufen war. Einen „Schritt in die Fernsehzukunft“ hatte das Fachblatt „Rolling Stone“ sie kurz nach dem Start genannt. Für die deutsche „Derrick“- und der „Der Alte“-Zuschauerschaft ist sie sogar ein Sprung. Das deutsche Feuilleton springt erwartungsgemäß zu kurz. „Videoclip-Ästhetik“ bemängelt es und schimpft über das „Macho-Gehabe“ der Hauptdarsteller. Woraufhin zum Start gleich knapp 16 Millionen Menschen zwischen Nordsee und Alpen einschalten.
Schon im Vorspann sehen sie Flamingos, Luxuskarossen, Palmen, Pferderennen und knackige Mädchen in knappen Bikinis auf dem Weg zum Strand. Schnell sind die Schnitte, rasant die Fahrten mit der Kamera und peitschend die Töne des Intros, das Jan Hammer geschrieben hat. Das alles ist noch ungewöhnlich Mitte der 1980er-Jahre.
Genau wie die Hauptdarsteller. Don Johnson spielt Sonny Crockett, Ex-Footballstar und Vietnam-Veteran, der bei der Polizei gelandet ist. Seit Jahren ermittelt er undercover in der Drogenszene von Florida. Trägt Drei-Tage-Bart und T-Shirt zum Designer-Anzug. Fährt Ferrari und hat einen Alligator als Haustier an Bord seines Hausbootes. Er raucht, er säuft, er flucht, er flippt aus. Fast so wie Schimanski. Nur eben im Versace-Anzug. Ihm zur Seite steht Ricardo Tubbs (Philip Michael Thomas). Dunkel ist seine Haut, düster der Blick. Und tadellos sitzt auch bei ihm der Maßgeschneiderte von Armani. Bis zu acht Mal pro Folge wechseln die Hauptdarsteller ihre Kleidung.
So tauchen sie ein in den Sumpf des Verbrechens, der sich nicht trocken legen lässt, verschwinden immer wieder in der Unterwelt von Miami, die voller Versuchungen ist. Versuchungen, denen manche Kollegen erliegen. Denn auch das ist neu, ja gerade zu revolutionär. Bei „Miami Vice“ siegt nicht am Ende jeder Folge das Gute. Und wenn die Zuschauer einschalten, dann wissen sie nie, wer am Ende der Episode noch am Leben ist. Denn Autor Michael Mann lässt auch gerne mal Mitglieder der Stammbelegschaft sterben.
Doch es ist nicht der oft ungewöhnliche Inhalt, der bis heute in Erinnerung geblieben ist. Es ist die Form, in die er gegossen wird. Styling statt Story haben sie als Motto ausgegeben und umgeben die Ermittler mit immer größerem Luxus. Zeitweise werden ganze Heerscharen von Malern losgeschickt, um Drehorte in pastellfarbene Landschaften zu verwandeln, durch die die Darsteller jagen können.
Teure Folgen
Noch wichtiger als die Optik ist aber die Akustik. Immer wieder werden aktuelle Pop-Songs in die Handlung eingebaut. So rasen Crockett und Tubbs zu Phil Collins durch die Nacht und kämpfen um ihr Leben, während Foreigner im Hintergrund singen.
Fünf Jahre kann das Feuerwerk für die Sinne kaschieren, dass die Storys der Serie des Senders NBC immer dünner werden. 1989 wird die Serie, die mittlerweile pro Folge 1,6 Millionen Dollar kostet nach sinkenden Quoten eingestellt. Ein paar Jahre später ist auch in Deutschland Schluss.
Hersteller von Socken sollen aufgeatmet haben.