Evonik will ohne 130.000 Vivawest-Wohnungen weitermachen
Der Essener Chemiekonzern Evonik trennt sich wie geplant von Teilen seiner Immobilien-Tochter Vivawest. Das Unternehmen will aber 25 Prozent der Vivawest-Anteile in einem Fonds für die Absicherung der Evonik-Firmenrenten behalten. Vivawest ist mit 130.000 Wohnungen die Nummer drei der Branche in Deutschland.
Essen.
Der Essener Evonik-Konzern macht sich als reinrassiges Spezialchemie-Unternehmen auf den Weg an die Börse und gibt bis Juli die Mehrheit an seinem Wohnungsvermögen ab. Damit bekommen 300 000 Mieter in den 130 000 Wohnungen von Vivawest neue Eigentümer. Evonik-Chef Klaus Engel betonte gestern bei der Bilanzvorlage, Vivawest sei einer „vernünftigen und gesunden Balance von nachhaltiger Bestandsentwicklung und wirtschaftlicher Leistungskraft verpflichtet“. Engel nannte dies ein „konkretes Versprechen“ gegenüber den Mietern und 2000 Mitarbeitern.
Versprechen gegenüber Mietern
Der „nachhaltige Ansatz ist nicht vereinbar mit den überzogenen kurzfristigen Renditeanforderungen rein finanzgetriebener Investoren“, heißt es in einem Schreiben an die Vivawest-Mitarbeiter, das neben Engel auch der Chef der Industrie-Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) Michael Vassiliadis unterzeichnet hat. Neuer Haupteigentümer wird die RAG-Stiftung, Mehrheitsgesellschafter von Evonik, mit 30 Prozent sein. Zweitgrößter Anteilsbesitzer ist die IGBCE mit 26,8 Prozent.
Bei einem geschätzten Wert von Vivawest von rund drei Milliarden Euro kommt die Gewerkschaft auf ein Wohnungsvermögen von 800 Millionen Euro. Ein weiterer Gesellschafter ist zu 25 Prozent der Evonik-Pensionsfonds, der den Anteil von Evonik übertragen bekommt. Von den restlichen gut 18 Prozent wird vermutlich der Steinkohleförderer RAG, ebenfalls eine Stiftungs-Tochter, zehn Prozent für die Anlage der Pensionsgelder übernehmen. Acht Prozent bleiben zunächst bei Evonik.
650 Millionen von Vivawest an Evonik
Zum Schaden des Essener Konzerns ist der Deal nicht: Im Zuge der Bewertung von Vivawest – die aus der früheren THS mit 70 000 Wohnungen und Evonik Wohnen mit 60 000 – entstanden ist, werden so genannte stille Reserven gehoben. So habe man den niedrigeren Verschuldungsgrad von Evonik Wohnen dem von THS angepasst mit dem Ergebnis: Evonik bekommt auf Grund des höheren Wertes ihrer Wohnungen 650 Millionen Euro von Vivawest überwiesen. Engel nannte dies eine „Stabilitätsprämie. So bekommen alle, was sie wollen und keiner kommt zu kurz“. Zumal der Verschuldungsgrad von Vivawest nach diesem Schritt unter dem von THS liege, ein Unternehmen, das einen guten Klang bei Mietern habe. Ein Teil der Ausschüttung dürfte zeitweise über ein Gesellschafterdarlehen zwischenfinanziert werden.
Evonik werde das Geld wie auch die Erlöse aus dem Verkauf der Anteile zur Stabilisierung der Finanzen und für die „Kriegskasse“ verwenden, so Engel, dessen Vertrag bis Ende 2018 verlängert wurde. Evonik habe ehrgeizige Wachstumspläne und plane zwischen 2012 und 2016 Investitionen von sechs Milliarden Euro. Zwei Milliarden sollen nach Asien fließen. Auch in Südamerika, Osteuropa und im Nahen Osten wolle Evonik den Konzernumsatz stark steigern.
Forschungszentren in Essen und Marl
Auch wenn Evonik ein weltweit tätiger Spezialchemiekonzern sei mit wachsendem Auslandsanteil, wolle man die Standorte in Deutschland mit 22.000 Beschäftigten mit Investitionen sichern. Der Evonik-Chef nannte für Essen die Forschungszentren für Lacke, Farben und Kosmetikindustrie, für Marl eine neue Anlage für Kleb- und Dichtstoffe. Auf dem Weg an die Börse wartet Evonik mit dem besten Konzernergebnis seiner Geschichte auf: knapp 1,2 Milliarden Euro standen 2012 unterm Strich. Evonik zahlt 429 Millionen Euro Dividende, erwartet 2013 ein operatives Ergebnis auf dem Niveau von 2012.
Evonik-Chef Engel geht davon aus, dass die Aktie Ende April in den Handel kommt. Bislang haben die beiden Großaktionäre RAG-Stiftung und der Finanzinvestor CVC je sechs Prozent vorbörslich an institutionelle Investoren wie Banken, Versicherungen und Fonds verkauft – zusammen zwei Prozent mehr als ursprünglich geplant. Weitere zwei Prozent sollen über eine Bank an Privatinvestoren gehen. Insgesamt dürften dann Evonik-Aktien im Wert von zwei Milliarden Euro im Handel sein.