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„Dicke Sauerländer“ liegen vorn

„Dicke Sauerländer“ liegen vorn

Finnentrop/Hagen. 

Kaum ein Nahrungsmittel hat sich so in der Alltagssprache festgesetzt wie die Wurst. Irgendwo geht es immer um die Wurst, irgendjemandem ist etwas wurst, Wurst machen war in vielen Haushalten bis weit nach dem Krieg üblich. Heute greifen wir im Supermarkt zur Zehnerpackung, wenn wir im Sommer grillen wollen und zur Konservendose oder zum Glas, wenn wir Brühwürstchen brauchen. Letztere gelten in vielen Familien zusammen mit Kartoffelsalat immer noch als das klassische Heiligabend-Essen, bestätigt Tobias Metten, Marketingleiter des gleichnamigen Fleischwarenspezialisten aus Finnentrop.

Tante-Emma-Läden

Wie lange gibt es das Würstchen aus der Dose eigentlich schon? Bei Metten noch nicht so lange – genau 52 Jahre, erläutert Metten. Vorher gab es Brühwürste in den damaligen Tante-Emma-Läden einzeln in Papier oder Tüten verpackt – ohne Kühlung waren sie nur wenige Tage haltbar. Als Erfinder der Dosenwurst gilt der Unternehmer Friedrich Heine in Halberstadt, der seine Firma – später Halberstädter Würstchen- und Konservenvertriebs GmbH – 1883 gründete, also vor genau 130 Jahren. 1896 bot Heine & Co als weltweit erstes Unternehmen Brühwürste in ­Konservendosen an – über Geschmack und Qualität ist nichts überliefert. In den frühen Jahren soll es jedoch Probleme beim maschinellen Schließen der Dosen gegeben haben.

Mit runden Jubiläen kann Metten in diesem Jahr nicht aufwarten, aber mit einer Schnapszahl: „Wir machen Wurst seit 111 Jahren.“ So lange es die Firma Metten gibt. Und Würstchen in Dosen seit 52 Jahren, seit dem Aufkommen der Selbstbedienungsläden. Es gab kleine und große, dicke und dünne Sauerländer – „die Sorte dicke Sauerländer hat sich durchgesetzt“, so der Fachmann. Ältere erinnern sich noch an die kiloschwere Großdose mit 30 Stück, die man greifen konnte wie einen Diskus. Grund für das hohe Gewicht war, dass man damals Weißblech nicht so dünn walzen konnte wie heute. „Die sahen aus wie Tellerminen“, bestätigt Metten. Grund: Damals lagen die Würstchen in den Dosen, heute stehen sie, und die Großdosen haben praktischen Kunststoff-Eimern Platz gemacht.

Material wird aus Hürth geliefert

Rund 10 Millionen Dosen im Jahr verkauft Metten, meist in 5er Gebinden. Das Material wird von der Firma Ardagh aus Hürth geliefert. Ehemals hieß das Unternehmen May und war bekannt als Büchsenmilchproduzent, wie das Produkt damals genannt wurde. Metten setzt heute ganz auf Weißblech – Glas wird nicht befüllt. Einmal, weil dazu ganz neue Maschinen angeschafft werden müssten und dann aus Sicherheitsgründen. „Herumfliegende Glassplitter können eine Produktion stundenlang lahmlegen“, ist Tobias Metten überzeugt. Und: Das Unternehmen ist in diesem Bereich zu 100 Prozent Konservenproduzent, es gibt keine Thekenwürstchen mehr.

Je knackiger, desto besser

Das ist auch eine Frage der Haltbarkeit, die der Handel verlangt. Wenn man die Dosen nicht öffnet sind die Würstchen etwa ein Jahr lang haltbar. Sonst wären sie auch nicht so beliebt. Sterilisieren, also Haltbarmachung mit Hitze, heißt das Stichwort. Das dauert eineinhalb Stunden. Metten beschreibt die Prozedur: Die leeren Dosen werden am Band maschinell mit Würstchen befüllt, Salzlake kommt hinzu, die Dosen werden am Boden mit einem Deckel verschlossen. In einem Autoklav (Schrank mit Panzertür) werden die Dosen mit heißem Dampf besprüht und fertig.

Und dann? Bockwürstchenesser sind verschieden. Manchem kann der Darm nicht knackig und fest genug sein, andere kauen minutenlang angestrengt. Kein Wunder. Schweinedarm ist Natur, klärt Tobias Metten auf. Die Stärke schwankt. „Unsere Kunden sind da sehr empfindlich.“ Dem Verbraucher ist nicht alles wurst.