Nach zahlreichen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht berichten Opfer und Zeugen. Sie vermissten ein Eingreifen der Polizei.
Köln.
Am Silvesterabend und in der Nacht hat es zahlreiche Angriffe auf Frauen gegeben. Nach Angaben der Polizei sind mittlerweile rund 90 Anzeigen zu Raubdelikten, sexuellen Übergriffen und einer Vergewaltigung eingegangen. Opfer und Zeugen berichten derweil über die Geschehnisse der Nacht. Es sind Beschreibungen der Angst, der Hilflosigkeit und auch der Verwunderung über fehlende Polizeipräsenz.
Ein Opfer der Übergriffe berichtete beim Fernsehsender N24, dass sie am Bahnhof von Männern angefasst worden sei, dann sei es „extremer geworden“. Wie dieser Frau ist es offensichtlich mehreren Frauen ergangen, die gegen Mitternacht rund um den Kölner Hauptbahnhof unterwegs waren – ähnliche Fälle wurden auch aus Hamburg gemeldet. Gruppen von mehreren Männern hätten einzelne Frauen den Berichten zufolge umzingelt und begrapscht. „Die haben versucht, uns anzumachen, wir fühlten uns bedroht“, sagte eine 60-jährige Frau aus Overath bei Köln dem „Kölner Stadtanzeiger“. Die Frau, die namentlich nicht genannt werden möchte, sei gemeinsam mit einer Freundin unterwegs gewesen und gleich mehrfach angegangen worden.
Frauen kamen im Club nicht an
Eine andere Frauengruppe berichtet, dass sie am späten Abend auf dem Weg zu einer Feier im „Wartesaal am Dom“ waren, dem Ort, an dem auch die bekannte WDR-Satiresendung „Mitternachtsspitzen“ aufgezeichnet wird. Doch bis dahin seien sie nach Angaben der „Kölnischen Rundschau“ gar nicht gekommen. Weil sie ständig bedrängt worden seien, hätten sie sich in ein Hotel gerettet – so wie es auch eine Frau getan hatte, die sie zuvor umringt von einer Tätergruppe gesehen hatten.
Doch nicht nur Frauen berichten von den Geschehnissen vom Silvesterabend. Baris Olsun war ebenfalls am 31. Dezember am Hauptbahnhof. Er hat mit seiner Handy-Kamera die Geschehnisse zwischen 19 und 20 Uhr festgehalten.
Olsun war zu diesem Zeitpunkt vom Bahnhof aus auf dem Nachhauseweg. Doch der Weg zu den Gleisen wurde auch ihm verbaut. „Man hat sich nicht getraut, zum Hauptbahnhof zu gehen, da wirklich permanent Raketen und Böller durch die Gegend geschmissen wurden“, sagt er unserer Redaktion. Stattdessen habe er einmal um den Bahnhofsvorplatz laufen müssen, um sicher zu einem Eingang zu gelangen. Von sexuellen Übergriffen hat Olsun jedoch nichts mitbekommen, was sich mit den weiteren Berichten deckt, nach denen die Taten hauptsächlich nach Mitternacht stattfanden.
Kritik an der Polizei
Silvester-Übergriffe in KölnDoch außer Kontrolle scheint die Lage am Bahnhof auch schon zu Beginn der Silvesternacht gewesen zu sein. Zwar habe es laut Baris Olsun zahlreiche Reisende gegeben, die sich eher zufällig am Bahnhof getroffen hätten, doch ein Gruppe von rund 100 Menschen habe sich seiner Meinung dort zum Böllern getroffen. „Die kamen vorbereitet mit Raketen“, sagt er. Dass diese Gruppe mit Feuerwerkskörpern auf Passanten und das Bahnhofsgebäude schießen konnte, liegt nach Einschätzung des Zeugen auch an mangelnder Polizeipräsenz. „Ich habe keine Polizei gesehen. Sonst wäre die Situation auch nicht so eskaliert“, sagt Olsun. Damit spricht er einen Vorwurf aus, der sich auch in den Berichten der Opfer wiederfindet: Sowohl gegen 20 Uhr wie auch nach Mitternacht hätte es mehr Polizeipräsenz am Kölner Hauptbahnhof gebraucht.