Er ist das Enfant Terrible der deutschen Comedy: Ingo Appelt. Doch der 55-Jährige ist nicht nur Komiker. Nein, er ist auch SPD-Mitglied. Gerade müsste die Welt des gebürtigen Esseners also eigentlich rosarot, beziehungsweise rot-grün sein.
Schließlich spielt Ingo Appelt in den kommenden Tagen auch noch dreimal in Dortmund. Wir haben mit Ingo Appelt vor seinen Auftritten beim Ruhrhochdeutsch-Festival gesprochen.
Herr Appelt, wie lange duschen Sie denn am Tag?
Jetzt wo es so heiß ist, doch wieder öfter. Vor allen Dingen gerne kalt und was ich total gerne mache, ist, dass ich mir die Badewanne voll kaltes Wasser packe und mich dann da reinlege. Dieses Kaltwasser kann ich drei-, viermal am Tag verwenden. Da verschwende ich nicht so viel wie beim Duschen.
Also folgen Sie Herrn Habecks Vorschlag sehr vorbildlich.
Ja, ich versuche das (lacht).
Warum ich gefragt habe, Sie haben die Grünen vor knapp einem Jahr als ‚Hasenzüchterverein‘ bezeichnet. Jetzt spielen die Hasenzüchter in der Weltpolitik mit. Hat sie das überrascht?
Ehrlich gesagt: Ja. Irgendwie war es aber absehbar, dass die Grünen eine tragende Rolle einnehmen. Sie haben aber trotzdem nur rund 100.000 Mitglieder. Sie bleiben also ein Hasenzüchterverein.
Wie schlagen sie sich?
Sie machen das gut. Allerdings wirkt das auch so ein wenig, als würden sie das Politiker-sein spielen. Habeck zum Beispiel. Der passt nicht so recht in seine Anzüge, die Krawatten sitzen schlecht. Das macht Annalena Baerbock noch einen Tick besser, aber so ganz.
Ihr Programm heißt „Der Staats-Trainer“. Da müssten Sie eigentlich Tipps für die Damen und Herren haben?
Moooment. Der Staats-Trainer arbeitet fürs Volk. Eigentlich müssten die Politiker mich ganz offiziell einsetzen, um die Menschen auf die Dinge vorzubereiten.
Welche Dinge?
Die haben jetzt vor, ein soziales Pflichtjahr für Jugendliche einzuführen. Das ist eine Gemeinheit. Ausgerechnet die jungen Leute sollen das ausbaden, das ist so ein bisschen die Rache für ‚Fridays for Future‘. Wenn, müssten wir alle ran. Jeder zwei Wochen im Jahr im Altenheim, bei der Polizei, irgendwas Soziales machen. Das fände ich gut. Aber nicht nur die Jungen.
Das gab es bis vor Kurzem noch. Stichwort Wehrdienst.
Ich habe Zivildienst gemacht. Es hat nicht geschadet, aber es ist schon ein massiver Eingriff. Man könnte das besser verteilen. Und dann auf Lebenszeit, damit alle mal ein bisschen ranmüssen. Immer nur zu sagen, ich habe Rechte, ist mir zu wenig. Es gibt auch Pflichten.
Wo haben Sie Zivildienst gemacht?
Ich war bei der Arbeiterwohlfahrt und habe in einer Bildungsstätte den Hausmeister gegeben. Betten beziehen, Essen machen … sowas. Das war schon geil. Soll ich dir sagen, womit ich verweigert habe?
Klar.
Ich kam mit 21 Jahren plötzlich in die Bredouille, dass ich eingezogen werden sollte. Da habe ich geschrieben: ‚Ich bin Komiker, ich bringe die Leute zum Lachen und nicht um.‘ Das war alles und das haben die anerkannt.
Ich glaube aber auch, dass sie so eine linke Socke wie mich nicht wollten. Ich war damals Jugendbildungsreferent, ich war IG Metall-Jugendsekretär. So eine rote Laus wollten sie sich nicht in den Pelz setzen.
Dann haben Sie bereits Erfahrung gesammelt. Wo braucht der Staat denn heutzutage besonders viel Zuwendung?
Das ist eigentlich das, was ich jeden Abend mache. Ich nenne es immer ‚Betreutes Hassen mit Ingo Appelt‘. Ich lasse mich ausbuhen, die Leute dürfen schreien. Das ist alles andere als politisch korrekt, aber ich merke, das tut den Leuten gut. Wir leben in Zeiten, in denen man auf jedes Wort achten muss. Das darfst du nicht, jenes darfst du nicht, dann hast du noch die Inflation, den Krieg, Gendern. Ich mache mir einen Jux daraus, erst recht da draufzugehen. Da kommt so ein bisschen der alte Ingo Appelt wieder hoch.
Sie sprachen die Inflation gerade schon an. Viele Menschen haben weniger Geld in der Tasche, auf der anderen Seite erhöhen sich die Politiker ihre Diäten um mehrere Hundert Euro. Schreiben sich die Gags gerade nicht mittlerweile von selbst?
Das glaube ich nicht. Tatsächlich haben wir im Kabarett gerade große Schwierigkeiten, dass die Leute überhaupt kommen, weil man sie gerade diese Themen nicht mehr hören können. Man will nicht abends ausgehen und sich dann noch mal die Probleme der Welt um die Ohren hauen.
Meine Aufgabe ist gerade eher die Ablenkung. Lacht kaputt, was euch kaputt macht. Das war nie wichtiger als jetzt.
Und was funktioniert?
Themen rund um Generationenkonflikte. Über Musik, die einst lief, Helmut Kohl … So ein bisschen Nostalgie, aber auch draufkloppen auf die jungen Leute.
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Ingo Appelt: Hier kannst du den Komiker 2022 sehen
- 7. Juli – RuhrHOCHdeutsch Dortmund
- 8. Juli – Schramberger Kulturbesen
- 17. Juli – Glachauer Lachnacht
- 19. Juli – Stuttgarter Comedy Clash
- 21. Juli – Die Wühlmäuse
- 22. Juli – RuhrHOCHdeutsch Dortmund
- 28. August – RuhrHOCHdeutsch Dortmund
- mehr Termine und Tickets gibt es auf www.ingo-appelt.de
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Apropos draufkloppen. Olaf Scholz steht heftig in der Kritik. Sie kennen ihn persönlich. Wie schätzen Sie ihn ein?
Man will immer, dass Politiker was sagen, große Fresse haben und sich profilieren. Wenn sie es dann aber tun, werden sie als erstes abgemeiert. Das war bei Laschet so und auch Annalena Baerbock hat ordentlich auf die Nüsse bekommen. Ich finde dieses Unsichtbare von Herrn Scholz gar nicht doof. Er ist eigentlich genau wie Merkel und auch wie Kohl. Mit wenig Worten viel gesagt, das kann er gut.
Er kann ja emotional, er weiß aber auch: Je weiter du dich emotional aus dem Fenster heraushängst, desto eher wirst du geköpft.
Sie kennen ihn privat. Ist er fernab der Öffentlichkeit anders?
Natürlich ist er privat anders als im öffentlichen Amt. Ich mag seine ruhige Art. Er ist sehr belesen, er weiß sehr viel. Ich habe schon einige Gespräche mit ihm geführt und bin immer beruhigter herausgekommen.
Sie sind in den kommenden Wochen gleich drei Mal beim „Ruhrhochdeutsch“ in Dortmund. Was verbinden Sie mit dem Pott?
Ich muss ganz ehrlich sagen, das sind die nettesten Leute dort. Die sind ein bisschen bekloppt, aber sie sind sehr menschlich. Ich mag diese Mentalität. Ich war am vergangenen Wochenende auf einer Taufe im Ruhrgebiet. Allein wie die Taufe abgelaufen ist… alle in Jeanshose und Turnschuhen, der Pfarrer war total lustig, das Kind ist herumgelaufen, aber keiner hat sich aufgeregt. Das ist das Ruhrgebiet, das würde es in Bayern nicht geben. Mit dem Elend klarkommen, aber trotzdem nicht verzweifeln. Darum geht es doch in diesen Zeiten.
Sie wohnen in Berlin. Was unterscheidet die Hauptstadt von Dortmund?
Ich bin immer wieder erstaunt, welche Ähnlichkeiten da sind. Beides sind abgewrackte Städte mit billigen und verhausten Wohnungen. Viel zu viele Menschen auf einem Haufen. Trotzdem mag man sie irgendwie.
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