Schluss mit Raucherclubs – zum 1. Mai 2013 gilt in der Gastronomie in NRW ein striktes Rauchverbot. Die Meinungen dazu gehen auseinander. Wichtiger Beitrag zum Nichtraucher- und Gesundheitsschutz? Bevormundung? Todesstoß für Tausende Kneipen? Der Streit tobt weiter. Die Argumente im Überblick.
Essen.
Lange wurde gerungen, jetzt hat die rot-grüne Landesregierung ihre Entscheidung gefällt: Das absolute Rauchverbot in der Gastronomie in Nordrhein-Westfalen, es soll kommen: zum 1. Mai 2013. Die Diskussion um Für und Wider der strengen Regelung ist damit allerdings alles andere als beendet – im Gegenteil. Der Streit tobt weiter, Befürworter und Gegner des Rauchverbots werfen mit Erklärungen, Statistiken und Studien nur so um sich. Ein Überblick über Streitfelder und Argumente.
Ist das bestehende Gesetz nicht konsequent genug?
Immer wieder hat NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) in den vergangenen Monaten betont, mit einer Novellierung endlich die vielen Schlupflöcher im Nichtraucherschutzgesetz stopfen zu wollen. Dieses könne nämlich „aufgrund unklarer Bestimmungen sowie zahlreicher möglicher Ausnahmen keinen angemessenen Schutz für Nichtraucherinnen und Nichtraucher gewährleisten“, sagte sie im Juni dieses Jahres. Wiederholt klagten die Kommunen, dass eine wirksame Kontrolle durch die Ausnahmen nicht möglich sei.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), vehementer Befürworter einer strengen Regelung, kam in einer Gaststättenstudie in 15 Innenstädten in NRW Anfang 2011 zu dem Ergebnis, dass insgesamt weiter in jeder dritten Gaststätte – vom Schnellimbiss über Bars bis zum Restaurant – geraucht werde. Unter den Kneipen und Bars seien sogar noch mehr als 80 Prozent verqualmt. Verstöße gegen das Gesetz seien „an der Tagesordnung“, ein „wirksamer Schutz gegen das Passivrauchen“ so nicht möglich, so das Fazit.
Alles Quatsch, sagen andere – und sprechen dabei nach eigenen Studien ebenfalls von 80 Prozent, allerdings andersherum: In vier von fünf Gastronomiebetrieben in NRW gebe es „rauchfreie Angebote“, betont der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in NRW. Es gebe doch Wahlfreiheit, sagt Dehoga-Sprecher Thorsten Hellwig, anders als bei Schulen und Behörden könnten sich die Menschen aussuchen, in welche Gaststätte sie gehen wollen. Die „friedliche Co-Existenz“ von Raucher- und Nichtraucherlokalen nun per Gesetz zu beenden, sei „vollkommen überzogen“. Das verschärfte Gesetz diene dann nicht mehr dem Nichtraucherschutz, sondern nur dazu, das Rauchen zu verbieten.
Rauchverbot – Bevormundung oder Gesundheitsschutz?
Das strenge Rauchverbot beschneide die Selbstbestimmung und Wahlfreiheit der Bürger, klagt der Dehoga. Gesundheitsschutz auf der einen Seite, Eigenverantwortung auf der anderen – wer Bodo Meinsen dazu befragt, der bekommt einiges zu hören. Meinsen ist nicht nur Sprecher des „Vereins zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur“ (VEBWK), sondern auch Vorsitzender einer Vereinigung namens „Bürger für Freiheit und Toleranz“ – und damit erbitterter Gegner des strengen Rauchverbots. In der Expertenanhörung im NRW-Landtag zum Rauchverbot im vergangenen September berichtete er über seine Erfahrungen aus Bayern.
Es finde eine „Ausgrenzung, Diskriminierung und Gängelung“ von Rauchern statt, sagt Meinsen. Anstatt „Erziehungsmodellen“ wünsche er sich „mehr Augenmaß“ von der Politik. Die gesellschaftliche Entwicklung sei ohnehin auf dem Weg zu einem gesundheitsbewussteren Verhalten, die Zahl der Raucher auch ohne Verbot rückläufig. Das strikte Rauchverbot entziehe den Bürgern Persönlichkeits- und Freiheitsrechte, findet er.
Je strenger das Rauchverbot, desto gesünder das Volk?
Mediziner dagegen warnen: Jede Ausnahme beim Nichtraucherschutz gehe zulasten der Gesundheit. Helmut Gohlke, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung, betonte noch im September, dass die Zahl der Herzerkrankungen umso stärker zurückginge, je strikter der Nichtraucherschutz angewendet wird.
„Tabakrauch ist mit Abstand der bedeutendste und gefährlichste vermeidbare Schadstoff und die führende Ursache für Luftverschmutzung in Innenräumen“, warnt das Deutsche Krebsforschungszentrum. „Passivrauchen, also das unfreiwillige und oft unbewusste Einatmen von Tabakrauch, ist gesundheitsschädlich für alle Menschen.“ Und, so die Auffassung beim Heidelberger Institut: Alle freiwilligen Vereinbarungen und Appelle zur gegenseitigen Rücksichtnahme seien gescheitert.
Gesetze, so die Argumentation der Befürworter, zeigten dagegen ihre Wirkung: Nach der Einführung der Nichtraucherschutzgesetze in Deutschland sei die Zahl der stationären Krankenhausaufenthalte wegen Herzinfarkten innerhalb von fünf Jahren um acht Prozent zurückgegangen, berichtete die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) in einer im März 2012 veröffentlichten Studie.
Andere Länder berichteten gar von noch größeren Effekten, heißt es in derselben Studie. Dies sei aber auch nicht verwunderlich, weil dort direkt ein absolutes Rauchverbot ohne Ausnahmen gegolten habe.
Hat sich das Rauchverbot in anderen Ländern bewährt?
Befürworter des strikten Rauchverbots verweisen gerne auf positive Erfahrungen aus anderen Ländern. Bayern etwa, das Vorbild für die NRW-Novelle war, oder auch Großbritannien. Auch fünf Jahre nach Einführung des „Smoking Ban“ in England etwa gibt es noch immer die typischen Pubs. Viele Briten hätten das Rauchen aufgegeben, seien sensibler für die Gefahren durch Passivrauch, berichtete etwa der „Guardian“ im Juni. Der Gastgewerbe-Verband selbst hatte sich 2007, vor Einführung des Rauchverbots, für eine Regelung ohne Ausnahmen stark gemacht. Alles andere sei zu kompliziert, ungerecht, nicht zu kontrollieren.
Zum Nichtraucherschutzgesetz in Bayern zog das Deutsche Krebsforschungszentrum im Februar dieses Jahres in einer Studie „eine „positive Gesamtbilanz“. Die Umsätze in der Gastronomie seien entgegen der Erwartungen gestiegen, die Akzeptanz in der Bevölkerung groß.
Hintergrund“Ja, es funktioniert“, räumt auch Bodo Meinsen, der Sprecher des Vereins zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur (VEBWK) , ein – schiebt aber direkt hinterher: „Weil man es funktionieren lassen wollte.“ Vieles habe sich tatsächlich eingespielt, der Umsatz größerer Lokale möge auch gestiegen sein. Aber: „Was nicht funktioniert, ist der Bereich der kleinen Kneipen.“
Meinsen zitiert eine Studie, eine „repräsentative Befragung“ unter Wirten kleinerer Kneipen im Auftrag des bayerischen Dehoga, des VEBWK und der „Bürger für Freiheit und Toleranz“: Demnach hätten diese Wirte nach Einführung des Rauchverbots durchschnittlich 30 Prozent ihres Umsatzes verloren. Stammgäste blieben weg, die Verweildauer der Gäste sinke. Und: Es gebe eine riesige Grauzone – kleine Kneipen, in denen trotz Verbots heimlich geraucht werde, zudem würden „deutlich mehr“ geschlossene Gesellschaften ausgerufen, um das letzte Schlupfloch zu nutzen.
Mehr Beschwerden über Lärm und Kneipensterben durchs Rauchverbot?
Die kleinen Kneipen, die vom Rauchverbot besonders betroffen seien, würden durch die Neuregelung noch auf ein neues Problem gestoßen, sagt Bodo Meinsen von München aus voraus. Wer in der Kneipe nicht mehr qualmen darf, stellt sich mit der Zigarette eben davor, unterhält sich dabei mit anderen Rauchern. In Bayern hätten die Beschwerden über Lärmbelästigungen vor Kneipen „unglaubliche Ausmaße“ angenommen, sagt Meinsen. „Den Kübel Wasser aus dem zweiten Stock hat’s mehrfach gegeben. All das erwartet NRW jetzt mit großer Sicherheit auch!“
Auch der Dehoga befürchtet, „dass dafür am Ende die Wirte zur Rechenschaft gezogen werden“. Gerade in einem so dicht besiedelten Gebiet wie der Rhein-Ruhr-Region seien Probleme programmiert.
Wird das Rauchverbot zum Kneipensterben führen?
Bis zu 3000 Kneipen in NRW seien durch das Rauchverbot in ihrer Existenz bedroht, warnt der Dehoga vor einem „Kneipensterben“. Das Rauchverbot als Gaststättentod? Selbst Bodo Meinsen, dem Aktivisten aus Bayern, geht das etwas zu weit. „Diesen Begriff“, sagt er, „halte ich für deplatziert und unseriös.“ Die Gründe, warum Wirte aufgeben, seien so vielschichtig, dass man Schließungen nicht allein aufs Rauchverbot zurückführen dürfe. Aber: Das Rauchverbot könne als Beschleuniger wirken.