Wie die traditionellen Händler in der Region um ihre Marktanteile kämpfen
An Rhein und Ruhr.
Die Eisenbahn zuckelt endlos über ihre Runde. In der Schrankwand gegenüber stapeln sich Gesellschaftsspiele, eine Etage tiefer thront eine meterhohe Giraffe über den anderen Stofftieren. Der Spielwarenladen Roskothen in der Duisburger Innenstadt ist ein Paradies für Kinder und Kindgebliebene – und das seit 136 Jahren. Dabei hätte das Traditionsgeschäft vor zwei Jahren beinahe dichtgemacht. Doch Inhaber Boris Roskothen hat für seinen Laden eine finanzielle Lösung gefunden. Damit kämpft der Duisburger offenbar erfolgreich gegen einen Trend in seiner Branche an.
Wer in einer Internet-Suchmaschine die Wörter „Spielwarengeschäft“ und „schließt“ eingibt, findet Beispiele aus der ganzen Republik: Immer wieder mussten in den vergangenen Jahren Fachhändler schließen. Egal, ob in Düsseldorf, Wuppertal oder Hannover. Die Gründe klingen fast überall gleich. Ein großes Geschäft mit Innenstadtlage lohne sich nicht mehr, und zwar vor allem deshalb nicht, weil die Kunden zu Internethändlern abwandern.
Blickt man auf den Gesamtumsatz, geht es der Spielwarenbranche keineswegs schlecht. Für dieses Jahr rechnet der Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels mit über 2,9 Milliarden Euro Umsatz, das wäre ein Plus von vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Aber: Nur 35 Prozent der Spielwaren werden im Jahr 2015 beim Fachhandel gekauft worden sein, schätzt der BVS. Vor sieben Jahren waren es immerhin noch 39 Prozent. Im Internet werden heute 32 Prozent des Gesamtumsatzes gemacht, 2008 lag der Anteil laut BVS bei acht Prozent. Den Rest teilen sich Warenhäuser, Buchläden oder Lebensmitteldiscounter.
Trotz all der Umbrüche – Boris Roskothen blickt optimistisch in die Zukunft. Er hat sein Sortiment verändert, sich von Waren getrennt. „Wir führen zum Beispiel kein Playmobil mehr“, sagt Roskothen. Mit dem Preisen im Internet könne er nicht mithalten. Stattdessen setzt er auf hochwertiges Spielzeug, vor allem aber auf Gesellschafts- und Brettspiele. Mehr als 1500 hat er in den Regalen stehen, darunter viele Spiele, die der breiten Masse nicht unbedingt geläufig sind. Roskothen spricht mit seinem Angebot keineswegs nur Kinder an. Gefragt sind die Spiele vor allem bei Erwachsenen zwischen 20 und 40 Jahren. Über die sozialen Online-Netzwerke hat Roskothen eine Fangemeinde für sich gewonnen. Regelmäßig veranstaltet er Spieleabende oder lädt zu Turnieren mit Grillwürstchen und Getränken ein. Oder er punktet mit der Beratung. Viele Leute sind bereit, diesen Mehrwert zu honorieren.“
Die Zielgruppe schrumpft
Mit der Konzentration auf Gesellschaftsspiele und Hochwertiges hat Roskothen in Duisburg eine Nische besetzt. Kann das die Lösung für alle Fachhändler sein?
Nein, weiß Dorothee Cramer, die Inhaberin von Spielwaren Franck in Wesel: „In einer Stadt wie Wesel funktionieren wir ein bisschen wie ein Tante-Emma-Laden. Wir sind auch ein Nahversorger.“ Ihr Traditionsgeschäft ist in erster Linie auf Kinder ausgerichtet. Für Erwachsene gibt es wenig. „Wir haben ein klassisches Angebot. Aber es ist schwieriger geworden, Spielwaren zu verkaufen“, sagt Cramer. „Das Problem ist dabei nicht nur das Internet.“ Vielmehr sei die Zielgruppe schlichtweg geschrumpft. Durch den demografischen Wandel gibt es immer weniger Kinder. „Außerdem hören Kinder immer früher mit dem Spielen auf.“
Klar ist: Die Branche ist im Umbruch. Internet und lokaler Handel rücken enger zusammen, meint der BVS. Wollen die traditionellen Geschäfte überleben, müssen sie sich neu erfinden. Dorothee Cramer: „Es ist eine spannende Zeit.“