Am Dienstag startet bei der Polizei in Duisburg ein Computerprogramm, das die Wahrscheinlichkeit von Einbrüchen berechnet. Experten sind skeptisch.
Duisburg.
In dieser Woche macht die Duisburger Polizei erstmals mit Hilfe einer Computersoftware Jagd auf Einbrecher. Zuletzt ist viel über solche Programme berichtet worden, die jetzt auch in NRW bei den Pilot-Behörden in Duisburg und Köln die Taten professioneller Einbrecher vorhersagen sollen. Es ist ein landesweit beachteter Versuch, entsprechend hoch sind die Erwartungen. Und genau das sei ein „Problem“, sagt Duisburgs Kriminaldirektor Michael Jablonski, der sogar von einer „überhöhten Erwartungshaltung“ spricht. Denn das Programm spuckt keine Vorhersage einzelner Taten aus, auch keine Täter, Profile oder Opfer.
„Dass morgen an der Düsseldorfer Straße 39 um 13.33 Uhr ein Einbruch stattfindet, darum geht es eben nicht“, erklärte der Leiter der Kriminaldirektion jetzt vor dem Arbeitskreis Kriminalitätsvorbeugung. Es gehe vielmehr um „die Prognose einer Wahrscheinlichkeit von Delikten, die unter bestimmten Voraussetzungen an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten auftreten können.“
Computer schlägt bei dreifach erhöhter Wahrscheinlichkeit Alarm
Was Kommissar Computer am Ende liefert, ist eine dreifach erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass es in einem gewissen Bereich einen Einbruch geben könnte. Um diese Bereiche zu definieren, hat die Behörde das Stadtgebiet in 500 einzelne Quartiere aufgeteilt. Jeden Mittwoch überspielt das Landeskriminalamt die Prognosen für einbruchsgefährdete Quartiere, sogenannte „Hotspots“.
Am Donnerstagmorgen entscheidet der Leiter des Kriminalkommissariats dann aufgrund seiner langjährigen Erfahrung, wie die Polizei reagiert: mit Streifen, die dort herumfahren, mit verdeckten Ermittlern, die sich auf die Lauer legen, oder mit Beamten, die Anwohner auf offene Gartentüren oder Fenster hinweisen. Vorausschauende Polizeiarbeit aufgrund von Rechneranalysen also, was jetzt in den Polizeibehörden neudeutsch als „Predictive Policing“ die Runde macht.
Ziel: Mehr Einbrecher auf frischer Tat ertappen
Das Ziel: mehr Einbrecher auf frischer Tat zu ertappen, weil direkt ein Streifenwagen in der Nähe ist, oder die Täter zumindest durch Präsenz zu verdrängen. „Wir werden aber nicht alle Hotspots, die uns angezeigt werden, bearbeiten können. Dafür fehlen uns einfach die Leute“, schickt Jablonski vorweg. Es gibt für dieses einjährige Pilotprojekt kein zusätzliches Personal, die Behörde muss mit dem auskommen, was sie hat.
Schon die Aufteilung in die Quartiere ist ein Spagat: Zum einen müssen diese so groß sein, dass die Fallzahlen überhaupt noch eine Rolle spielen. Zum anderen müssen sie so kleinräumig sein, dass die Polizei überhaupt auf die Prognose reagieren kann. Die nackten Zahlen verdeutlichen das Problem: Jedes der 500 Quartiere umfasst im Schnitt immer noch 160 Wohngebäude mit 500 Haushalten, rechnerisch gibt es dort aber nur drei Einbrüche im Jahr.
Gefüttert wird das Programm des Herstellers IBM mit „sehr umfassenden Datenquellen“, sagt Jablonski. Vor allem sind es polizeiliche Daten, allesamt anonymisiert, aber auch externe zu Haushaltsgrößen, zur Bevölkerungs- und Sozialstruktur, zur geografischen Lage, die Rückschlüsse auf schnelle Fluchtwege zulässt. Kurz gesagt: Eben alles, was sich auf die Einbruchskriminalität auswirken kann. Der Computer versucht, durch Algorithmen daraus dann ein Muster zu errechnen.
Gewaltiger Markt für Software-Hersteller
Solche Programme sind für Software-Hersteller ein gewaltiger Markt. IBM, das nach einer europaweiten Ausschreibung den Zuschlag erhielt, war einer der ersten Entwickler, in Zürich und US-Städten soll die Kriminalität durch die Prognosen gesunken sein. „Sie finden überall Aussagen, dass es sehr erfolgreich läuft, aber sie werden nirgendwo eine einzige veröffentlichte Evaluation finden“, hält Kriminaldirektor Jablonski seine Skepsis nicht hinter dem Berg. Eine entsprechende Untersuchung zum Nachweis der Wirksamkeit soll der NRW-Pilotversuch liefern, das Ergebnis wird die begleitende Gesellschaft für innovative Sozialforschung in Bremen dem Innenministerium allerdings erst in einem Jahr vorlegen.
Die entscheidende Frage dabei: Wie lässt sich überhaupt feststellen, warum die Vorhersage nicht eingetroffen ist? Weil die Täter den Streifenwagen gesehen haben und getürmt sind? Oder weil einfach nur die Prognose schlecht war?
Zudem wäre es nicht einmal ungewöhnlich, sollte sich der vermeintliche Erfolg der Software blitzartig in der Statistik ablesen lassen: Kurz vor Projektstart hatte die Duisburger Polizei mit mobilen Wachen innerhalb einer Woche mehr als 1000 Mieter und Hausbesitzer beraten, wie diese das eigene Heim besser vor Einbrechern schützen können. Ob diese persönliche Beratung letztlich effektiver war als die Prognose des Computers, wird sich am Ende aber kaum feststellen lassen.