Mehr als 40 Fischarten tummeln sich mittlerweile wieder in NRWs größtem Fluss. Angler freuen sich über fette Welse und edle Zander. Kommt der Stör zurück?
Am Niederrhein.
Fische fühlen sich wieder im Rhein wohl, manche sogar zu wohl. „Kaum hängt man die Angel rein, hat man eine Grundel am Haken“, erzählt Stefan Staas. Der Minifisch, eigentlich in Osteuropa zu Hause, ist mittlerweile mit vier Arten im Rhein vertreten und vermehrt sich derart stark, dass die Kaninchen an Land neidisch werden könnten. Biologen sehen den Einwanderer kritisch, Angler können mit dem wenige Zentimeter großen Fisch nichts anfangen. „Grundeln sind vielerorts ein Problem geworden“, sagt Staas, der Geschäftsführer der Rheinfischereigenossenschaft.
Fest steht: Die Fischwelt im Rhein erholt sich. Über 40 Arten sind wieder heimisch, wie das Landesumwelt (Lanuv) jetzt mit teilte. Von A wie Aal über F wie Flunder, M wie Meerforelle bis hin zu Z wie Zander – alle da, oder besser: wieder da. Dank aufwändiger Wiederansiedlungsprogramme scheinen sich auch anspruchsvolle Wanderfische wie Lachse und Maifische wieder zu etablieren. Vor nicht allzu langer Zeit war eine Vielfalt noch undenkbar. Lanuv-Sprecher Peter Schütz schätzt, dass in den 70er-Jahren vielleicht noch fünf besonders robuste Arten zwischen Koblenz und Kleve unterwegs waren: „Der Rhein war praktisch tot.“
Ökologisch ist abernoch viel zu tun
Renaturierungsmaßnahmen an Uferbereichen, vor allem moderne Klärtechnik und schärfere Vorschriften haben die Wasserqualität wieder nach vorne gebracht. Schuld an der Brühe war bis dahin nicht nur die Industrie gewesen. „Bis in die 60er- und 70er-Jahre hinein sind auch noch viele Haushaltsabwässer gar nicht oder nur wenig geklärt in den Rhein geflossen“, erzählt Schütz. Der Bau des Emscherklärwerks in Dinslaken habe eine große Verbesserung gebracht. „Von Trinkwasserqualität ist der Fluss noch weit entfernt“, sagt der Lanuv-Sprecher. Das Uferfiltrat freilich spielt für die Wasserversorgung in den Städten entlang des Rheins eine große Rolle.
Und was ist mit den Fischen? Kann man die essen? Für Rhein-Aale gilt seit dem Jahr 2012 eine Verzehrwarnung; die Fische speichern in ihrem fetthaltigen Gewebe besonders viele Schadstoffe. „Wer Aale essen will, sollte sich die im Geschäft holen“, meint Schütz. Der Behördensprecher empfiehlt im Gespräch mit der NRZ auch bei anderen Fischen aus dem Rhein eher Zurückhaltung. Bei der Fischergenossenschaft hört sich das etwas entspannter an. „Bis auf den Aal kann man alle Fische aus dem Rhein bedenkenlos essen“, meint Geschäftsführer Stefan Staas.
Seine Aussage gibt wohl auch die gelebte Praxis beidseitig des Rheins wieder: Angler haben den Fluss wiederentdeckt. Mehr als 30 000 Angel-Erlaubnisscheine gibt die Fischereigenossenschaft jedes Jahr aus. In der Regel wird der geangelte Fisch wohl verzehrt werden. „Für Angler spielt der Rhein eine große Rolle“, sagt Staas. Mitunter ist fette Beute möglich. Dass Welse von zwei Metern Länge und mehr gefangen werden, kommt immer wieder mal vor.
Ökologisch gibt es am Rhein aber noch viel zu tun. Experten hoffen, dass die Wasserqualität und die Beschaffenheit des Flusses sich in den nächsten Jahren noch einmal kräftig verbessern. Im Zuge der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie sind weitere Maßnahmen vorgesehen. Lanuv-Vertreter Schütz knüpft Erwartungen an die geplanten Hochwasserschutz-Projekte, die Platz für Überflutungen und damit auch Rheinarme schaffen sollen, in denen sich die Kinderstube der Fische entwickeln kann. Langfristig hoffen Experten auch auf eine Rückkehr des Atlantischen („echten“) Störs, der seit den Anfängen des 20. Jahrhunderts im Rhein als ausgestorben gilt. Verschiedene Verwandte des Störs wurden zuletzt immer wieder am Rhein geangelt. Dabei dürfte es sich um ausgesetzte Teichfische und ihre Nachfahren handeln.