Recklinghausen.
Dieser 26. Mai 2013 veränderte ihrer aller Leben. Er sitzt heute auf der Anklagebank, seit damals geplagt von Albträumen, Schlaflosigkeit und Depressionen. Als städtischer Gärtner sollte er die Spielplätze in Datteln, die Geräte vor allem, kontrollieren. Hellgrau sein Anzug, aschfarben sein Gesicht. Die anderen, sie kamen als Familie ins Gericht, leiden bis heute sichtlich unter dem Verlust der Tochter, dem Tod der Enkelin. Liane starb mit 18 Jahren, als ein Schaukelgerüst zusammenbrach.
Es ist ein an Emotionen überreicher Morgen im Saal 127 des Recklinghäuser Amtsgerichts. Dem 61-jährigen Reiner S. steht die Last, der Druck der vergangenen Jahre ins Gesicht geschrieben. Der Vorwurf der fahrlässigen Tötung, schuldig zu sein am Tod des Mädchens, weil er nicht gründlich genug das Holz der Schaukel überprüft haben soll. Zwei Tage vor dem Unfall hatte er noch mit einem Hammer auf den Pfosten geschlagen, hatte sich auf die Schaukel gehockt und mit seinem ganzen Gewicht gewippt. Da habe er nichts feststellen können.
Reiner S. spricht anfangs mit belegter Stimme. „Bei allem, was wir tun, gibt es ein Restrisiko. Das mochte ich nicht mehr tragen.“ Wegen Depressionen war er nach dem Unglück ein Jahr nicht in der Lage zu arbeiten. Seitdem meidet er Spielplätze. Erst zwei Monate nach Lianes Tod wäre die jährliche, die so genannte Hauptuntersuchung auf dem Spielplatz fällig gewesen. Dann hätte Reiner S. nicht nur mit dem Hammer auf das Holz geklopft, dann hätte er mit dem Spaten gegraben und den Pfosten im Erdreich freigelegt. Nur so hätte Reiner S. den verhängnisvollen Schaden am Holz entdecken können. Das jedenfalls glaubt ein Holzspezialist der Prüfgesellschaft Dekra, der als Gutachter beauftragt war, den Fall zu untersuchen. Er habe den Pfosten direkt nach dem Unglück gesehen: „Er sah von außen gut aus. Die Bruchstelle lag unterhalb der Grasnarbe.“ Vielmehr sieht der Sachverständige die Verantwortung beim Hersteller des Spielgerüsts. Der nämlich hätte mehr Informationen zur Schaukel beilegen, hätte auf halbjährliche Prüfungen hinweisen müssen.
An jenem Tag im Mai 2013 sitzt Liane mit zwei Freunden auf der Pendelschaukel, als plötzlich ein sechs Meter langer Pfosten bricht. Er trifft sie zuerst am Oberschenkel, dann, als er noch einmal hochschnellt, am Kopf. Die 18-Jährige stirbt noch auf dem Spielplatz.
Die Großmutter bricht in Tränen aus
Der Gutachter hat seine Ausführungen kaum beendet, da verkündet Richterin Novak, das Verfahren gegen Reiner S. werde eingestellt. Sie sehe das Leid der Familie, doch hier gehe es um die Schuld des Angeklagten, und die könne sie nicht feststellen. Vielmehr habe sich der Hersteller des Spielgerätes nicht an DIN-Normen gehalten, habe keine Warnhinweise mitgeliefert. Die Staatsanwaltschaft will nun prüfen, ob sie Ermittlungen gegen ihn aufnimmt. Ingrid Voss, die Großmutter von Liane, bricht in Tränen aus. Ihr Mann verlässt wütend den Gerichtssaal.