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Krebskranker „Gentleman-Räuber“ steht wieder vor Gericht

Krebskranker „Gentleman-Räuber“ steht wieder vor Gericht

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Landgericht Wuppertal. Prozess gegen den sogenannten Gentleman Räuber Willi Fischer. Verteidiger ist Klaus Sewald. Anklage wegen verschiedener Delikte, unter anderem ein Banküberfall. Foto:Ralf Rottmann / WAZ FotoPool Foto: Ralf Rottmann / WAZ FotoPool
In Wuppertal hat am Montag der Prozess gegen Manfred F. begonnen. Der 65-Jährige hat zum wiederholten Male eine Bank überfallen, um seine Spielsucht finanzieren zu können. Doch es wird schwer sein, eine Strafe für ihn zu finden. Denn der Täter hat nicht mehr lange zu leben.

Wuppertal. 

Manfred F. ist ein Serientäter, spielsüchtig dazu und anscheinend unbelehrbar. Kaum hat er Haftverschonung, da überfällt er auch schon die nächste Sparkasse, um das Geld in der Spielbank Hohensyburg zu verzocken. So geschehen am 7. August 2012, deshalb steht der 65 Jahre alte F. nun wegen schwerer räuberischer Erpressung in Wuppertal vor Gericht. Hat so einer Mitleid verdient, Gnade etwa? Denn neben der juristischen hat der Fall Manfred F. auch eine tragisch-menschliche Komponente, wie sie sich in seinen Aussagen, denen seiner Ärztin oder seiner ehemaligen Lebensgefährtin offenbart. Manfred F. ist schwer krebskrank. Ein Todesurteil ist längst gefällt. Ihm bleiben sechs Monate, vielleicht zwei Jahre, und es ist die Frage, wie er sie verbringen wird.

„Herr F., dass ich Sie in diesem Leben noch mal wiedersehe…“, schüttelt Richter Robert Bertling den Kopf. Er hatte ihn bereits einmal verurteilt, 2008 zu mehr als sieben Jahren Haft und anschließender Sicherungsverwahrung wegen eines Doppelbankraubs in Wuppertal und Dortmund zwei Jahre zuvor. „Aktenzeichen XY“ half damals, ihn zu stellen, seit der Sendung wird er der „Gentleman-Räuber“ genannt. Seine Raubtaten führte Manfred F. stets höflich, leise, und ohne Androhung direkter Gewalt aus.

„Ich hätte gern ihr Geld…“

So dachte denn auch die Kassiererin Monika S. (47) Anfang August vergangenen Jahres, Herr F. sei ein neuer Kunde, als der „gepflegte“, glatzköpfige und in Grau gekleidete Mann an ihren Schalter trat. Doch der schlägt die Jacke auf, in der eine täuschend echt aussehende Softair-Waffe steckt und sagt leise: „Ich hätte gerne all ihr Geld, schnell, schnell!“ S. rafft die Scheine zusammen, 13600 Euro, erst als sie den Mann aus der Filiale verschwinden sieht, drückt sie Alarm.

Manfred F. nickt. Ansonsten macht er auch jetzt seinem Ruf, höflich und kooperativ zu sein, alle Ehre. Ein Attest über seinen Gesundheitszustand verteilt er in mehrfacher Ausfertigung, er klagt nicht, lauscht und antwortet mustergültig. Der Krebs hat ihm sein jugendliches Aussehen mit dem modischen Kinnbärtchen nicht rauben können, aber er geht gebeugt, der Körper in dem schwarzen Rolli wirkt ausgemergelt, seine Stimme ist heiser, der Tumor drückt auf die Bronchen, in Milz und Nebennieren sind Metastasen, in der Harnröhre trägt er einen Katheder. Als die Zeugin S. hereinkommt, sagt er: „Herr Richter, dürfte ich mich vielleicht entschuldigen bei der Dame?“ Und dann, mit brechender Stimme: „Entschuldigung…“.

Zeugin muss weinen

Doch auch die Zeugin muss weinen. Am Überfalltag habe sie noch „funktioniert“, schildert sie, doch am Abend, zu Hause, bricht sie zusammen. Seitdem ist sie in psychiatrischer Behandlung, musste ihren geliebten Arbeitsplatz an der Kasse mit Kundenkontakt aufgeben und hat sich in ein Büro zurückgezogen, auch privat sei sie nicht mehr so, wie sie früher war: „Ich habe immer nur das Beste von den Menschen geglaubt.“

Als Manfred F. seine letzte Bank überfällt, ist er vollgepumpt mit Schmerzmitteln und in einer desolaten Lage. Morgens hat er das letzte Geld in Hohensyburg verspielt, dann seine demente Mutter im Altenheim besucht. Seine Düsseldorfer Freundin, die ihn aufgenommen hat, weil er wegen der Krebserkrankung ein halbes Jahr Haftverschonung bekommen hat, hat ihn längst rausgeworfen, weil sie ihn an einem Spielautomaten hat spielen sehen .

Zuvor, so sagt sie dem Gericht, habe sie in seiner Akte gelesen, er sei ein „Hangtäter“ – jemand, der etwas immer wieder tun muss. Die attraktive 69-Jährige hatte ihm während vorausgegangener Haftstrafen stets die Treue gehalten, doch „jetzt wusste ich, ich kann mit Manfred nicht zusammen sein.“

Sie setzt ihn im April 2012 an der Jugendherberge in Oberkassel ab, seitdem hat ihn auch seine Düsseldorfer Ärztin, die seine Chemotherapie leitet, nicht mehr gesehen. Im Juli soll er sich wieder melden, doch Manfred F. bleibt verschwunden, bis die Polizei ihn verhaftet.

Tumor in der Lunge

1982 hat er seine kriminelle Karriere mit einem Banküberfall in Duisburg begonnen. Zu sieben Jahren verurteilt, saß er 15 Jahre wegen der damals bereits angeordneten Sicherungsverwahrung. 1999 kam er raus, schlug sich so durch, bis es 2006 zu den beiden kriminellen Rückfällen kommt. 2004 wird erstmalig im Gefängnis Darmkrebs diagnostiziert, 2011 weitere Tumore, unter anderem in der Lunge.

„Das ist jetzt unangenehm“, sagt der Richter. Und fragt seine Ärztin: „Wie lange ist noch mit seiner Mobilität zu rechnen? Wie lange kann er etwa noch Banken überfallen?“ Die Ärztin: „Das ist eine Frage der Luftnot.“ Drücke der Tumor auf die Bronchen oder sammle sich Wasser an, schränke ihn das erheblich ein: „Es wird sich kontinuierlich verschlechtern.“

Das Urteil darüber, wie Manfred F. den Rest seines Lebens verbringen wird, soll in dieser Woche fallen. Für Bankraub sieht das Gesetz Freiheitsstrafen nicht unter fünf Jahren vor.