Immer mehr Trittbrettfahrer bei Geldautomaten-Sprengungen
In diesem Jahr zählte das Landeskriminalamt in NRW schon 59 Sprengattacken auf Geldautomaten, erst jetzt gab es wieder eine in Oberhausen.
An Rhein und Ruhr.
Schon wieder: Unbekannte sprengten Freitag früh um 3 Uhr einen Geldautomat in Oberhausen-Schmachtendorf und türmen mit Beute in unbekannter Höhe. Damit zählt das Landeskriminalamt in diesem Jahr schon 59 vollendete oder versuchte Attacken auf Geldautomaten (zum Vergleich: Im kompletten Vorjahr waren es 67).
Stets werden die Automaten mit einem Gasgemisch in die Luft gejagt. Allein mit erfolgreicher Ermittlungsarbeit sei diesem Kriminalitätsphänomen nicht beizukommen, meint Kriminaldirektorin Ulrike Herbold vom Landeskriminalamt im Interview mit unserer Redaktion. In ihrem Dezernat ist die Ermittlungskommission „Heat“ angesiedelt, die den Fällen zusammen mit den örtlichen Behörden nachgeht.
Warum bekommt die Polizei das Problem nicht in Griff?
Ulrike Herbold: Das Aufsprengen von Geldautomaten ist ein Kriminalitätsphänomen, das Ermittlungsbehörden nicht nur in Deutschland registrieren, sondern auch nach wie vor in den Niederlanden. Hier geht es nicht um eine einzelne Tatserie. Wir haben es mit mehreren, unabhängig voneinander, professionell agierenden Tätern zu tun, aber zunehmend auch mit Trittbrettfahrern. Erfahrungen aus den Niederlanden zeigen: Alleine mit erfolgreicher Ermittlungstätigkeit wird man des Problems nicht Herr. Die Prävention, das heißt die Reduzierung von Tatgelegenheiten – hier die Sicherung der Geldausgabeautomaten – muss konsequent umgesetzt sein. Ermittlungserfolge können wir bereits vorweisen: Es hat Festnahmen gegeben, es gibt auch bereits Anklagen.
Welche?
Ulrike Herbold: Am Landgericht Siegburg etwa geht es bei Anklage um sechs Taten, zwei Männer sollen sich dafür verantworten. Eine Anklage beim Landgericht Kleve betrifft die drei Männer, die wir im Dezember in Dorsten festgenommen hatten. Eine Anklage beim Landgericht in Aachen behandelt zwei Taten und eine Festnahme. Dann hat es ja auch im Februar die vier Festnahmen nach der Doppelsprengung in Essen gegeben. Und im April hatten wir in Leverkusen zwei Männer festgenommen, denen wir mehrere Sprengungen im Raum Bonn zuordnen. In beiden Fällen dauern die Ermittlungen noch an.
Allgemein gefragt: Was wissen Sie über die Täter? Was sind das für Leute, die Geldautomaten in die Luft sprengen, hohe Sachschäden anrichten und sich selbst, aber auch Anwohner in Gefahr bringen?
Ulrike Herbold: Ein Großteil von erfolgreichen Sprengungen wird von Intensivtätern aus den Niederlanden begangen, die überwiegend nordafrikanischer Herkunft sind. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von etwa 250 Personen. Es gibt keine festen Strukturen, sondern wechselnde Tatbeteiligte mit verschiedenen Aufgaben. Seit Geldautomaten in den Niederlanden stärker geschützt sind, weichen diese Kriminellen auf Nordrhein-Westfalen und angrenzende Bundesländer aus. Wir beobachten aber, dass wir es zunehmend auch mit örtlichen Nachahmungstätern zu tun haben. Hier bleiben die Taten häufig im Versuch stecken.
Gibt es neue Ermittlungsansätze?
Ulrike Herbold: Wir stehen im ständigen Dialog mit den Behörden in den Niederlanden, aber auch mit unseren Kollegen in Niedersachsen, wo es ähnlich häufig zu Automatensprengungen kommt. Wir arbeiten gemeinsam an der Zusammenstellung von Tatserien, um dann weiter erfolgreich ermitteln zu können.
Wie klappt die Zusammenarbeit mit den Niederländern? Kontrollieren Sie auch an der Grenze?
Ulrike Herbold: Die Zusammenarbeit klappt gut, gerade der Informationsaustausch läuft sehr gut. Es gibt regelmäßige Zusammenkünfte mit den Ermittlungsbehörden und den zuständigen Staatsanwaltschaften. Es ist ein Fahndungskonzept erarbeitet, bei dem auch die Grenze eine Rolle spielt. Grenzkontrollen als solche haben wir nicht. Es gilt das Schengen-Abkommen, also freie Durchfahrt. Das macht die Sache nicht einfacher für uns, aber damit müssen wir zurechtkommen.
Tun die Banken genug?
Ulrike Herbold: Banken müssen in der Tat ihre Automaten noch besser schützen. Ich hatte schon darauf hingewiesen, dass ohne wirksame Präventionsmaßnahmen das Phänomen nicht einzudämmen ist. Wir arbeiten mit Geldinstituten, aber auch mit Automatenherstellern und den Anbietern von Nachrüsttechnik eng zusammen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die wir in unseren aktualisierten Handlungsanweisungen aufgreifen. Man kann technisch nachrüsten, zum Beispiel die Geldausgabeschächte besser sichern oder die Automaten als solche verstärken.
Es geht darüber hinaus um ganz praktische Dinge – etwa, dass Geldautomaten nachts nicht mehr zugänglich sind. Noch immer ist der Zugang zu besonders gefährdeten Automaten im besonders tatrelevanten Zeitraum nicht wirksam gesperrt. Mein Eindruck ist, dass die Banken – auch angesichts der Zahl von Attacken auf Automaten – zunehmend aktiv werden. Stufenweise werden Sicherungskonzepte umgesetzt. Das braucht Zeit. In den Niederlanden hat es mehrere Jahre gedauert, bis die Automaten flächendeckend besser gesichert waren – und sich das in den Reihen der Täter herumgesprochen hat.