Petra und Volker Bruckhaus aus Dinslaken verbringen ihre Ferien in Kärnten in den Nockbergen. Für sie ist es ein besonderer Urlaub – zum ersten Mal seit 20 Jahren sind sie alleine auf Tour. Die NRZ hat sie dort besucht.
Falkertsee.
Ein Urlaub kann für die Seele genau das sein, was der Neustart für PC und I-Phone ist. Mädchenreparatur nennen das junge Frauen selbstironisch, wenn sie einfach den Stecker ziehen und auf Besserung hoffen. Und mit ihrer Fahrt in die Nockberge in Kärnten ziehen Petra und Volker Bruckhaus aus Dinslaken ebenfalls den Stecker, alle Systeme auf Null, ein Neustart nach all den physischen und psychischen Anforderungen der jüngeren Vergangenheit. Der erste Urlaub wieder zu zweit. Nach 20 Jahren. Ein Experiment.
Volker will gleich einem Missverständnis vorbeugen: „Wir sind nicht etwa auf der Flucht vor unseren Töchtern oder der Familie, wir wollen lediglich die Zweisamkeit mal wieder erleben.“ Das versteht am besten, wer selbst in so einer Sandwich-Situation steckt: Die Kinder stehen noch nicht so richtig fest auf den eigenen Beinen, die eigenen Eltern immer häufiger wackelig. Viele zwischen 45 und 65 kennen alle Strophen zu diesem Lied.
Petra hat sich acht Jahre um ihre Mutter Inge gekümmert, die an einer vaskulären Demenz erkrankt ist und mehr und mehr abbaute. Petra hat alles gegeben, ihren Job beim Finanzamt eingeschränkt, „zum Schluss hatte ich nur noch ein Zeitfenster von zwei Stunden, dann musste ich wieder bei ihr sein. Wir haben es mit Tagespflege versucht, es reichte nicht mehr.“ Kurz vor dem Kollaps die Rettung: „Ein Platz im Pflegeheim St. Franziskus in Dinslaken. Das läuft gut. meine Mutter ist glücklich, ich bin alle zwei Tage da.“ Neue Freiheit.
Und die Töchter? „Sinja ist 25 und längst ausgezogen. Lara ist 18 und wohnt jetzt allein im Haus, das sie hoffentlich stehen lässt.“ Volker spricht aus Erfahrung über den Urlaub mit der Generation Smartphone. „Du musst viel Rücksicht nehmen, viel abstimmen. Ein Beispiel: Ob es im Ferienhaus einen Fernseher gibt oder WLAN, uns völlig egal, für die Kinder aber von elementarer Wichtigkeit.“
Holzbank statt WLAN, Fernsicht statt Glotze. Die beiden haben sich einen kleinen Alpentraum gemietet. Altes Holz, modern verbaut, der Wildbach rauscht fünf Meter vorbei, dazwischen wildes Gras und blühende Lupinen. Über vier Sitzecken kann man den Tag über mit der Sonne oder auch mit dem Schatten ziehen, ganz hinten eine gezimmerte Liegebank, das perfekte Ruhekissen für den Tagtraum. Petra beschreibt es mit „perfekt“. War nicht immer so. Sie haben sich auch schon mal in Murkshütten eingemietet. „Im Internet täuscht das ja manchmal. Aber als ich hier hereinkam, war ich so begeistert, mir kamen die Tränen.“ Sie stutzt. „Schreiben Sie das aber nicht.“ „Doch“, sagt Volker, „denn so war es ja. Und es sagt so viel aus.“
Wir machen eine Kurzwanderung hoch zum Falkertsee. Gut, so richtig zu zweit sind die beiden doch nicht. Felina ist mit, Hündchen mit spanischen Migrationshintergrund, das jetzt tapfer den Bergpfad klimmt. Die Nockberge sind nicht spektakulär, eher beschaulich, gleichwohl die Gipfel in dem Halbrund auch über 2300 Meter reichen. „Gestern sind wir bis hinauf dort zur Falkertspitze. Für uns reicht das völlig, wir sind ja auch keine 30 mehr.
Wir setzen uns für Spezi und Apfelschorle kurz auf die Terrasse der Zirbenhütte, herrlicher Blick, Volker erzählt weiter. „Ich bin hier 1980 auf meiner Yamaha auf dem Weg nach Jugoslawien durchgekommen. Damals war das natürlich nichts für mich, aber ich habe mich doch an die Landschaft erinnert, als wir jetzt was schönes Ruhiges gesucht haben. Petra hat dann im Internet die Hütte gefunden.“
Ein Gewitter zieht auf und zum Glück knapp vorbei.Aber es rumpelt gewaltig wie Gewitter nur in den Bergen rumpeln. Felina zittert wie ein Aal und kommt auf den Arm. Zwischen den Schauern steigen wir hinab zur Hütte. Petra und Volker gehen dicht nebeneinander. jetzt tröpfelt’s doch. Die beiden lächeln. Sie sind allein zu zweit und weit weg. Tja, diese Mädchenreparatur hilft erstaunlich oft. Beim I-Phone. Und auch im Urlaub.