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Sechs NRW-Städte bringen Rekord-Anleihe auf den Markt

Sechs NRW-Städte bringen Rekord-Anleihe auf den Markt

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Foto: Ralf Rottmann
Sechs NRW-Städte, darunter Dortmund, Essen und Herne, leihen sich am Freitag am Kapitalmarkt die Rekordsumme von 400 Millionen Euro. Es ist die größte Kommunalanleihe, die es in Deutschland bisher gegeben hat. Der Steuerzahler-Bund gibt zu bedenken: „Das dient nicht dem Schuldenabbau. Im Gegenteil.“

Essen/Herne/Dortmund. 

Sechs NRW-Städte leihen sich am Freitag am Kapitalmarkt die Rekordsumme von 400 Millionen Euro. Es handelt sich um die größte Kommunalanleihe, die es in Deutschland bisher gegeben hat. Die beteiligten Kämmerer sind zufrieden, obwohl das Ziel ursprünglich sogar bei einer halben Milliarde Euro lag. „Wir betreten mit dieser Anleihe absolutes Neuland“, sagte Essens Kämmerer Lars Martin Klieve dieser Zeitung. Neben Essen sind auch Dortmund, Herne, Solingen, Remscheid und Wuppertal daran beteiligt.

Das Geld, das den Anlegern eine Verzinsung von 1,125 Prozent pro Jahr einbringt, soll den Rathäusern vor allem die Umschuldung vorhandener Verbindlichkeiten ermöglichen. Banken halten sich bei der Vergabe von Krediten für Städte inzwischen spürbar zurück.

In den USA ist das völlig normal

In den USA ist es völlig normal, dass Städte Anleihen herausgeben. Anleger sind nicht selten jene Bürger, die in diesen Städten leben. Nun wagt auch NRW ein Börsen-Experiment: Dortmund, Essen, Herne, Solingen, Remscheid und Wuppertal leihen sich heute am Kapitalmarkt die Rekordsumme von 400 Millionen Euro. Die „NRW-Städteanleihe“ ist die bisher größte Kommunalanleihe in Deutschland. Banken, Sparkassen und Versicherungen zeichnen dieses Papier. Auch Privatleute könnten zugreifen.

Essens Kämmerer Lars Martin Klieve, sein Herner Kollege Hans Werner Klee und Jörg Stüdemann (Dortmund) freuen sich über den „Börsengang“. Klieve: „Es sollte die größte Kommunalanleihe werden, und das hat geklappt. Wir betreten Neuland.“ Vier Jahre lang bekommen die Investoren 1,125 Prozent Zinsen und am Ende den eingezahlten Betrag zurück. Stückelung: 1000 Euro. Ein normaler Bankkredit, so Klieve, wäre für die Kommunen kaum günstiger. Essen bekommt 28 Prozent der Summe, Dortmund 20, Herne acht Prozent.

Kredit gibt es nicht mehr so leicht

Neuland ist diese Anleihe wegen ihrer Größe und des Sechserbündnisses der Städte. Essen hat schon einmal eine angeboten (Laufzeit: 2010 bis 2015). Aber die war „nur“ 200 Millionen Euro schwer. Hannover hat eine – Laufzeit 2009 bis 2019, 3,6 Prozent Zinsen –, Mainz, Nürnberg und Würzburg auch. In Quickborn gibt es einen „Bürger-Kredit“: mit zwei Millionen Euro ist der aber ein Leichtgewicht.

Anleihen sind Papiere, mit denen der Herausgeber – in diesem Fall die Kommunen – einen Kredit am Kapitalmarkt aufnehmen. Die Städte brauchen diese neue Geldquelle. „Das Interesse der Banken, Städten Kredite zu geben, geht spürbar zurück. Wenn man vor 10 Jahren 20 Banken um Angebote gebeten hat, bekam man 15 Angebote. Heute sind es noch drei oder vier, inklusive der Sparkassen. Dieser Trend könnte sich noch verstärken. Daher suchen die Kommunen Alternativen“, erklärt Finanzexperte Stefan Friedrich von der Kandler-Gruppe.

Dortmunds Kämmerer spricht von einem Pilotlauf

Martin Hellmich, Professor an der Frankfurt School of Finance and Management meint: „Es war zu erwarten, dass diese große kommunale Anleihe auf den Markt kommt. Das Beispiel dürfte Schule machen. Es gibt Liquidität auf dem Finanzmarkt, also eine Nachfrage nach Anleihen. Und eine größere Unabhängigkeit von den Banken ist ein Vorteil für die Städte.“ Dortmunds Kämmerer Jörg Stüdemann nennt die Anleihe einen Pilotlauf.

„Wir wollten testen, wie Anleger darauf reagieren.“ Früher war es üblich, dass Städte wie Dortmund zum Beispiel bei den Landesbanken vorsprachen. Aber die Finanzkrise hat die Spielregeln gründlich verändert. Die WestLB ist kaputt, und die Baden-Württembergische Landesbank gibt lieber Pforzheim, Karlsruhe oder Stuttgart Kredit.

Der Steuerzahler-Bund warnt

Die Banken müssen in der Folge der Finanzkrise viel genauer als früher prüfen, wem sie Geld geben. „Und das neue kommunale Haushaltsrecht verpflichtet Städte, einem Kreditantrag genaue Bilanzen beizulegen. Niemand aber kann Bilanzen so gut lesen wie Banker“, sagt Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler NRW. Folge: „Schuldenkönige“ wie die Städte im Revier bekommen Geld zu schlechteren Konditionen als „Musterknaben“ wie Düsseldorf. Der Steuerzahlerbund verteufelt die Kommunalanleihe nicht, warnt aber: „Sie dient nicht dem Schuldenabbau. Im Gegenteil.“

Investoren schätzen die vergleichsweise gute Verzinsung der Anleihen. Und die Sicherheit einer Stadt, die ja eigentlich nicht pleite gehen kann. Oder doch? Detroit in den USA hat gezeigt, dass sogar das Unmögliche möglich ist.