Ohne die Millionen von Roman Abramowitsch würde der FC Chelsea wohl nicht zum zweiten Mal im Endspiel der Champions League stehen – den großen Traum hat das Geld des Russen noch nicht kaufen können. „Wir schulden ihm diesen Cup“, sagt Chelsea-Kapitän Frank Lampard.
München.
Es würde ihn mit unglaublichem Stolz erfüllen, die Champions League zu gewinnen, sagt Frank Lampard, und das „gleich aus mehreren Gründen“. Der wichtigste Grund, betont der Mann, der den FC Chelsea am Samstagabend im Endspiel (20.45 Uhr/live bei Sky, Sat.1 und im DerWesten-Ticker) gegen Bayern München als Kapitän aufs Feld führen wird, „ist Roman. Wir schulden ihm diesen Cup“.
Roman Abramowitsch hat seit Juni 2003 rund eine Milliarde Euro in den FC Chelsea gesteckt. Auf die erhoffte Rendite in Form des Henkelpokals wartet er aber vergeblich. Wenn man so will, sind die Blues das einzige Unternehmen, mit dem der milliardenschwere Oligarch Verluste macht – genauso gut hätte er seine Millionen beim nächsten Wertstoffhof abgeben können. Da ist es nur konsequent, dass er Chelsea nicht als Investment, sondern „als Leidenschaft“ sieht.
Die Passion trieb die Blauen nur zwei Jahre nach dem Einstieg von „Mr. A.“, der den finanziell angeschlagenen Londoner Klub wieder in die Balance brachte, erstmals nach 50 Jahren wieder zur englischen Meisterschaft. Zwei weitere Male setzten sich John Terry, Lampard und Co. die Premier-League-Krone auf, den FA Cup stellten sie Abramowitsch viermal in die Vitrine, den Ligapokal wie den Supercup zweimal. „Mit ihm hat sich alles verändert“, sagt Lampard.
Abramowitsch verschliss acht Trainer
Das wird nicht nur in der Titelliste sichtbar. Weniger schmeichelhaft ist Abramowitschs Bilanz als „Sportdirektor“: In neun Jahren verschliss er stolze acht Trainer, einzig Guus Hiddink durfte seinen Vertrag erfüllen. Luiz Felipe Scolari nannte die ständige Einflussnahme vom Boss mal „die Hölle“.
Ein „50-Millionen-Pfund-Fehler“ (Sun) war der jüngste Versuch, Chelsea mit dem jungen Teammanager Andre Villas-Boas zu erneuern. Abramowitsch war’s wohl egal, Geld spielt keine Rolle in seinen Überlegungen. Im Dezember 2009 glich er mal eben die Schulden in Höhe von 340 Millionen Pfund aus, die der Klub seit 2003 angehäuft hatte. Bayern-Star Arjen Robben, von 2004 bis 2007 bei Chelsea, kann daran jedoch nichts Verwerfliches finden. „Natürlich hat er viel Geld, aber da wird nicht mit Geld geschmissen. Und er fiebert bei jedem Spiel richtig mit.“
HSV-Sportdirektor Arnesen zerstreut das Bild
Das Bild des eiskalten Oligarchen, der nach Lust und Laune über Angestellte den Daumen senkt, zerstreut auch Sportdirektor Frank Arnesen vom Hamburger SV, der bis Mai 2011 unter Abramowitsch diente. „Er ist privat ein lockerer Typ, sehr umgänglich, niemals von oben herab. Er gibt Chelsea nicht nur etwas von seinem Geld, er liebt diesen Verein“, sagt er dem SID. Seine Spieler schätzen Abramowitsch dafür.
Doch es gibt diese andere, die dunklere Seite des Mannes, der buchstäblich aus dem Nichts kam. Abramowitschs Milliarden hielten einst den Staat von Boris Jelzin zusammen, dessen Wiederwahl er höchstpersönlich sicherte. Unter welchen Umständen er zum drittreichsten Bewohner Großbritanniens aufstieg, wird wohl nie genau geklärt werden.
Abramowitsch wurde mit Öl reich
Seine ersten Geschäfte machte Abramowitsch (45), der mit vier Vollwaise war, in seiner nordwestrussischen Heimat mit Jeans, Pralinen und Parfüm – Importware aus dem 1300 Kilometer entfernten Moskau. Später waren bei ihm Gummipuppen und Fußbälle im Angebot, bis er ins Diesel- und Ölgeschäft einstieg – die Sowjetunion war da gerade untergegangen – und reich wurde.
Trotz Abramowitsch – die Richtlinien des Financial Fairplay, betont Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge gerne, erfüllt Chelsea derzeit lange nicht. Abramowitsch war über Jahre eines der Feindbilder des FC Bayern, seit sie ihn kennengelernt haben, hat sich das gewandelt. „Er ist absolut sympathisch, nicht großspurig oder arrogant, eher zurückhaltend“, sagt Rummenigge.
Champions-League-Titel als Krone für „Roman’s Empire“
Aber: Mein Haus, meine Yacht, meine (bildschöne und 15 Jahre jüngere) Frau, ja sogar mein U-Boot und meine Boeing 767 – auch das ist Abramowitsch. Demnächst soll in dieser Reihe „mein Stadion“ stehen, mit ein bisschen „Abra-cadabra“ und vielen Millionen Pfund will er aus dem stillgelegten Kraftwerk Battersea eines der imposantesten Stadien Europas machen.
Vorher soll aber endlich dieser vermaledeite Henkelpott her – als Krone für „Roman’s Empire“. (sid)