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War Kola-Coca der Ursprung für Coca Cola?

War Kola-Coca der Ursprung für Coca Cola?

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Wenn sich die Wege eines unbekannten spanischen Likörherstellers und des Limonaden-Giganten Coca-Cola kreuzen, dann ist das eine Geschichte wert. In Aielo wurde vor über 130 Jahren ein Getränk auf Koka-Basis erfunden. Jahre später kauften die Amerikaner die Namensrechte für wenige Peseten.

Aielo de Malferit. 

Alle in Aielo de Malferit kennen die Geschichte. Vom kleinen Schuljungen bis zum tattrigen Greis. Juan Micó nimmt eine dünne Glasröhre und gießt eine zähe braune Flüssigkeit hinein. Durch die staubigen Fenster fallen fahle Lichtkegel in den Raum. Es riecht nach feuchtem Holz. „Gehobelte Kola-Nuss und Kräuter vermengt mit Alkohol“, sagt Micó. „Etwa einen Monat reift alles zusammen im Tonkrug. Was danach passiert, ist geheim.“ Micó trägt einen weißen Kittel und eine Brille mit silbernem Rand. Sein Haar ist grau. Der 74-Jährige hütet ein großes Geheimnis. Das Rezept für seinen Likör Nuez de Kola-Coca soll die Basis für das berühmteste Getränk der Welt sein: Coca-Cola.

Noch einmal schüttelt Micó die Flüssigkeit im Glas, so als wolle er ihre Konsistenz prüfen. Träge schwappt der Likör hin und her. Dann lässt er uns kosten. Der Geschmack ist süß. Sehr süß. „Es ist besser ihn zu mischen, als ihn pur zu trinken“, sagt Micó beinahe entschuldigend. „Mit etwas Wasser schmeckt er am besten, Frauen trinken ihn auch mit Milch.“ Vor über 120 Jahren haben Micós Vorgänger den Anís Celestial, den himmlischen Anis, erfunden. Heute ist der Likör als Nuez de Kola-Coca bekannt. Und manchmal kommen ganze Busladungen zu Micó, um ihn zu kosten – denn der Likör hat eine große Vergangenheit.

Die Geschichte der Fábrica de Licores von Aielo geht bis ins Jahr 1880 zurück. Damals gründeten die drei Unternehmer Bautista Aparici, Ricardo Sanz und Enrique Ortiz die Fabrik. Ihnen gelang es, einige exzellente Produkte herzustellen, darunter Liköre mit so klangvollen Namen wie Perfecto Amor (Perfekte Liebe), Lagrimas de Contribuyente (Tränen des Steuerzahlers) und Placer de Damas (Genuss für Frauen). Schon bald reiste Aparici, der für den Vertrieb zuständig war, auf Messen nach Rom, Paris, London und Chicago. Als er 1885 nach Philadelphia fuhr, hatte er auch einige Flaschen eines neuen Getränks namens Kola-Coca im Gepäck, das die drei aus koffeinhaltigen Kola-Nüssen und den Blättern des Coca-Strauchs aus Peru herstellten. Prompt gewannen sie den Preis für die beste Neuerfindung. Einige Flaschen ließ Aparici als Proben dort. Zufall oder nicht: Ein Jahr später erfand der amerikanische Pharmazeut John Pemberton Coca-Cola.

Medaillen fürflüssige Kreationen

Micó steht im Büro und hält einen goldenen Bilderrahmen in der Hand. Darin: Medaillen. Mailand 1881, Chicago 1883, Philadelphia 1885, London 1889, Paris 1900. Es sind einige der Auszeichnungen, die die Firma einst für ihre flüssigen Kreationen erhielt. „Insgesamt 20 Goldmedaillen und zehn Ehrendiplome“, sagt Micó. Er hält den Rahmen wie einen Beweis in die Luft, denn die Basis für Coca-Cola wurde in der 5000-Seelen-Gemeinde erfunden, da ist er sich sicher.

Auffällig: Auch bei Coca-Cola gehörten Kola-Nüsse und Coka-Blätter zu den ursprünglichen Zutaten. „Damals konnte man Getränke leicht kopieren. Denn Patente wurden erst angemeldet, wenn ein Getränk Erfolg hatte.“ Deshalb ließen seine Vorgänger Nuez de Kola-Coca auch erst 1903 für Spanien patentieren – zu einem Zeitpunkt, als Coca-Cola in den USA schon längst auf dem Siegeszug war.

Doch die Wege der beiden Firmen kreuzten sich erst ein halbes Jahrhundert später. Als Coca-Cola in den 60ern den spanischen Markt erobern wollte, führte an der kleinen Fabrik aus Aielo de Malferit kein Weg mehr vorbei. 1953 kamen die Manager der Coca-Cola Company in die spanische Provinz und kauften dem damaligen Besitzer die Namensrechte ab. Die Fabrik durfte zwar weiter unter dem Namen Kola-Coca produzieren, allerdings nur noch mit Alkohol. Seitdem ist Nuez de Kola-Coca ein Likör. 30 000 Peseten sollen über den Tisch gegangen sein. Doch genau weiß das niemand mehr. Auch nicht Micó, denn viele der alten Dokumente wurden zerstört. In jedem Fall war es viel Geld, glaubt er. Doch nichts ist das gegen das, was daraus hätte werden können. „Würden wir heute nur ein Tausendstel der Anteile besitzen, wären wir alle Millionäre.“

Doch sie sind es nicht. Stattdessen besteht das Unternehmen aus nicht viel mehr als einem altem Fabrikgebäude, von dessen Fassade der Kalk bröckelt, einem ausgetretenen Steinboden und ein paar Dutzend Holzfässern. Nach zahlreichen Besitzerwechseln kaufte Micó das Unternehmen 1971. Acht Jahre arbeitete er da schon im Betrieb, zuerst als Angestellter, dann als Assistent des Chemikers, später als Vertriebsleiter. Damals hatte die Fabrik noch mehr als drei Dutzend Mitarbeiter, heute sind es nur noch vier. „Das Geschäft ist schwierig geworden.“ Ausländische Firmen hätten den Markt erobert. Die meisten traditionellen Betriebe seien verschwunden. Auch Micó verkauft nur noch direkt ab Lager. Um überleben zu können ist er heute nebenbei Landwirt. Außerdem hat seine Firma vor einiger Zeit den Vertrieb für eine große spanische Bierbrauerei übernommen.

Die Tradition aufrecht erhalten

Micó steht jetzt vor einem Buch. Es ist so groß wie ein Atlas, nur dreimal so dick. Seit den 1920er-Jahren trugen die Mitarbeiter hier alle Verkäufe ein. Micó hat das Buch aus reiner Nostalgie aufgehoben, eingetragen wird schon lange nichts mehr. „Die Fabrik ist für uns heute kaum mehr als ein Hobby“, sagt er. „Wir wollen die Tradition aufrecht erhalten, damit sie nicht verloren geht. Aber wir können nichts mehr investieren.“ Micó ist 74. Vielleicht führt er das Unternehmen noch fünf oder sechs Jahre weiter. Dann wird sein Sohn José Juan die Firma übernehmen. Er ist 43. „Danach“, sagt Micó, „danach ist dieses Kapitel Geschichte wahrscheinlich beendet. Und wir schlagen dieses Buch zu“.