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Vieh-Auktion in Texhoma – Eine amerikanische Tradition

Vieh-Auktion in Texhoma – Eine amerikanische Tradition

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In Texhoma sind kaum Touristen zu sehen. Das kleine Dorf, das an der Grenze von Texas und Oklahoma liegt, hat nur 938 Einwohner. Doch dort findet Mittwochs eine bekannte Vieh-Versteigerung statt – eine uramerikanische Tradition.

Essen. 

Texhoma heißt Texhoma, weil es an der Grenze von Texas und Oklahoma liegt. Ein staubiges Dorf im Niemandsland, mit riesigen Rinder-Ranches und ein paar Ölfördertürmen auf den trockenen Weiden. Ab und zu fährt ein Zug der Union Pacific vorbei. Ein grünes Ortsschild beziffert die Einwohnerzahl mit 938.

Es muss lange her sein, dass hier Touristen Halt gemacht haben. Und so stutzt der Herr mit weißem Hemd und Cowboyhut als drei Deutsche die Pendeltür aufstoßen und nach der Vieh-Auktion fragen. „Wer seid Ihr? Was wollt Ihr? Und warum die Kamera?“

Die Erleichterung ist groß als wir erzählen, dass wir nur reisen. Und nicht etwa eine Abordnung militanter Tierschützer sind, wie der Herr am Empfang einen Augenblick lang vermutet hatte. Von da an ist der Hüne die Höflichkeit in Person und stellt sich als Clay Myers vor, Auktionator und Leiter des ländlichen Spektakels, das in wenigen Minuten beginnt.

800 Stück Vieh stehen zur Auktion

Mr. Myers nimmt Platz auf einem Podest hinter einer mit Sägespänen eingestreuten kleinen Arena. Rechts von ihm sitzt eine sehr amerikanisch geschminkte Frau, die pausenlos schreibt. Links ein Herr mit Hut vor einem Computerbildschirm, über dem Zahlenkolonnen flimmern. „Okay“, sagt Clay. „We are ready to start the sale“ – aber zuvor müsse er Gäste begrüßen.

Da wären zum einen die Schüler der ersten Grundschulklasse, die gerade die Einrichtungen der Gemeinde kennenlernen. Zum anderen „three guys from Germany“, die extra den weiten Weg nach Texhoma gemacht hätten. „Welcome!“

Die Cowboys, die auf den Zuschauerbänken sitzen, sind hier, um Geschäfte zu machen. Trotz 34 Grad im Schatten tragen sie lange Jeans, Stiefel, Hemden, Hüte oder Baseball-Mützen. Ein Helfer in der Arena reißt ein Gatter auf und herein stürzen zwei schwarze Rinder der Marke Angus. Sie tanzen verwirrt im Kreis. Es ist die Stunde von Clay Myers, der plötzlich aufhört wie ein normaler Mensch zu sprechen und stattdessen wie ein Schnellfeuergewehr Wortsalven abzuschießen beginnt.

Amerikanische Auktionatoren durchlaufen eine spezielle Sprechausbildung, die sie zu Virtuosen ganz eigener Art macht. Ihr Auftritt ist eine Show und schnödes Business zugleich.

Jeden Mittwoch um 11 Uhr ist Vieh-Auktion in Texhoma. Diesmal sind 30 Rancher gekommen. Sie sitzen auf den Rängen, ohne eine Miene zu verziehen. Bieten sie mit, heben sie kurz den Zeigefinger, und sie können sicher sein, dass Clay Myers keine ihrer Handbewegungen übersieht. So geht das zwei Stunden lang. 800 Stück Vieh wechseln an diesem Morgen den Besitzer.

Nach getaner Arbeit gönnen sich viele noch einen Drink, ein Frühstück oder ein Steak. Das Restaurant der „Texhoma Livestock Auction“, wie die Vieh-Versteigerung auf Englisch heißt, ist ebenso rustikal wie vorzüglich. Hier kommt man schnell miteinander ins Gespräch. Jetzt endlich traut sich Jake Fast die Deutschen zu fragen, wo sie herkommen. Und ob sie schon einmal eine Longhorn-Kuh gesehen hätten.

Jake ist ein Rancher wie aus dem Bilderbuch

Jake Fast ist 76 Jahre alt. Ein amerikanischer Rancher wie aus dem Bilderbuch. Abgewetzte Jeans, ein verbeulter Pick-Up-Truck und eine streng republikanische Gesinnung. Was Jake kauft, ist garantiert in den USA hergestellt, „denn was wir nicht produzieren können, brauch’ ich auch nicht“.

Dann will er noch wissen, ob wir „plattdeutsch verstan“ und mit ihm auf seine Ranch kommen möchten. Wir erfahren, dass seine Familie vor 150 Jahren aus Deutschland in die USA auswanderte. Den plattdeutschen Brocken hat er von seinem Großvater übernommen, zusammen mit dem mennonitischen Glauben, der ihm heilig ist.

Jakes Ranch liegt 52 Kilometer von Texhoma entfernt. Oder ganz in der Nähe, wie er selbst sagen würde. Jake ist kein Texaner, sondern Okie, ein Einwohner Oklahomas, Bürger der Stadt Guymon.

Viele staubige Meilen außerhalb sind wir endlich da. Ein altes Farmhaus mit einer Armada von Traktoren und Pick-Up-Trucks – das ist Jakes Reich. Jake bittet seine Gäste herein, serviert ihnen kalte Getränke. An der Wand hängt ein Familienfoto. Die Kinder sind keine Rancher, sondern in die Stadt gezogen. Nur der Vater macht weiter, auch noch mit seinen 76 Jahren. Es ist sein Leben, sagt er.

Nun also zum berühmten Longhorn-Rind. Auf der ganzen Auktion gab es kein einziges mehr, die Rasse ist out im Süden der USA. Jakes Longhorn ist ein Einzelstück, ein Hobby. Jake stellt es stolz vor wie ein Vater sein Mädchen.

Er ist überhaupt stolz auf alles, was dieses weite Land hergibt. Auf seine Rinder, die Weiden, die Bäume und den Brunnen, den er gebohrt hat. Auf einer Rundfahrt führt er seinen Gästen alles vor. Am Ende sagt der alte Mann: „Pray for rain, betet für Regen“, weil es wieder einmal monatelang kaum einen Tropfen davon gegeben hat. Dann verschwindet sein Haus im Staub der Steppe. „Dallas 440 Meilen“ steht irgendwo. In Dallas erreicht man wieder die Straßen, auf denen auch Touristen unterwegs sind.

Dann ist Texhoma schon weit weg. Und Clay Myers damit beschäftigt seine nächste Auktion in einer anderen Kleinstadt des Südens vorzubereiten.