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Titanic-Feeling auf dem Fluss: Von Berlin nach Stralsund

Titanic-Feeling auf dem Fluss: Von Berlin nach Stralsund

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Die Reise von Berlin nach Stralsund ist zwar unter der Kategorie Flusskreuzfahrt zu buchen, aber präsentiert wird alles, was die Schifffahrt hergibt.

Berlin. 

Etwas Titanic-Feeling kann auch bei Flusskreuzfahrten aufkommen. Wenn nämlich die Wellen an die Fenster der Kabinen klatschen und der Passagier für Sekunden in ein Aquarium blickt. Wenn die Crew die Liegestühle auf dem Sonnendeck einklappt und der Kapitän eine Kursänderung ankündigt. Die einwöchige Reise von Berlin nach Stralsund war zwar unter der Kategorie Flusskreuzfahrt zu buchen, aber eigentlich wird alles präsentiert, was die Schifffahrt hergibt: gewundene Flüsschen und schnurgerade Kanäle, winzige Buchten, ein weites Haff und sogar das offene Meer.

Einschiffung ist in Berlin-Spandau auf der Spree. Weil am ersten Abend nichts passiert, haben die Passagiere der „MS Mona Lisa“ Zeit, das schwimmende Hotel zu inspizieren. Das Schiff selbst ist eine charmante, gepflegte, ältere Dame, mit kleinen Zipperlein hier und da. Seit sie im Jahr 2000 in Dienst gestellt wurde, sagt ihr Kapitän Dieter Motek, wo es lang geht. Motek findet man meist auf der Brücke. Es scheint nicht die Lieblingsaufgabe des Magdeburgers zu sein, im feinen Zwirn und mit Sektglas in der Hand smalltalkend die Passagiere zu unterhalten. Aber heute muss er. „Vorstellung der Besatzung“ lautet der erste offizielle Programmpunkt.

Mit dem Schiffsfahrstuhl 36 Meter abwärts

Wichtiger sind dem Kapitän aber diverse Sicherheitshinweise. Vor allem, wenn er tutet: Vor der Brücke Kopf einziehen! Das ist häufig nötig, denn nach der halbtägigen Stadtrundfahrt durch Berlin wird endlich abgelegt. Ab Oranienburg, wodurch man gleich auf der Oder-Havel-Wasserstraße unterwegs ist. Die ist – wie alle Kanäle – optisch erst einmal nicht besonders spannend. Aber spätestens als das Schiffshebewerk Niederfinow auftaucht, werden selbst silberlockige Omis zu Technik-Freaks und rangeln um die beste Fotoposition. In Niederfinow geht es mit dem Schiffsfahrstuhl 36 Meter abwärts. Für die Übernachtung festgemacht wird in Oderberg. Das Städtchen ist nicht gerade ein Hotspot der Kreuzfahrt-Branche. Hier werden nicht wie an Rhein oder Donau die Schiffe nebeneinander vertäut, hier muss nur der Wirt des Bistro „Am Bollwerk“ die Tische beiseite rücken. Dann nehmen dessen Gäste wieder Platz und schauen dem Anlegemanöver zu.

Ist die Tour zwischen Berlin und der Küste noch ein Geheimtipp? Motek schüttelt den Kopf: „Fast alle Reedereien haben die schon entdeckt. Aber zugegeben, die meisten Gäste absolvieren erst die Klassiker, ehe sie nach Alternativen schauen. Dann sind sie begeistert von der Vielfalt, die diese Strecke bietet.“

Erst einmal geht die Reise über die Hohensaaten-Friedrichstaler-Wasserstraße durch das Oderbruch, dann auf der West-Oder durch den Nationalpark Unteres Odertal. Mal ist ein Dorfkirchlein zu sehen, mal ein Herrenhaus, aber eigentlich dominiert weite, unberührte Natur. Seerosenbuchten, Schilf, abgestorbene Bäume. „Seeadler Backbord!“, sagt der Kapitän durch.

Die Mona Lisa muss Tapferkeit beweisen

Dann muss die zierliche Mona Lisa, die ja kein Hochseedampfer ist, Tapferkeit beweisen. Mutig kämpft sie sich ab dem Stettiner Haff durch die höher werdenden Wellen – bis Wolgast. Von dort aus startet die vormittägliche Busrunde über die Insel Usedom und die nachmittägliche nach Greifswald.

Das Schiff wagt sich noch bis Peenemünde. Der Kapitän – immer den Seewetterdienst auf dem Smartphone – erklärt beim Essen seinen Plan: „Es ist noch nicht klar, ob wir bei Windstärke sechs oder sieben über die Ostsee bis auf die Insel Rügen fahren können. Die Wellen können bis zwei Meter hoch werden. Ich werde ganz früh ein Stück auf die offene See fahren und die Entscheidung treffen.“ Kein Murren im Publikum – das am nächsten Morgen in Stralsund aufwacht und eben nicht in Lauterbach. Die Rügen-Rundfahrt gibt es trotzdem. „Umplanen ist für uns Alltag“, so die Zahlmeisterin. „Mal ist das Wasser zu niedrig, mal zu hoch, mal zu bewegt. Bei etwa jeder dritten Fahrt müssen wir uns etwas einfallen lassen. Aber unsere Gäste sehen immer fast alles, was auf dem Plan steht.“ Hätte sich die See nicht beruhigt, wären die Passagiere halt mit den die Tour ohnehin begleitenden Bussen nach Rügen gekarrt worden und hätten von dort mit der Fähre auf Hiddensee übergesetzt. War aber nicht nötig. Am Nachmittag steigen die Sturmerprobten von Bord auf die bereitstehenden Kremser und lassen sich über die Insel kutschieren.

In Vitte sieht man nicht viel vom Sonnenuntergang. Aber am letzten Abend wird manchem dennoch romantisch und etwas abschiedlich ums Herz. In aller Frühe macht sich die Mona Lisa gen Stralsund auf den Weg – und schaut dort respektvoll zur neben ihr festgemachten Gorch Fock hinauf. Ein paar Stunden Verschnaufpause für den Kapitän, ein paar Stunden Putzstress für die Crew. Dann kommen die nächsten Passagiere. Die reisen dann vom Meer zu den Kanälen.