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Restaurierung der Panorama-Drucke im Welterbehaus in Wismar

Restaurierung der Panorama-Drucke im Welterbehaus in Wismar

Historische Panoramatapete im Welterbehaus
Historische Panoramatapete im Welterbehaus
Seit drei Jahren wird das mittelalterliche Haus an der Lübsche Straße in Wismar saniert. Es entsteht das neue Welterbehaus. Restaurator Jens Zimmermann saniert ebenfalls. Er kümmert sich um die Drucke im Tapetensaal. Der Raum zählt zu den Highlights. Dabei haben die Bilder eine Odyssee hinter sich.

Wismar. 

Sacht streicht Jens Zimmermann über eine Delle in der Bildertapete. „Das Klima ist das A und O, bei 50 Prozent Luftfeuchte werden die Verwerfungen verschwinden“, sagt der Restaurator. Seit Monaten saniert der Kunsthandwerker die wertvollen Panorama-Drucke. Sie kleiden den Tapetensaal im neuen Welterbe-Zentrum Wismars nun wieder ringsum aus. Das Gebäudeensemble Lübsche Straße 23, zwei mittelalterliche Giebelhäuser, wird seit drei Jahren umfassend erneuert.

Das denkmalgeschützte Anwesen soll am Welterbetag, dem 1. Juni, als Informations- und Veranstaltungshaus eröffnet werden. Mehr als vier Millionen Euro wurden investiert. Es ist das dritte Besucherzentrum seiner Art in Deutschland nach Regensburg und Stralsund. Zusammen mit Stralsund steht Wismars historischer Kern seit 2002 auf der Weltkulturerbeliste der Unesco.

Bedeutung kulturellen Erbes werde fassbar

„Das Haus an sich wird das erste Ausstellungsstück der Welterbestätte Wismar“, meint Architekt Henning Sigge. Auf einem Rundgang werde die Bedeutung kulturellen Erbes anhand der Wismarer Geschichte fassbar. Problematisch bei der Restaurierung seien die Fundamente, also die Gründung der alten Kontorhäuser gewesen. Der Unterbau musste größtenteils bis tief in den Boden hinein verstärkt werden, erklärt Sigge.

Optisches Highlight im neuen Welterbe-Zentrum sei das wiederhergestellte Tapetenzimmer, betont der Architekt. Zusammen 64 Quadratmeter Wandflächen sind wieder komplett von den wertvollen französischen Papierdrucken bedeckt. Sie stellen die Geschichte aus der griechischen Mythologie „Reise des Telemach auf die Insel der Göttin Calypso“ dar. „Diese Farbintensität, diese Tiefe, unglaublich, es scheint, als könne man ins Bild hineinlaufen“, meint Sigge.

Werke haben wahre Odyssee hinter sich

Dabei haben die Werke eine wahre Odyssee hinter sich. Tapeten-Diebe rissen Ende 1995 die Drucke von den Wänden des damals leerstehenden Fachwerkhauses, das früher Sitz der Kaufmanns-Compagnie war und in der DDR Ateliers des Kulturbundes beherbergte. Der Kunstklau wurde schnell entdeckt. Die Polizei ging an die Öffentlichkeit und bewegte die Einbrecher zur Rückgabe der unverkäuflichen Bildtapeten, wie der Welterbe-Beauftragte Norbert Huschner erzählt.

Restaurator Zimmermann ist noch immer fassungslos über den Diebstahl. Der Wert der 1823 in Paris aus Papierdrucken und einem Untergrund aus Sackleinen maßgefertigten Tapeten sei unermesslich, sagt er. Neben Wismar besitze nur das Museum of Modern Art in New York Fragmente desselben Tapetenzyklus. Der Wismarer Kunstraub hinterließ tiefe Spuren: Mit einem Cuttermesser hatten die Diebe die seltenen Bilder von den Rahmen gelöst und dabei umlaufende Bordüren einfach abgeschnitten.

Einbrecher traten auf die Kunstwerke

Offenbar traten die Einbrecher auf die am Boden liegenden Kunstwerke, bevor sie diese grob zusammenfalteten. Schmutz, Schürfstellen, Knicke und Brüche blieben. Später bekamen die Täter wohl kalte Füße und legten die Bilderrollen auf einem Parkplatz ab. Nach einem anonymen Anruf wurde der Schatz geborgen und ins Archiv gebracht. Ohne Spannrahmen aber schrumpften die Tapeten über die Jahre um rund ein Prozent, erklärt Zimmermann. So musste er sie nun bis an die Schmerzgrenze auf das ursprüngliche Maß strecken, dann glätten, großflächig reinigen, ausbessern, retuschieren, wie er sagt.

Aufgezogen auf neue Holzleisten hängte der Restaurator die 190 Jahre alten Kunstwerke schließlich zurück an ihren Platz. „In dieser Konstellation sehe ich die Tapeten zum ersten Mal“, sagt er bewegt. „Die höchst präzisen Druckbilder sehen aus wie gemalt, sie wirken so plastisch.“ Künftig sollen die schönen Wände sogar „reden“: Audiodokumente schildern via Kopfhörer die Geschichte des alten Hauses und auch den Krimi um Verlust und Rückkehr der prachtvollen Tapeten. (dpa)