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Pilgerreise in der Mecklenburgischen Seenplatte

Pilgerreise in der Mecklenburgischen Seenplatte

Die Pilgergruppe am Wanzkaer See: Jeder Teilnehmer nimmet ganz unterschiedliche Einblicke ins eigene Seelenleben von der Wanderung mit.
Die Pilgergruppe am Wanzkaer See: Jeder Teilnehmer nimmet ganz unterschiedliche Einblicke ins eigene Seelenleben von der Wanderung mit. Foto: dpa
Wer sich auf Pilgerschaft machen will, muss nicht nach Santiago de Compostela reisen. Pilgern geht auch in der Mecklenburgischen Seenplatte.

Neustrelitz. 

„Nun lasst uns gehen“, sagt Pilgerpastorin Melanie Ludwig. Vor dem Gemeindehaus in Rödlin steht ihre fünfköpfige Gruppe. Gerade hat Ludwig die Bibelgeschichte vom Zollpächter Zachäus erzählt. Er ist wegen seines Berufs unbeliebt und verbittert.

„Wo wurden wir verletzt und warum? Wie gehen wir damit um? Tragen wir die Verletzungen nach außen oder machen wir uns größer, als wir sind, um sie zu überdecken?“, fragt die Pastorin.

Schwere Kost an diesem frühen Morgen in der Mecklenburgischen Seenplatte. Die Geschichte von Zachäus ist der Auftakt für die kommende Stunde, in der Ludwig mit ihren Pilgern schweigend durch die Natur wandert. Der Weg führt vorbei an Seen, Feldern und durch Wälder. Die ideale Umgebung, um Gedanken nachzuhängen.

Beim Pilgern kommen Dinge in Bewegung

Der 2011 eröffnete Pilgerweg Mecklenburgische Seenplatte zwischen Friedland und Mirow ist rund 220 Kilometer lang. Immer wieder laden in dieser menschenarmen Gegend kleine Kirchen oder Klosterkirchen dazu ein, einen meditativen oder christlichen Text zu lesen oder eine Kerze zu entzünden. Dazu gehört beispielsweise das ehemalige Zisterzienserinnen-Kloster Wanzka aus dem 13. Jahrhundert.

Immer mehr Menschen interessierten sich für diese Art des Sich-Besinnens, sagt Ludwig. Einen Pilgerboom hatte Entertainer Hape Kerkeling 2006 mit seinem Bestseller „Ich bin dann mal weg“ ausgelöst. Er war auf dem Jakobsweg unterwegs.

Pilgern hat nicht zwangsläufig etwas mit Religion zu tun. Es geht um Einkehr und den Wunsch, neue Wege zur Lösung von Problemen zu finden. Die Pastorin weiß: „Beim Pilgern kommen die Dinge in Bewegung.“

Wichtig ist die Entschleunigung

In Deutschland gibt es Dutzende Pilgerwege, in Mecklenburg-Vorpommern vier. In der Bekanntheit kommt keiner an den Jakobsweg heran, der sich durch Europa nach in Spanien windet.

Durch einen Aufenthalt in Santiago ist die Rostocker Journalistin Katja Bülow auf das Pilgern aufmerksam geworden. Alle paar Minuten komme dort ein Pilger an, glücklich oder weinend, der nächste setzt sich still in eine Ecke. „Wenn du unterwegs bist, dieses gleichmäßige Trotten – das macht etwas mit dir“, sagt Bülow. „Du bist sofort raus aus dem Alltag.“ Elementare Dinge werden wichtig: Was nehme ich mit? Wo und wie ist die nächste Übernachtung?

„Wichtig ist die Entschleunigung“, bestätigt der Schweriner Bischof Andreas von Maltzahn, der selbst über Pilgererfahrung verfügt. „Endlich mal die Klappe halten zu können“, fügt er lächelnd hinzu. Er treffe dann Leute, die von bewegenden Erfahrungen berichten, auch wenn sie mit dem christlichen Glauben nichts zu tun haben.

Herzliche Begegnungen

Pilger sind in jeder Gesellschaftsgruppe zu finden, sagt Pastorin Ludwig. Ebenso unterschiedlich sei auch ihre Motivation. „Viele sind an einer Schwellensituation und versuchen, den künftigen Weg zu erforschen.“ Oft liege eine Lebenskrise zugrunde oder Trauer um nahestehenden Menschen oder andere Verluste.

Bei den wenigen Begegnungen auf dem Pilgerpfad durch die Seenplatte wird klar, dass die Menschen oft allein oder in kleinen Gruppen unterwegs sind. Diese Begegnungen mit anderen Wanderern sind von großer Herzlichkeit geprägt. Allen scheint gemein, dass sie glücklich darüber sind, „einfach sein zu dürfen“, wie Ludwig es formuliert. (dpa/tmn)