Neue Bewegung auf der Insel Bali setzt auf Nachhaltigkeit
Noch sind es meist Einzelaktionen, aber viele Balinesen suchen nach einer neuen Balance und versuchen Balis Kultur in den Tourismus zu integrieren.
Essen.
Das göttliche Bali zeigt sich auf den ersten Blick ganz irdisch: Hunderte Taxifahrer und Hotelmitarbeiter schubsen und schreien, halten ein Meer von Namenschildern am Flughafen von Denpasar in die Luft. Die vom Himmel gefallenen Sonnenhungrigen reiben sich irritiert die Augen. Das Inselparadies in Indonesien hat viele Fans und kurz flackert der Zweifel auf: Vielleicht zu viele? 30.000 sollen es täglich sein, die auf dem 2013 ausgebauten Flughafen in Denpasar landen. Ein Großteil davon bleibt im Süden. Trifft sich in Kuta, dem Ballermann Südostasiens, wo Surfer aus der ganzen Welt auf die perfekte Welle lauern, wo sich Kneipen an Restaurants, Clubs an Discos schmiegen. Wenn Geld auf Glaube trifft, müssen die Götter zurückstecken.
Doch keine Angst: Das leise Bali konnte der wachsende Massentourismus nicht in seinen Grundfesten zerstören. Im Gegenteil. Zur Zeit etabliert sich auf der Insel der Götter eine Bewegung, die auf Nachhaltigkeit setzt. Fährt man durch diese wunderbare Landschaft, genießt den Blick auf die Reisterrassen, besucht die kargen Hänge des heiligen Mount Agung, schaut über den Bergsee Donaz Batur oder lässt sich von den Tempelanlagen in den Bann ziehen, stellt man trotz dieser opulenten Schönheit schnell fest: Die Insel hat ein Müllproblem. Eine Abfallentsorgung gibt es nicht. Die Bewohner des Dorfes Temesi haben kurzerhand eine Recyclinganlage errichtet. 100 Menschen verarbeiten dort täglich 60 Tonnen Müll zu Pflanzenerde. Über den Verkauf des Kompostes finanziert sich die Arbeit. In einzelnen Resorts wie dem Alam Batu in der Nähe von Kubu an der Nordostküste wurden Plastikflaschen verbannt.
Noch sind es meist Einzelaktionen. Aber viele Balinesen suchen nach einer neuen Balance in ihrem Leben. Im Hinduismus versuchen die Gläubigen die Harmonie zwischen den bösen und guten Geistern herzustellen. Man bringt nicht nur den Göttern Opfer dar, um ihnen zu danken, sondern auch den Dämonen, um sie zu beschwichtigen. „Für die Insel ist der Tourismus eine Katastrophe“, sagt Daniel Elber. „Aber für jeden, der vom Tourismus lebt, ist er überlebenswichtig“.
Im Meer gibt es keine Tempel
Elber, ehemaliger Bankmanager in der Schweiz, kam vor zehn Jahren als Tourist und ist geblieben. Der 65-Jährige gründete das Projekt „Zukunft für Kinder“, das den 6000 Menschen im „Armenhaus der Insel“ den Anschluss an die Kanalisation, Einkommen, Bildung und Überleben garantiert. 2000 Familien leben in Muntiguung, einer Bergregion im Nordosten. „Ein Job für jede Familie“, ist sein Ziel. 225 hat er in zehn Jahren geschaffen. In der Cashew-, Korb- und Stoffproduktion. Er hat Frauen ausgebildet, nachhaltige Trekkingtouren durch den Norden durchzuführen. Verkauft werden die Produkte an die Hotels auf der Insel. „Wir wollen die Kultur Balis in den Tourismus integrieren.“
Inzwischen schlagen seine Ideen von der Hilfe zur Selbsthilfe Wurzeln. „Bali verkauft sich zu günstig“, ist sein Vorwurf an Inselregierung und die Tourismusplaner im fernen Jakarta. „Blieben die Besucher noch vor zehn Jahren durchschnittlich zehn Tage auf der Insel der Götter, kommen die meisten heute für ein langes Wochenende, aus Seoul, Peking, Sidney.“
Um den Massen Herr zu werden, plant die Regierung einen zweiten Airport im Norden. „Das klappt nicht“, ist Goddey sicher. „Es gibt kein Land im Norden, wo keine Tempel stehen.“ Die könne man nicht einfach abreißen, nicht die großen und nicht die Familientempel, die zu jedem Haushalt gehören wie bei uns der Kühlschrank. Dass es schwer ist, die bestehenden Straßen zu vergrößern, zeigt sich im Süden. Als der Flughafen 2013 erweitert wurde, baute man eine Mautstraße auf Stelzen ins Meer. Dort gibt es keine Tempel. Die Götter, so scheint’s, sind noch nicht verrückt geworden, sie verhindern das Schlimmste. Schließlich ist das Paradies noch erkennbar und einiges deutet darauf hin, dass ein Umdenken stattfindet. Am Strand sitzen, ein Duftholz abbrennen lassen und dem Leben danken: für das türkisfarbene Meer, die Natur, die Besinnung auf den alten Geist in diesem einzigartigen Paradies.