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Mit der Bahn von Calgary nach Vancouver durch den Westen Kanadas

Mit der Bahn von Calgary nach Vancouver

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Sie gilt als eine der schönsten Bahnstrecken der Welt: Die Zugverbindung zwischen Calgary und Vancouver im Westen Kanadas. Für einen BBC-Reporter gehört die luxuriöse Bahnfahrt zu den 50 Dingen, die man sich vor dem Tod gönnen sollte.

Vancouver/Kanada. 

Die Bahnstrecke zwischen Calgary und Vancouver gilt als eine der schönsten weltweit. Lange hat June gewartet, um sich diese Zugreise zu gönnen. „Ich träume schon seit vielen Jahren davon“, erzählt die Amerikanerin. Nun sitzt die 75-Jährige im „Rocky Mountaineer“ und genießt den Blick auf die atemberaubende Landschaft im Westen Kanadas.

Eine Million Gäste waren mit dem Luxuszug schon unterwegs. Begeistert zeigte sich ein Reporter der britischen BBC: Er setzte die Bahnfahrt auf eine Liste von 50 Dingen, die man sich vor dem Tod gönnen sollte. Eine Stunde von Calgary entfernt passiert der Zug den Banff Nationalpark und folgt dem Lauf des ungezähmten Bow River, der sich tief in die Rockys gräbt. Auf einer Waldlichtung am Fluss äst ein Elch, der sich nicht stören lässt. „Gestern lief hier ein Grizzlybär entlang“, erzählt Zugbegleiter Ian. Das kommt häufig vor. Hinter Lake Louise ziehen die beiden 3000 PS starken Loks die elf bunten Waggons hinauf zur kontinentalen Wasserscheide.

„Jetzt wird’s spannend“

„Jetzt wird’s spannend“, freut sich der englische Eisenbahnfreak Jeff, der schon weltweit mit Zügen unterwegs war. Um das enorme Gefälle zu überwinden, ließ die Bahngesellschaft vor 100 Jahren zwei spiralförmige Tunnel in den Fels sprengen. Abgeschaut hatten sich die Kandier die Idee von Schweizer Eisenbahningenieuren. Bis zum Bau des Tunnels führten die Gleise an den Hängen des „Big Hill“ entlang. Die Steigung war mit 4,5 Prozent abenteuerlich.

Bis zu fünf Lokomotiven waren nötig, um die Züge hinaufzuschieben. Ein Alptraum war die Fahrt hinab ins Tal. Manche Züge wurden so schnell, dass sie entgleisten und in den Fluss stürzten. Bis heute bleibt die Passage durch die kanadischen Berge eine Herausforderung. Vor allem im Winter. „Manchmal muss der Schnee von den steilen Hängen gesprengt werden, um Lawinen zu verhindern“, so Ian.

Alsbald rollt der Zug durch den Yoho Nationalpark an der Westseite der Rocky Mountains. Die Schienen verlaufen auf einer schmalen Trasse zwischen senkrechten Felswänden und dem reißenden Kicking Horse River.

Dreigänge-Menü im Speisewagen

Dicht gedrängt stehen Passagiere auf einer offenen Plattform. Herr und Frau Li kämpfen mit ganzem Körpereinsatz um die besten Plätze zum Fotografieren. June dagegen speichert die Eindrücke im Kopf. Entspannt sitzt sie im oberen Stock des verglasten Aussichtswagens und genießt jeden Moment der Reise.

Plötzlich ein Höllenlärm. Ein entgegenkommender Güterzug raubt den Passagieren minutenlang die Sicht. Kanadische Züge können über drei Kilometer lang sein. Bis zu sechs Loks sind nötig: drei ziehen und drei schieben. „Die Maschinen haben jeweils 4400 PS“, weiß „Train-Spotter“ Jeff. Es ist Mittagszeit. Im Speisewagen lassen sich die Passagiere mit einem dreigängigen Menü verwöhnen, während der Zug den Columbia River passiert. In Craigellachie verlangsamt der Zug das Tempo.

Es ist ein historischer Ort. Am 7. November 1885 wurde hier der letzte Nagel in eine Schiene der transkontinentalen Bahnlinie geschlagen. Die 4800 Kilometer lange Strecke wurde in einem Rekordtempo von nur 54 Monaten vollendet – sechs Jahre früher als geplant. Hunderte von Arbeitern verloren dabei ihr Leben. Im Juni 1886 erreichte der erste fahrplanmäßige Zug von Montreal kommend nach 139 Stunden die Westküste Kanadas. Und das mit nur einer Minute Verspätung!

Übernachtung im Hotel

Immer wieder ändert sich das Landschaftsbild auf der Fahrt Richtung Pazifik. Es geht vorbei am Shuswap Lake, einem verzweigten Seengebiet inmitten von dicht bewaldeten Hügeln. Seeadler hocken in ihren Nestern, die sie auf alten Telegrafenmasten gebaut haben. Viele spannende Geschichten ranken sich um den kanadischen Schienenstrang. Eine davon schrieb der Berufsverbrecher Billy Minerm, der Anfang des 20. Jahrhunderts zunächst Kutschen überfiel und sich später auf Eisenbahnen verlegte.

Einige Kilometer von Monte Creek entfernt, bleibt der „Rocky Mountaineer“ über Nacht in der Kleinstadt Kamloops stehen, wo die Gäste in einem Hotel übernachten. Am Morgen geht es zunächst am Thomson River entlang durch eine wüstenähnliche Landschaft. Hier könnte man einen Western drehen. Indianer gibt es auch. Ihre Zelte haben sie längst gegen Wohnwagen und feste Häuser getauscht.

„Abwechslungsreichste Bahnfahrt, die ich kenne“

In der Ferne tauchen die schneebedeckten Gipfel des Küstengebirges auf. Kurz vor Vancouver erwartet die Passagiere das dramatische Finale der Reise. Die Gleise zwängen sich durch Schluchten mit bildhaften Namen wie Lawinen Allee (Avalanche Alley) oder Rachen des Todes (Jaws of Death). Auf einer Brücke über dem brodelnden Fluss hält der Zug für einen letzten Fotostopp.

„Das ist die abwechslungsreichste Bahnfahrt, die ich kenne“, bekennt der viel gereiste Engländer Jeff. Nur eines findet er sehr bedauerlich: Reisen mit dem „Rocky Mountaineer“ sollten seiner Meinung nach per Dampflok erfolgen!