Hans-Peter Christoph hat sich Großes vorgenommen: Am 8. April startete er zu einer 52.000 Kilometer langen Tour um die Welt – im Reisebus. Der Chef von Avanti-Reisen aus Freiburg bringt 30 Jahre Erfahrung auf Routen außerhalb der Touristengebiete mit – und setzt ein Zeichen für den Umweltschutz.
Freiburg.
Es sind zuerst die Hüte der uniformierten Menschen, die Hans-Peter Christoph genau ins Visier nimmt, wenn er in Asien mit seinem feuerroten Reisebus auf eine Grenze zufährt. „Je höher die Kopfbedeckung der Staatsdiener, desto autoritärer der Staat“, sagt der 55-Jährige aus dem badischen Freiburg. Kurz vorher hat der Busunternehmer angehalten und sein T-Shirt gegen ein strahlend weißes Hemd mit Kragen getauscht. Ein ordentlicher Eindruck macht sich immer gut. Seine Erfahrung und die schon lange vorher besorgten Visa lassen ihn und seine Gäste meist schnell weiterkommen. Und wenn es mal wegen zäher Bürokratie klemmt, helfen Bier, Fußball-Shirts oder schlicht Bares im dezenten Umschlag.
Christoph kennt sich aus, Reiseerfahrung hat er genug. Vor gut 30 Jahren verdiente er sich als Student der Islamwissenschaften Geld, indem er als Fahrer Lkw in den Iran überführte. Heute fährt er als Reiseunternehmer neben dem ganz normalen Business auch auf Strecken, die man so gar nicht mit einer Busreise in Verbindung bringen will: 2010 zum Beispiel nach Shanghai. Und nächste Woche, am 8. April, startet der Chef von Avanti-Reisen zum großen Abenteuer. 52.000 Kilometer um die ganze Welt, in 215 Tagen von Freiburg über Shanghai nach Anchorage in Alaska und von dort hinunter nach Ushuhia in Feuerland (Argentinien). Zu Hause sind seine Gäste dann wieder an Weihnachten. Christoph erst im neuen Jahr – er fährt den leeren Bus erst noch nach Buenos Aires, wo der dann auf ein Frachtschiff geladen wird.
Busfahren ökologischer als Fliegen
In 215 Tagen um die Welt in einem Reisebus – das klingt verrückt. Dahinter steckt eine alternative Grundidee und eine dafür überraschend straffe Organisation.
Christoph ist in Freiburg groß geworden, einer Stadt, die immer schon ein Zentrum links-alternativen Zeitgeists war. In den 80er Jahren fuhr er für „Transchaos“ Studenten zu Demos, mit seinem Busunternehmen Avanti macht er seit gut 30 Jahren das, was eigentlich gar nicht zum Unternehmensnamen passen will. Entschleunigung, fremde Länder erfahren und dabei auch die Menschen kennenlernen. Christophs Credo: Die Welt ist zu schön, um über sie hinwegzufliegen. „Außerdem ist das auch ökologischer“, sagt er und zitiert das Bundesumweltamt, nachdem ein Flugreisender nach 2800 Kilometern eine Tonne Kohlendioxid verbraucht hat, der Busreisende aber erst nach 32.000 Kilometern.
Exakte Planung im Voraus
Wer geht denn auf solch eine Reise? Vor dem geistigen Auge taucht eine Melange aus Alt-68ern und Gutmenschen auf, die abseits der Pauschalrouten ein bisschen Abenteuer erleben wollen. Das mit dem Abenteuer stimmt, die Teilnehmer-Typisierung nicht. Christophs Kunden sind schlicht reisehungrig.
Die Fahrt um die Welt ist fest strukturiert. Es gibt jetzt bereits ein Roadbook, in dem jeder Tag beschrieben ist. Beispiel: „Donnerstag, 17.10. Der 84. Tag. Ankunft in Panama City, Abendessen im Restaurant Miraflores, das direkt an den Schleusen des Kanals liegt.“ Auch die Hotels sind schon gebucht, die Visa besorgt.
Der Chef des Busunternehmens ist auch noch Koch
Der Bus ist ein Luxusteil. 12,3 Meter lang, nagelneu und mit 428 PS unter der Haube. Ausgestattet mit nur 40 Sitzreihen wegen der Beinfreiheit. „Wir nehmen sowieso maximal 20 Gäste mit“, sagt Christoph. Man sitzt also in den Lederfauteuilles wie in der Business-Class.
Zum Team an Bord gehören neben dem Ehepaar Christoph ein zweiter Fahrer, ein Servicemann des Busherstellers und jeweils ein örtlicher Reiseführer. Da kann nichts schiefgehen, zumal der Chef nach seinem abgebrochenen Studium auch noch Koch gelernt hat.
Auf dem ersten Teil der Welttour bis Shanghai bewegt sich die Crew auf bekanntem Terrain, die Seidenstraße hat Christoph schon 2010 unter die Räder genommen. In Shanghai wird der Bus dann Mitte Juni nach Alaska verschifft. 40 Tage Pause zu Hause oder auf dem Frachter, ehe es am 26. Juli in Anchorage weiter geht. Und das auf Neuland, denn den amerikanischen Kontinent kennt Christoph noch nicht.
Einmal um die Welt für 64.400 Euro
Organisation ist wichtig, so eine Reise bleibt aber immer auch Abenteuer. Christoph erinnert sich an geschlossene Grenzen in Usbekistan, an extreme Hitze in China, an Nachtfahrten in Kasachstan, bei denen auf staubiger Piste schwach beleuchtete Lkw kaum zu erkennen waren, oder an die Anarchie in chinesischen Kreisverkehren, „in denen alle den kürzesten Weg fahren, auch die Polizei.“ Aber auch an Erlebnisse wie die spontane Einladung zu den Hochzeitsvorbereitungen einer Familie in Turkmenistan. „Da musste ich mit zahnlosen Männern aus einer Schale Brei essen und aus einem Glas Wodka trinken“, erzählt er. So ist das eben in Gegenden, in denen Touristen unbekannt sind.
Damit es nicht zu strapaziös wird, liegt die durchschnittliche Tagesstrecke bei 200 Kilometern. Manchmal ist es auch deutlich mehr, dafür wird an anderen Tagen gar nicht gefahren. Zum Beispiel beim dreitägigen Stopp in Isfahan, der Perle des Irans. Plus Übernachtung im Fünfsternehaus Abbasi, einem der Besten in der persischen Welt. Insgesamt sollten die Gäste aber „physisch und psychisch belastbar sein“, sagt Christoph, denn: Grenzärger kann es auch diesmal wieder geben, und in Südamerika rollt der Bus in den Anden in knapp 4000 Meter Höhe.
Und Geld brauchen die Mitfahrer auch. 64.400 Euro kosten die kompletten 215 Tage. Die Tour ist aber auch in fünf Teilabschnitte getrennt, die einzeln gebucht werden können. Bis kurz vor dem Start der ersten Etappe Freiburg – Venedig hat erst eine Frau die ganze Tour gebucht, eine andere verhandelt mit ihrer Familie.
„Kontakt zu den Menschen“
In Cartagena in Kolumbien wird Heidi Bisang in den Bus steigen, um die letzte Etappe „bis ans Ende der Welt“ mitzufahren. Die ehemalige Mitarbeiterin in der Schweizer Bildungsverwaltung war schon 2010 bei der Tour nach Shanghai an Bord: „Ich war damals sehr skeptisch“, sagt die Baslerin. „Vor allem, weil man ja die Mitreisenden vorher nicht kennt.“ Es habe sich aber wunderbar entwickelt, die Art langsam ein Land zu entdecken, habe ihr gut gefallen. Auch wegen der Freiräume: „Man konnte viel alleine sein, wenn man wollte. Aber am Ende waren wir fast so etwas wie eine Familie“, sagt sie.
Bleibt die Frage, warum ein Unternehmer, der sein Geld mit seinen anderen Bussen auch konventionell verdienen kann, fast neun Monate auf eine Welttour geht? „Natürlich reizt das Abenteuer“, sagt Hans-Peter Christoph und dreht sich eine Zigarette. „Aber ich reise eben gerne auf meine Art. Langsam! Und mit dem Kontakt zu den Menschen.“