Hersteller knabbern Gramm um Gramm vom Gewicht der Skier ab
In den vergangenen Jahren gab es auf der Sportartikelmesse Ispo fast nur ein Thema: Rockerski. Das ist 2013 anders. Die Technik ist mittlerweile selbstverständlich. Jetzt tüfteln die Hersteller vor allem an einer Reduzierung des Gewichts.
München.
Manchmal ist es eine Frage von Gramm, manchmal aber auch von Kilo: An jedem noch so kleinen Detail tüfteln derzeit die Entwickler, um die neuesten Ski immer leichter zu machen. Was in den vergangenen Jahren bei den klassischen Pistenski angefangen hat, geht nun bei den Exemplaren für das Gelände weiter, wie sich bei der Sportartikelmesse Ispo in München zeigt.
Einer der Vorreiter ist dabei wie bei den Pistenski Völkl. Der V-Werks Katana wurde von einer Expertenjury der Messe zum Produkt des Jahres gewählt. Das Paar Ski wiegt rund 900 Gramm weniger als das bisherige Modell. Möglich macht das Kohlefaser. Einen anderen Werkstoff verwendet Rossignol: Luft. Air Tip heißt die entsprechende Technologie. Die Skispitzen und Skienden sind mit Luft gefüllt. Zunächst gibt es diese Technologie nur beim hochpreisigen Freeride-Produkt, soll nach Angaben einer Sprecherin aber auch auf andere Serien ausgeweitet werden. Salomon geht einen ähnlichen Weg und hat eine Bienenwabenstruktur eingebaut, die ebenfalls mit Luft gefüllt ist. Blizzard verwendet Leichtholz.
„Gewicht, Gewicht, Gewicht“, gibt es auch für Andreas König vom Deutschen Skiverband (DSV) bei der Skitechnik nur ein großes Thema. „Früher wurden schwere Platten montiert, heute muss alles leichter sein: Schuhe, Bindung, Ski – ohne dabei Performance zu verlieren.“
Rocker-Technologie
Das große Thema der vergangenen Ispo-Auflagen war die Rocker-Technologie. In diesem Jahr ist es eigentlich gar keines mehr – die Technik ist mittlerweile Standard. „Rocker ist kein Verkaufsargument mehr beim Kunden, er ist einfach drin“, sagt Christoph Ebert vom Kompetenzzentrum Sport, Gesundheit und Technologie in Garmisch-Partenkirchen. Andreas König schätzt, dass zwischen 80 und 90 Prozent aller verkauften Ski damit ausgestattet sind.
Einzelne Hersteller gehen sogar noch weiter: „Es gibt keinen Ski mehr bei uns, der nicht gerockt ist“, sagt Herbert Buchsteiner von Atomic. „Rocker sind mittlerweile selbstverständlich, selbst im Riesenslalom-Weltcup“, ergänzt Andreas Mann von Völkl. Salomon hat gerade eine neue Rennserie mit Rockertechnik herausgebracht. Auch K2 hat fast komplett auf Rocker umgestellt und selbst Head, lange Zeit etwas zurückhaltender gegenüber der neuen Technik, setzt laut Marketingchef René Harrer lediglich im Rennbereich noch auf klassische Ski.
Rockerski sind vorne und teilweise auch hinten nach oben gebogen. Dadurch sollen sie in tieferem Schnee mehr Auftrieb und damit ein sichereres Fahren ermöglichen. Ein Problem hatten Rocker-Ski bislang jedoch: Die Skispitzen waren weniger stabil als bei normalen Carvern. Daran haben die Firmen gefeilt. Head verwendet ein stabilisierendes Außenskelett. Völkl baut seine Uvo-Technologie in die Ski ein: Eine bewegliche Masse in einem Silikonbett an der Spitze des Skis soll Schwingungen absorbieren.
Der Einsatzbereich ist entscheidend
Doch auch wenn sich der Rocker mittlerweile durchgesetzt hat – „Rocker ist nicht gleich Rocker“, sagt König. Jeder Ski ist unterschiedlich stark gerockt, manche nur vorne, manche auch hinten, manche sind fast durchgehend aufgebogen. Wer sich neue Ski kaufen möchte, sollte genau überlegen, für welchen Einsatzbereich er diese nutzen möchte. Dies lässt sich laut König bei einer gründlichen Beratung im Skigeschäft herausfinden. „Ob der Ski dann wirklich zu mir passt, finde ich nur heraus, indem ich sie teste“, so König.
Die Grundregel lautet: Je mehr Gelände, desto mehr Rockerung. Doch die Grenzen zwischen den einzelnen Segmenten sind mittlerweile fließend. Piste, Tourengeher, Freerider: „Die einzelnen Bereiche nähern sich immer stärker an – irgendwann werden die Segmente verschmelzen“, prognostiziert Andreas Mann von Völkl. „Es gibt keine klassischen Trennlinien mehr“, sagt auch ein Sprecher von K2.
Der Grund liegt auf der Hand: „Es gibt immer mehr Skifahrer, die morgens auf die Piste wollen, am Nachmittag ins Gelände und am nächsten Tag eine Skitour planen“, erklärt eine Sprecherin von Rossignol. Freerider wollen auch mal bergauf gehen, Tourengeher auch mal eine ordentliche Abfahrt hinlegen“, ergänzt ein Sprecher von Blizzard. Doch kaum jemand will und kann sich natürlich für jeden Bereich extra Ski und Schuhe kaufen.
Hybridmodelle bei Schuhen und Bindungen
Fast alle Hersteller haben deshalb Ski im Angebot, die theoretisch für mehrere Bereiche einsetzbar sind. Auch bei den Bindungen und vor allem den Schuhen gibt es immer mehr Hybridmodelle. „Ski, Schuhe und Bindung sollen alles können“, hat Kerstin Garstenauer von Fischer beobachtet.
Überhaupt ist Tourengehen und Freeriden ein Wachstumssegment im ansonsten eher stagnierenden Skimarkt. „Der Schneespaß wird mehrdimensional“, erklärt Ebert. Früher sei man einfach mit dem Lift rauf- und mit den Ski runtergefahren. „Heute ist bei den Leuten angekommen, dass man die Bergwelt auf die unterschiedlichsten Arten erleben kann.“
Viele der großen Hersteller tragen dem bereits seit einigen Jahren Rechnung – andere ziehen nach. Fischer hat zum Beispiel auf der Ispo erstmals eine komplette Ausstattung für Tourenskifahrer vorgestellt: vom Ski über Bindung und Schuhe bis hin zu den Fellen. Und auch Head ist in das Segment eingestiegen. „Es geht einfach ums Schneeerleben – egal ob auf oder neben der Piste“, formuliert es König. (dpa)