Gib Gas, Schweinebacke – 25 Jahre Navi-Geräte im Auto
Immer mehr Menschen verlassen sich beim Autofahren nicht mehr auf Karten, sondern auf ein Navigationsgerät im Auto. Die Richtung navigiert heute eine elektronische Stimme in Bruce-Willis-Manier oder wahlweise mit hessischem Akzent. Doch manchmal führen Navis auch auf Abwege.
Essen.
Ach, was waren das schöne Zeiten, als man noch mit echten Urlaubsgefühlen in die Ferien startete, am Tag vor der Abfahrt schnell nach Büroschluss in die Bank sprintete, um die hart verdiente Mark in einen dicken Packen Lire umzutauschen. Man Ewigkeiten an der Grenze Schlange stand und dann – nach 20-stündiger Autofahrt ohne Klimaanlage – klebrig-geschwitzt mit „wann sind wir endlich da“-plärrenden Kindern und einer tapetengroßen Straßenkarte auf dem Schoß ein Dutzend Mal durch die engen italienischen Gassen kurvte bis das vermaledeite Ferienhaus endlich gefunden war.
Inzwischen gönnt uns der Fortschritt nichts mehr davon. Den Anfang vom Ende leitete vor 25 Jahren das erste serienreife Navigationsgerät in Europa ein – noch vor der Öffnung der Grenzen und der Einführung des Euro.
Starten Sie in nördlicher Richtung!
„Starten Sie in nördlicher Richtung“ surrt uns jetzt schon seit rund zwei Jahrzehnten Otto Normalverbrauchers sonore Computerstimme entgegen. Na klar, das erste EU-Navi von Bosch, der schnittige Travel Pilot IDS von 1989, konnte noch nicht sprechen und sah auch sonst eher wie ein militärisches Echolot aus:
Ein winziger Bildschirm mit grünlichen Linien und dazwischen tiefes Schwarz – in die unendlichen Weiten des Münsterlandes oder des Niederrheins war bis dato nämlich noch kein Kartographierer vorgedrungen. „Das System zeigte auf einer vereinfachten Karte die aktuelle Position an und die Richtung, in der sich das Ziel befindet – ähnlich einem Kompass, der immer nach Norden zeigt“, erklärt Bosch-Sprecher Stephan Kraus. „Das System zeigte also noch nicht die straßengenaue Route und es nutzte kein GPS zur Orientierung. Und dennoch war es ein Meilenstein.“
Isch möscht se gäne dursche Verkehr leide!
Man stelle sich vor: Bis ein paar Jahre später die Sprachausgabe hinzukam – inzwischen sind der Fantasie bei der Stimmenauswahl ja keinerlei Grenzen mehr gesetzt –, mussten die meisten von uns im Straßenverkehr tatsächlich noch selber denken. Kein lässiges „Gib Gas, Schweinebacke“ in Bruce Willis-Manier, kein hessisches „isch möscht se gäne dursche Verkehr leide“, nicht mal ein zivilisiertes österreichisches „So fahre er doch auf dieser Straße“.
Wir verschwendeten unsere Konzentration auf Straßenschilder oder wahlweise das Handschuhfach, das sich vor lauter ADAC-Reisekarten kaum noch schließen ließ, und verursachten so bis zu 30 Prozent (!) der innerstädtischen Staus. Manch einen verleitete die Angst, mit der Ente eine Ausfahrt zu verpassen, gar zu riskanten Fahrmanövern in halsbrecherischer Geschwindigkeit.
Bitte wende, Chéri!
Heute kann so etwas nicht passieren. Heute rät uns Chantal mit verführerischem französischen Akzent ruhig aber bestimmt: „Bitte wende, Chéri“ – auch wenn wir uns nur laut Display auf dem Feld neben der Autobahn befinden. (Die Geisterfahrerzahlen in den Umbaubereichen von Autobahnen haben sich so weit erhöht, dass die Polizei entsprechende Anti-Navi-Schilder aufstellen will.) Oder Ali versichert in einer Tonlage, die keinen Widerspruch duldet: „Hey Alda, überleg net, fahr voll krass geradeaus.“
Eine Fährverbindung kann beim Navi nämlich durchaus mal den Eindruck einer durchgehenden Fahrbahn erwecken. In Köln-Langel kam es vor einigen Jahren deshalb zu einer richtigen Unfallserie, deren grausiger Höhepunkt in der Bergung einer skelettierten Leiche aus einem Autowrack bestand.
Vielleicht hat es sich die sogenannte „Navi-Mafia“ ja aus diesem Grund zur Aufgabe gemacht, die Welt aus den Klauen der Navigationsgeräte zu befreien: „Allein in NRW wurden im vergangenen Jahr über 16 600 Geräte gestohlen. 2012 waren es zwar weniger Geräte, dafür haben wir in dem Jahr mehr Fälle bearbeitet“, weiß Frank Scheulen, Pressesprecher des Landeskriminalamtes Düsseldorf.
Sie haben das Ziel erreicht!
Besser ist es also, Chantal, Ali oder auch Darth Vader gleich in der Hosentasche mit sich herumzutragen. Schon vor fast einem Jahrzehnt standen den vier Millionen fest eingebauten Navis der Autohersteller mehr als doppelt so viele tragbare Geräte in Europa entgegen. Inzwischen sorgen vor allem die Smartphones für sinkende Absatzzahlen. Allein bei Apple können unter dem Stichwort „Navigation“ inzwischen 240 verschiedene Apps heruntergeladen werden.
BMW will deswegen bald Ilena auf die Straße schicken. Die junge Dame, deren Name kurz für „intelligente lernende Navigation“ steht – flirtet nicht nur aus der Entfernung, sie will jeden Fahrer genau kennenlernen. Dafür ist sie mit der Motorelektronik gekoppelt, sammelt Daten, spart Sprit und liest uns nebenbei von den Augen ab, ob es zum Tennis oder zu den Schwiegereltern geht. Die Navi-Entwickler haben das Ziel wohl noch lange nicht erreicht.