Aus der schmucken Altstadt mit Frauenkirche und Zwinger führt die Spur der Schichtpraline einige Kilometer weiter in den Stadtteil Coschütz. Ein schlichter Bau, eine Glastür, darüber in dunklen Buchstaben das Wort „Werksverkauf“.
Dresden.
Dahinter weht ein Duft, als würden tausend Engel Plätzchen backen. Und die Geschichte eines Mannes, der nicht mehr erlebt hat, wie sehr seine süße Erfindung den Menschen schmeckt.
Umgeben von Vanille- und Mandelwolken liegt hier ein kleines Museum. Ein verblasstes Foto in gläserner Vitrine zeigt einen grauhaarigen Herrn hinter einem Berg aus Dominosteinkartons – Herbert Wendler mit seinem Lebenswerk.
Etwas müde schaut er aus. Wer will es ihm verdenken. 1936 hat der Chocolatier die Schichtpraline erfunden. Als er Jahre später auf Lichtbild festgehalten wird, hat er einiges mitgemacht mit seinen kleinen Steinen.
Seine Fabrik: im Krieg zerstört. 1952 baut er in einem Tanzsaal die Produktion wieder auf. 1972 in der DDR enteignet, startet er 1990 nach der Wende im Alter von fast 80 Jahren seinen eigenen Betrieb erneut. Seine Geschichte: voller Herzblut. Der Konkurs war dennoch nicht abzuwenden. 1996 meldet Herbert Wendler Insolvenz an. Zwei Jahre später stirbt er.
Doch die Geschichte seiner Dominosteine ist damit nicht vorbei: Parallel zu Wendlers wechselhafter Geschichte in Dresden hat der Ingenieur Dr. Hartmut Quendt eine Maschine entwickelt, die eine andere Ost-Spezialität, Russisch Brot, in industriellen Stückzahlen fertigen konnte. „Als die Anlage nach der Wende verschrottet werden sollte, hat er sie gerettet und 1991 sein eigenes Unternehmen gegründet“, erinnert sich sein Sohn, Matthias Quendt.
Vater Quendt gefällt die Idee des Dominosteins. Die
„Dr. Quendt Backwaren GmbH“übernimmt 1999 die Produktion. 2000 ziehen Anlagen, Personal und das vergilbte Foto Wendlers aus dem Tanzsaal ins Quendt-Werk nach Dresden Coschütz.
Dort lockt auf der Etage des Mini-Museums auch der versprochene Werksverkauf: Süßes in Knistertüten, Nostalgiedosen und Zierkartons. Ein Wagen mit Anhänger wäre jetzt toll. Natürlich erhältlich – Dominosteine.
Auch Not- oder Kriegspraline genannt, weil man sie als stabiles Gebäck zur Not gut mitnehmen konnte, waren die Schokoklötzchen keineswegs immer so leicht zu bekommen wie heute. Zu DDR-Zeiten ein Exportschlager für den Westen, im Osten: „Bückware“. Wie bitte? „Rare Produkte, die es nicht einfach so im Regal gab. Man musste sich dafür unter den Ladentisch bücken“, erklärt Marketingreferentin Claudia Heller. Heute produziert allein Marktführer Lambertz 8 000 Tonnen, umgerechnet 640 Millionen Dominosteine jährlich.
Eine weitere ist im Werksverkauf nicht zu übersehen: Dresdner Christstollen – ganz, halb, scheibenweise. 1,8 Millionen fertigt man im Hause Quendt, dessen Mehrheitsanteile seit 2014 die Lambertz-Gruppe hält, jedes Jahr.
Den Stollen gibt es unter anderem neben Lichterglanz und Glühweinduft beim Striezelmarkt, dem ältesten Weihnachtsmarkt Deutschlands in der barocken Altstadt Dresdens. „Beim Stollenfest wird dabei jährlich ein gigantischer Riesenstollen zerschnitten und für einen guten Zweck verteilt“, sagt Heller. Probieren ausdrücklich erwünscht.
Dann zur Altmarkt-Galerie – in die Quendteria, den Markenshop von Dr. Quendt. Dort kann man nicht nur weitere Kilo an Naschgepäck erwerben, sondern die Backspezialitäten auch verkosten. Es ist eben immer gut zu wissen, wo man eine feinste Dresdner Notpraline bekommt.
Dominosteine
2016-11-17 04:13:00.0