Abenteuer in Alaska – Wilde Bären im Katmai Nationalpark
Wer nach Homer in Alaska reist, kann nicht nur die Weite der Landschaft genießen, sondern wilden Grizzly-Bären im Katmai National Park näher kommen.
Homer.
Wir sitzen in zwei Reihen mit angewinkelten Knien auf einer Art Campingstuhl, schnallen uns mit Schultergurten wie in einem Auto an und setzen uns einen Kopfhörer auf, um den Lärm der Maschine zu überstehen, aber auch um die Kommunikation des Piloten mitzuhören. Der Start auf dem Wasser ist erstaunlicherweise sehr sanft. Schon ziehen wir eine steile Kurve und blicken fast senkrecht auf Homer Spit, dann geht es langsam ansteigend nach Nordwesten.
Die kleine Stadt Homer markiert eine halbe Tagesreise von Anchorage entfernt, der heimlichen Hauptstadt Alaskas, das Ende der Zivilisation. Weiter westlich beginnt die Inselkette der Aleuten, die erst kurz vor der sibirischen Küste an der Beringstraße endet.
Grizzly Bären im Katmai National Park
Ob es die grandiose Lage an der Kachemak Bay ist oder die Einsamkeit und Weite der Landschaft: Homer lockt ein buntes Völkchen an. Aussteiger und Abenteurer versammeln sich auf dem Homer Spit, einer etwa vier Meilen langen schmalen Landzunge, die außerhalb der Stadt weit in die Bucht hineinragt. In einer Reihe von Stelzenhäusern wechseln sich kleine Restaurants und skurrile Kneipen mit Pelz- und Schmuckhändlern ab.
Uns interessieren vor allem die Anbieter von „Bear Watching“-Touren, die mit kleinen Wasserflugzeugen hinausfliegen nach Kodiak Island oder in den Katmai National Park. Denn hier hoffen wir, den größten lebenden Raubtieren, den Grizzly Bären, etwas näher zu kommen. So stehen wir nach einer unruhigen Nacht in der rustikalen Hütte am Anleger für das Wasserflugzeug und bekommen von Gary ein Briefing für den Tag. Wir werden anderthalb Stunden in der achtsitzigen Maschine, einer einmotorigen Dehaviland Beaver, in den Katmai Nationalpark fliegen, in einer tief in das Land hin-einragenden Bucht landen, dort auf ein kleines Boot umsteigen und in die Flussmündung hineinfahren, wo die Bären auf uns warten. Es ist beruhigend zu hören, dass bei diesen Touren noch nie etwas passiert ist und dass die Bären zu dieser Jahreszeit von dem Überfluss an Lachs satt sind und wenig Interesse an auswärtigen Touristen haben werden. Uns werden beinlange Gummistiefel verpasst, mit denen wir an Bord staksen.
MIt dem Wasserflugzeug zum Katmai National Park
Unter uns zieht die Vulkaninsel Augustine Island vorbei, dann fliegen wir an der Küstenlinie des Katmai National Park entlang. Keine Straße verbindet diesen Park mit der Zivilisation. Wer hier lebt oder als Besucher kommt, ist auf das Wasserflugzeug oder eine lange Bootsfahrt angewiesen.
Wir fliegen knapp über eine schneebedeckte Bergkette, bevor unser Pilot dann zwischen den steil aufsteigenden bewaldeten Hängen in einer Bucht zur Wasserlandung ansetzt. Wir werden angehalten, unser Lunchpaket zu verzehren und noch einmal in den Busch zu verschwinden. In den nächsten vier bis fünf Stunden ist weder an Essen noch an Toilettengänge zu denken, denn wir werden mitten unter den Bären sitzen und uns ruhig verhalten.
Unser Platz in der Wildnis ist eine kleine mit Gras bewachsene Insel im Fluss, auf der wir unsicher und mit hohem Adrenalinspiegel in einer Reihe Platz nehmen, während die Zielobjekte unserer Tagestour kaum fünf Meter entfernt in aller Ruhe ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen: dem Lachsfang.
Kein Zaun, keine Sicherheiten vor den Bären
Ein großes fettes Männchen – diese Verniedlichung passt hier gar nicht – nähert sich unserer Gruppe und wittert ein bisschen. Wir starren alle auf den Guide und warten auf sein Kommando. Er hatte uns eingeschärft: nur wenn er sagt „move“, dann sollten wir alles stehen und liegen lassen und uns langsam rückwärts entfernen. Aber von ihm kommt nichts. Der Fleecepulli, der für den Spätsommer in Alaska schon nötig ist, scheint plötzlich viel zu warm.
Erst nach einer halben Stunde gewöhnen wir uns an die Kulisse mit den Bären vor unserer Nase ohne Zaun und sonstige Sicherheiten. Wir lernen die einzelnen Tiere voneinander zu unterscheiden. Vor allem die Schnauzen und Nasen sind so unterschiedlich geformt, dass man von individuellen Gesichtszügen sprechen kann. Viele Muttertiere sind mit ihren Jungtieren unterwegs und lernen sie im Lachsfangen an.
Zum Ende der Saison sind die Tiere tatsächlich wählerisch und fressen von den Lachsen nur noch die guten Stücke. Auch die Heftigkeit der Jagdszenen wirkt weniger existenziell, sondern manchmal sogar verspielt. Nur hier und da gibt es Rangeleien um eine Beute. Vor allem die Mütter mit den Jungen sind vorsichtig – weniger unseretwegen, sonder vielmehr wegen der einzelnen Männchen, die sich ihnen nähern. Dann werden die Jungen alarmiert und begeben sich erst einmal hinter Mamas Rücken. Die männlichen Grizzlies sind dafür bekannt, dass sie fremde Jungtiere töten, um dann mit dem Muttertier eigenen Nachwuchs zeugen zu können. Bei diesen wenigen Auseinandersetzungen wird die Wildheit der unberührten Natur besonders deutlich.
Die vier Stunden auf der Sandbank im Fluss brennen sich in unser Gedächtnis ein und machen Lust auf mehr: Beim Flug in Richtung Homer tauchen im Meer die Kodiak Islands auf, wo eine Unterart der Grizzlies, der Kodiak-Bär lebt, der noch größer ist als unsere Bären von Katmai. Wir werden wohl wiederkommen.