66-jähriger Viersener fährt mit dem Fahrrad um die Welt
Walter Leppers ist 66 Jahre alt, stammt aus Viersen und seit 2011 bereist er mit seinem Fahrrad die Welt. Die zweite Etappe führt ihn nach Afrika.
Viersen.
Es ist angenehm warm in Zimbabwe, die Sonne scheint und es ist keine Wolke am Himmel zu sehen. Ich sitze in einem weißen Kleinbus auf dem Weg zum Sambesi, dem viertlängsten Fluss Afrikas, um eine Schiffstour zu machen. Der Fahrer und ich warten auf einen weiteren Gast, der sich auch gleich in die Bank vor mir setzt. Der ältere Mann trägt ein kanariengelbes T-Shirt, ist braun gebrannt und versprüht, ganz wie ich, den Duft von viel Insektenspray auf der Haut. Schließlich ist der Sambesi bekannt als Moskito-Mekka.
Wir kommen ins Gespräch. Walter Leppers ist 66 Jahre alt, stammt aus Viersen und seit 2011 bereist er mit seinem Fahrrad die Welt. „So bin ich nah an den Menschen und komme fast überall hin. Bei einer Reisegeschwindigkeit von 15 km/h habe ich außerdem genug Zeit die Landschaft zu betrachten“, erklärt er mir und drückt mir ein kleines Fotobuch in die Hand, als ich überrascht nachfrage, warum man eine Weltreise auf zwei Rädern antritt. Das Album ist gefüllt mit Bildern von Familie und Freunden, und von Walter.
Am Ziel festhalten und sich selbst motivieren
Walter mit seinem Fahrrad, vor atemberaubender Landschaft, mal sind es Berge, mal ist es das Meer, auf matschigen Pisten und staubigen Straßen. Auf der letzten Seite klebt eine Weltkarte, die gereiste Route ist mit einem roten Stift nachgezeichnet.
Zwei Jahre hat Walter geplant, sich ein Fahrrad maßschneidern lassen und das nötige Equipment auf Wettertauglichkeit geprüft. Besonders viel trainiert hat er vorher nicht, da er als leidenschaftlicher Radler ohnehin ständig auf Achse war und somit in guter körperlicher Verfassung. Und die mentale Einstellung zu solch einem Unternehmen? „Auch wenn die Lage aussichtslos erscheint, am Ziel festhalten und sich selbst motivieren, das sind die Qualitäten die man braucht, um solch eine Tour zu meistern“, sagt er. Und dann, im April 2011, ist Walter einfach los gefahren. Von Deutschland nach Österreich und Italien, über Griechenland und die Türkei nach Pakistan und China.
Wir haben es uns inzwischen auf dem Deck gemütlich gemacht, werden mit gekühlten Getränken versorgt und genießen die warmen Sonnenstrahlen, die auf dem Sambesi glitzern. Von Moskitos ist widererwartend weit und breit nichts zu hören oder zu sehen, sie müssen ausgeflogen sein. Das Schiff legt ab und tuckert langsam auf die Mitte des Flusses zu.
Von Vietnam bis Mexico
Walters Idee zu seinem wohl größten Abenteuer entstand auf einer der vielen Radtouren mit seiner Frau Hanni. Er erzählt: „Urlaub heißt auch immer Zeitdruck. Wir haben gesagt, wenn wir dann mal in Rente sind, ziehen wir einfach los und gucken wie weit wir kommen“. Hanni verstirbt 1996 während einer Radtour in Marokko und Jahre später, verwirklicht Walter den Traum der beiden allein.
Er sieht bei der Produktion von Würfelzucker im Iran zu, radelt in Vietnam am Mekong entlang, bestaunt Kakao-, Limonen- und Bananenplantagen auf Kuba, zieht sich bei einem Sturz in Bolivien eine Schulterprellung zu und schwimmt in türkisblauem Meer in Mexiko. Die Liste des Erlebten und Gesehenen scheint endlos.
Wie viele Kilometer Walter am Tag zurücklegt, hängt vom Wetter und der jeweiligen Landschaft ab. Auf flacher Ebene mit Rückenwind, wie in Argentinien, schafft er 190 Kilometer in neun Stunden, in der gleichen Zeit hat er sich im hügeligen Patagonien, bei Gegenwind, nur 50 Kilometer weit gekämpft. Er erklärt: „Ich stecke mir realistische Ziele und die schaffe ich dann auch. Wie ein chinesisches Sprichwort sagt: Jede lange Reise beginnt mit dem ersten Schritt.“
4826 Stunden im Sattel in 38 Ländern
In seiner ersten Etappe, von April 2011 bis Juni 2014, hat Walter 66.081 Kilometer zurückgelegt, 38 Länder besucht und 4826 Stunden im Sattel gesessen. Im Februar 2015, nach einer Verschnaufpause in der Heimat, ist Walter zu seiner zweiten Etappe aufgebrochen, um den afrikanischen Kontinent zu erkunden. Er radelt durch Kenia, Tansania und Sambia und landet schließlich in Zimbabwe, mit mir auf einem Schiff.
Ich möchte wissen, ob es unterwegs auch mal einsam wird. Walter hat die Erfahrung gemacht, dass er so kontaktfreudiger ist und öfter eingeladen wird. Zum Beispiel im Iran, einem Land, das er mir als eines der gastfreundlichsten auf seiner ganzen Reise beschreibt. „Ich habe Reza an der Iranischen Grenze getroffen. Er hat mal in Deutschland gearbeitet und mir seine Telefonnummer gegeben, ich sollte mich melden sobald ich in Esfahan bin. Das habe ich auch gemacht. Ich habe tagelang bei Reza und seiner Familie gelebt. Wir haben zusammen gegessen, erzählt und Fußball gespielt. Ich wurde behandelt wie ein Familienmitglied, nicht wie ein Fremder“, erzählt Walter.
Burma, Tibet und die Mongolei auf dem Plan
Und trotzdem, hat man auch mal Angst, alleine, in unbekannten Gegenden? „Nein, Angst lähmt. Ich bin vorsichtig und wenn man allein reist, entwickelt man ein Bauchgefühl. Wenn ich mich unwohl fühle, fahre ich weiter“, antwortet Walter, während der Kellner uns mit Weißwein, farbenfrohen Cocktails und köstlichen Häppchen versorgt.
Kontakt mit Freunden und Familie hält der Weltenreisende über seinen Online-Blog. Das Niederschreiben der Erlebnisse ermöglicht nicht nur den Daheimgebliebenen Walters Abenteuer zu verfolgen, sondern es hilft auch ihm selbst Erlebtes Revue passieren zu lassen. Begeisterte Leser seines Blogs haben zahlreiche Einträge im Online-Gästebuch hinterlassen, sehr zur Freude des Radlers: „Es ist toll zu lesen wenn Leute schreiben, dass sie durch mich die Welt kennen lernen und an Plätze kommen, die sie selbst niemals bereisen werden“.
Ob Walter nach so vielen Monaten und Kilometern im Sattel noch Träume hat? „Ja“, verrät er mir. „Ich möchte Burma, Tibet und die Mongolei sehen, aber ob ich das in diesem Leben noch schaffe?“ Im Sommer 2016 ist jedenfalls erstmal die Rückkehr nach Deutschland geplant. Es braucht viel Mut zu einem Abenteuer aufzubrechen, aber Walter glaubt, es braucht noch mehr Mut nach Hause zurückzukehren: „Nach Jahren in absoluter Freiheit kommt man wieder in geordnete Strukturen zurück und wird in ein Schema gepresst, das kann schwierig werden.“ Nichtsdestotrotz freut sich der Weltenbummler auf die Zeit mit Familie und Freunden. Ganz absteigen von seinem Rad wird Walter aber wohl nie, die nächste Tour durch Europa ist schon geplant.
Das Lebenmotto eines Weltreisenden
Langsam verabschiedet sich die Sonne mit ihren letzten Strahlen und taucht den Sambesi in ein rot-goldenes Licht, Vogelschwärme überfliegen den Fluss, der besonders durch die Victoriafälle bekannt ist und unser Schiff steuert auf die Anlegestelle zu.
Zum Schluss möchte ich wissen, was Walters Lebensmotto ist. Er antwortet ohne zu zögern mit einem Zitat von Rosamunde Pilcher: „Man hört nicht auf, bestimmte Dinge zu tun, weil man alt wird. Man wird alt, weil man aufhört Dinge zu tun. Wenn ich nicht mehr neugierig bin auf das, was hinter der nächsten Ecke auf mich wartet, dann höre ich auf.“
Info: Reiseberichte von Walter Leppers gibt es auf seinem Online-Blog unter www.radtraum.de