Wegen des Regens werden viele Felder erst jetzt gedüngt. Der strenge Geruch treibt Anwohner auf die Barrikaden. Bauern setzen auf bessere Technik.
Am Niederrhein.
Der Winter ist endgültig abgehakt. Die Bauern bereiten die Felder vor, und das heißt: Es wird wieder gedüngt – mit Gülle. Am Niederrhein ist das ein DauerKonfliktthema. Wo viel (und möglicherweise auch mal zu viel) des von Tieren erzeigten Düngers fließt, wo Felder und Grünland an Wohnbebauung und belebte Spazierwege heranreichen – da gibt es Klagen über den strengen, durchdringenden Geruch. Zudem belastet starke Düngung das Grundwasser, besonders betroffen: der Niederrhein, wo auch viel Gülle aus den benachbarten Niederlanden landet. Gerade in den Kreisen Kleve, Wesel und Viersen haben die Behörden teils extrem erhöhte Nitratwerte gemessen.
180 Verstöße gegen Gülleverordnung
Bei den Bauern freilich empfindet man die Kritik als nicht recht fair. Sie verweisen darauf, dass es sich um wertvollen Naturdünger handelt (siehe Box); zudem würden Einsatzmethoden und -Technik immer besser. Paul Coenen etwa bewirtschaftet 600 Hektar in Niederkrüchten, ist auch als Lohnunternehmer für andere Bauern tätig. Er nutzt Gülle etwa für Getreide, Rüben und Mais, aber auch fürs Grünland – je nachdem kommen zwischen 12 und 30 Kubikmeter auf den Hektar. Coenen bringt sie z.B. mit Schleppschläuchen und Scheibenegge direkt in den Boden ein. „Das riecht fast überhaupt nicht mehr“, erklärt Coenen. Zudem ist dies bodennahe Düngen viel effizienter als das früher landauf, landab gängige Versprühen der Gülle per sogenanntem Prallteller.
Und Andrea Bahrenberg von den Rheinischen Bauern sagt, das Landwirte gar kein Interesse an einer Überdüngung des Bodens haben könnten: „Landwirtschaft ist mit ihren Familienbetrieben auf Langfristigkeit ausgelegt. Jeder Bauer will seinem Nachfolger einen guten Boden übergeben“, meint die Verbandssprecherin.
Die Landwirtschaftskammer ist die „Gülle-Polizei“ in NRW. Sie wacht darüber, dass die gesetzlichen Vorgaben beim Düngen eingehalten wurden. Tatsächlich werden relativ wenige Verstöße regis-triert, etwa 180 im vergangenen Jahr (Bußgeldsumme insgesamt etwa 240 000 Euro). An den 600 Kontrollen habe es nicht gelegen: „Die sind sehr intensiv“, sagt Kammersprecher Bernhard Rüb. Viele Verstöße seien eher geringfügig gewesen. Allerdings gibt es auch richtige Gülleferkel. Im Einzelfall wurden im vergangenen Jahr auch 15 000 Euro Buße verhängt. Dafür muss jemand auf seinen Feldern schon ziemlich Mist gebaut haben.
Konfliktstoff zwischen Anwohnern und Bauern sieht Rüb darin, dass viel Gülle in relativ kurzer Zeit eingebracht werden muss. Die Verordnung erlaubt die Düngung zwar zwischen Ende Januar und dem 1. November. Sinnigerweise sollte ein Großteil aber schon zur Aussaat im Boden sein, also bis April/Mai. „Vielerorts konnten die Bauern aber jetzt noch nicht mit ihren schweren Maschinen aufs Feld, weil es viel geregnet hat und der Boden zu feucht war“, erklärt der Kammersprecher. Er glaubt, dassmanche Bürgerklagen die Behörde möglicherweise nicht erreichen und verweist deshalb auf die noch junge Internetseite www.guelle-nrw.de mit vielen Hinweisen und einer Ansprec hpartnerliste.
In Berlin wird derweil um eine neue bundesweite Düngeverordnung gerungen. Vor allem NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) drängt sehr darauf. Ihn sorgt der Zustand des Grundwassers – landesweit sind 40% der Vorkommen derart stark mit Nitrat belastet, dass sie nicht oder erst nach teurer Aufarbeitung als Trinkwasser verwandt werden können. Auch die EU hat sich schon besorgt eingeschaltet.
Remmel geht Entwurf nicht weit genug
Die neue Bundesverordnung soll voraussichtlich zum 1. Februar 2020 in Kraft treten, ein erster Entwurf liegt vor. Klar ist aber: Der Gülleeinsatz wird weiter begrenzt. Eine Reihe von NRW-Forderungen wurde aufgegriffen, der Entwurf geht dem Minister aber nicht weit genug. Er fordert z.B. die Einführung einer Hoftorbilanz für Nährstoffe. Zudem sei ein grundsätzliches Umdenken in der Landwirtschaft nötig. Die Bauern sollten wieder mehr auf Kreislaufwirtschaft setzen. Vor Ort solle möglichst idealerweise nur so viel Gülle produziert werden, wie die Felder dort auch vertragen. So oder so: Die neue Düngeverordnung wird noch bessere Technik fordern. Lohnunternehmer Heinz-Dieter Terhuv aus Hamminkeln setzt solche Schlitz- und Injektionsverfahren, bei denen die Gülle präzise in den Boden gespritzt wird, bereits ein: „Da riecht man selbst auf dem gleichen Acker nichts mehr.“