- 2018 ist Schichtende – Bergwerke schließen
- Jetzt ist noch Zeit, sich das Ruhrgebiet von ganz unten anzusehen
Bottrop.
Ein tiefes schwarzes Loch. Feuchte, drückende Hitze. Wie in einem Tropenhaus. Und Lärm. Es dröhnt in meinen Ohren, als würde ich mitten auf der A40 stehen. In einer dunklen mobilen Sauna. Wie ein Vorschlaghammer kracht es durch den Tunnel.
Es ist geil hier!
Noch vor 20 Minuten stand ich oben in der Umkleide Kabine von Prosper Haniel. Persönliche Sachen mussten oben bleiben. Ich trage hellblaue Männer-Feinripp-Wäsche,mit Eingriff. Mit EINGRIFF! Alles viel zu groß, alles schlabbert.
Darüber trage ich eine weiße Leinenhose, das blau-weiß gestreifte Hemd und eine weiße Jacke. Die wird nachher sowieso dreckig, denke ich mir. Doch wahrscheinlich soll das so. Damit jeder auf Zeche sieht, wer schon unten war und wer nicht.
Meine Kohlen-Vergangenheit
Mein Uropa und auch mein Vater waren beruflich auf Zeche und unter Tage. Als ich klein war, brachte mir mein Vater einen weißen RAG-Helm von der Arbeit mit. Ich sollte wissen, was er macht.
Er hat als Ingenieur die Maschinen unter Tage geprüft, als so eine Art TÜV. Mitnehmen konnte er mich aber nie. Jetzt endlich darf ich auch mal runter! Spüren, wie es da unter dem Ruhrgebiet so ist.
Bergmänner fahren immer
Mit einer Besuchergruppe fahre ich auf Prosper Haniel in Bottrop ein. Wir fahren mit dem Korb ein. Ein Bergmann fährt immer! Auch wenn er in der Grube läuft. Er fährt.
1100 Meter in der Tiefe
Wir fahren also auch unter Tage, 1100 Meter in die Tiefe. Da geht es zu Fuß weiter. Knappe zwei Kilometer, weil gerade Ferienzeit ist und nicht so viele Männer unter Tage arbeiten. Der Zug fährt nur jede Stunde. Na, vielleicht haben wir ja auf dem Rückweg Glück.
Ein Bergmann hat viel zu tragen
Es ist dunkel, unter uns knirschen die Steine. Die Bergmannstiefel sichern den Halt. Am Gürtel tragen wir den Filterselbstretter, ein Atemschutzgerät. Auch der Akku für die Lampe baumelt am Gürtel. Die Lampe, an einem langen dicken Kabel, können wir auf dem Helm befestigen. Sie leuchtet uns den Weg.
Ganz schön schwer, das ganze Zeug. Dann noch Helm, die Stiefel, Stutzen und der Anzug samt Unterwäsche. Und das bei gefühlt 30 Grad.
Wir kommen an die Maschine
Nach gut 15 Minuten Fußmarsch wird das Rattern der Maschinen lauter. Ein stetiges Klopfen und Brummen ist zu hören. Da sagt der Schichtleiter: „So, jetzt sind wir unterm Wendler!‟ Er meint: Wir sind unter der Ranch von Michael Wendler in Dinslaken. So viele Kilometer machen die Bergmänner unter der Erde, quer durchs Ruhrgebiet.
Steiniger schwarzer Boden
Wir müssen an einem Waggon vorbei, dicht an der Wand. Jetzt bergauf und immer auf die Füße aufpassen. Dann sehen wir die Maschine.
Bergmänner stehen am Rand, die Maschine frisst sich an einer Wand entlang. Kohle bröckelt ab, fällt auf ein Förderband. Es staubt, schwarzes Gold. Der Kohlestaub verfärbt die Gesichter.
Der höllische Lärm macht eine Unterhaltung unmöglich. Wir schreien uns an. Es kommt aber nichts an, außer Lippenbewegungen. Wir gehen an den Männern vorbei, grüßen mit „Glück auf”. Sie lesen es von den Lippen. Lächeln.
Wir sind total geflasht
Hier unten in der Dunkelheit arbeiten die Männer acht Stunden am Tag. Kein Tageslicht, keine Sonne, kein Regen. Wie es oben aussieht, sehen sie erst nach dem Arbeitstag. Und dann – ständig dieser Lärm.
Auf dem Rückweg liegt das schwarze Gold auf einer Trage. Da dürfen wir uns alle ein Stück aussuchen. Als ich mir das größte aussuche, bekomme ich natürlich Sprüche: „Du weißt schon, dass du das jetzt die ganze Zeit tragen musst?” Weiß ich! Aber das ziehe ich durch.
Bergmänner mit Leib und Seele
Doch wir haben Glück, erreichen nach 10 Minuten einen Zugbahnhof. Im kleinen Abteil ist es dunkel und eng! Einer der Bergmänner erzählt: „Ich wollte das schon immer machen. Ich bin jetzt 45 und weiß, dass bald Schluss ist, aber ich liebe diesen Job. Schau dir meine Haut an, die Wärme, Kohle und die Dunkelheit halten mich jung.”
Wieder oben
Wir haben es geschafft, mit dem Aufzug geht es wieder ins Licht. Ein bisschen traurig sind wir, dass bald ein Stück Kultur verloren geht. Aber ein gutes Gefühl bleibt: Wir haben die Bergmänner bei der Arbeit erlebt. Waren ein Teil von ihnen.
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