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„Bisher hat es schon 60 Nachbeben gegeben“

„Bisher hat es schon 60 Nachbeben gegeben“

Sanothimi. 

Es sollte ein Abenteuer-Urlaub werden. Trekking im Himalaya. Elitsa Dincheva (31) aus München hatte ihren Vater im Urlaub begleiten wollen, der als Bergführer eine Gruppe bulgarischer Wanderer bis hinauf ins Basiscamp am Mount Everest führte. Auf dem Rückweg wurde die Gruppe vom Erdbeben überrascht. Aus dem Abenteuer wird ein Albtraum. „Wir hatten noch großes Glück, weil wir gerade einen besonders steilen Teil des Pfades hinter uns hatten. Hätte uns das Beben dort getroffen, würde ich jetzt wohl nicht mehr mit der NRZ telefonieren können.“

Die Gruppe rettet sich in ein kleines Dorf. „Wir haben in einem Haus geschlafen, weil es draußen regnete und viel zu kalt war. Nachts kamen die Nachbeben, mein Vater brüllte nur noch ‘Alle raus’, und wir sind in großer Panik gerannt. Alle haben es geschafft. Aber ich hatte Todesangst.“Elitsa nimmt später Kontakt zu ihrem Arbeitgeber in München auf, den SOS-Kinderdörfern. Dort bittet man sie, für weitere zwei Wochen im Land zu bleiben und zu helfen. „Ich arbeite jetzt im SOS-Kinderdorf Sanothimi mit.“

Wie die anderen neun Dörfer und die 27 Schulen und Sozialstationen ist die Organisation von größeren Schäden verschont geblieben. Ein wichtiger Grund dafür: Hohe Standards beim Bau der Gebäude. Das hatte sich schon beim Beben vor fünf Jahre in Haiti bewährt. Eine gute Nachricht gab es gestern aber auch in Nepal: Ein Mann konnte lebend aus den Trümmern gerettet werden. 82 Stunden nach dem Beben.

Sanothimi liegt ganz nahe bei Kathmandu, der Hauptstadt. Elitsa schildert die Situation: „Die meisten Menschen gehen nicht in die Häuser zurück, aus Angst, sie leben lieber unter Planen. Ein Problem ist das Wetter. Gestern hat es nur geregnet, die Temperatur liegt geschätzt bei zehn Grad. Wenn die Menschen aber alle vor der Tür leben, steigt die Gefahr von Epidemien. Zumal die Wasserversorgung in der Stadt nicht mehr funktioniert.“

Elitsa kann die Menschen nur zu gut verstehen. Aus eigenem Erleben. „Bisher gab es 60 Nachbeben, manchmal sind das nur leichte Vibrationen, aber wir alle sind schon etwas paranoid, die Angst ist sofort wieder da. Viele wollen die Stadt verlassen, aber es gibt kaum Transportmöglichkeiten, die Leute fühlen sich gefangen, es kommt immer wieder zu Demonstrationen, die Polizei schreitet ein, Leute werden festgenommen. Auch heute wieder ist das geschehen.“

Aber es gibt auch viel Solidarität. Elitsa erlebt sie vor Ort. „Die Mitarbeiter hier haben meist selbst ihre Häuser verloren, trotzdem kommen sie jeden Morgen, helfen, verteilen Zelte, die SOS-Mütter kochen für die Camps mit, die älteren Kinder bringen Wasser dorthin.

Das ist schon sehr beeindruckend.“

Ihr Vater und die bulgarische Wandergruppe wird morgen abreisen.“ Elitsa bleibt. „Es gibt genug zu tun.“