Die Fleischbranche will sich verändern. „Die Wurst hat ein Imageproblem“, heißt es beim Hersteller Rügenwalder. Ein vegetarisches Schnitzel soll her.
Essen.
„Die Wurst hat ein Imageproblem.“ Das sagt ausgerechnet der Marketingchef eines großen Wurstherstellers, Godo Röben von der Firma Rügenwalder Mühle. „Themen wie der Klimawandel werden mit der Massentierhaltung in Verbindung gebracht, viele Menschen sehen die Haltungsbedingungen von Tieren zunehmend kritisch. Das hat natürlich Folgen für unsere Branche“, sagt Röben.
Rügenwalder-Chef Christian Rauffus ließ sich unlängst gar mit dem Satz zitieren: „Die Wurst wird die Zigarette der Zukunft.“ Sie könnte verpönt sein wie heute schon das Rauchen, sollte das wohl heißen.
Rügenwalder jedenfalls stellt nun das Sortiment um und investiert massiv in die Herstellung vegetarischer Produkte. „Nach vegetarischer Aufschnitt-Wurst und vegetarischen Frikadellen werden wir in wenigen Wochen auch vegetarische Schnitzel auf den Markt bringen“, kündigt Röben an.
Auch Unternehmen wie Aldi und Ikea reagieren
„Wir beobachten eine Industrialisierung bei vegetarischen Lebensmitteln“, berichtet Bettina Seul vom Institut für Handelsforschung in Köln (IFH). „Der Markt wird zu einem Massengeschäft.“ Zielgruppe seien vor allem Menschen, die Marktforscher „Flexitarier“ nennen – Verbraucher, die ihren Fleischkonsum bewusst reduzieren, vor allem aus Gesundheitsgründen, weniger aus Ideologie. Seit 2008 verzeichne der Handel in diesem Bereich ein Umsatzplus von rund 30 Prozent pro Jahr, heißt es beim Vegetarierbund (VEBU).
Auch große Unternehmen wie Aldi und Ikea reagieren. So gibt es beim schwedischen Möbelriesen mittlerweile nicht mehr nur die Fleischbällchen „Köttbullar“, sondern auch die vegetarische Variante „Grönsaksbullar“. Auch beim Mülheimer Discounter Aldi Süd sind vegetarische Fleischersatzprodukte auf dem Vormarsch. „Wir führen mehr als 30 als vegetarisch gekennzeichnete Produkte in den Filialen“, teilte eine Unternehmenssprecherin mit. Als Bio-Veggie-Produkte gibt es Burger, Würstchen und Gulasch. Auch ein Soja-Schnitzel hat Aldi Süd im Angebot.
Vegetarische Zutaten für einen fleisch-ähnlichen Geschmack
„80 Prozent der Vegetarier mögen gern den Geschmack von Fleisch und Wurst, essen es aber aus moralisch-ethischen Gründen ganz gezielt nicht“, sagt Rügenwalder-Manager Röben. „Und jeder zweite Deutsche hat seinen Fleischkonsum bereits reduziert oder plant dies. Es gibt also eine sehr große Zielgruppe für vegetarische Wurstprodukte.“
Mehrere Wursthersteller planen noch in diesem Jahr eigene Fleischersatzprodukte, so der Verband der Fleischwarenindustrie. Durch eine gute Würzung könne man mit vegetarischen Zutaten einen fleisch-ähnlichen Geschmack erzeugen, erläutert Jessica Lutze von der Bio-Handelsmarke Alnatura. Das habe aber einen Preis. „Je mehr natürliche Zutaten für die Zubereitung von Fleischersatzprodukten verwendet werden, desto kostenintensiver ist die Herstellung.“ Gewürze seien teuer als Aromen.
Wursthersteller Rügenwalder stellt Produktion um
Der Wursthersteller Rügenwalder verändert sich radikal. Ursprünglich wollte das Unternehmen aus Bad Zwischenahn im Jahr 2020 rund 30 Prozent des Umsatzes mit vegetarischen Produkten erzielen. „Nun planen wir, dieses Ziel schon Ende 2015 zu erreichen“, sagt Röben. Zuletzt lag der Jahresumsatz von Rügenwalder bei 175 Millionen Euro. Auch weil das vegetarische Geschäft brummt, gibt es derzeit zweistellige Zuwachsraten. Eine neue Fertigungshalle ist geplant. In diesem Jahr will Rügenwalder noch mehr als 100 Mitarbeiter einstellen. Aktuell zählt die Firma 500 Beschäftigte. Röben sagt voraus: „In einiger Zeit könnte der neue Geschäftszweig genauso groß sein wie unsere klassische Wurstproduktion.“