Von der Verkäuferin zur Laden-Managerin – geht das? Ein Jahr lang begleitete der WDR drei ehemalige Schlecker-Mitarbeiterinnen, die nach der Pleite beschlossen hatten, einen eigenen Drogeriemarkt zu eröffnen. Einfach war der Weg in die Selbstständigkeit für die Schlecker-Frauen jedoch nicht.
Essen.
Viel hat man gehört über
die sogenannten Schlecker-Frauen, die nach der Pleite der Drogeriekette
sozusagen auf der Straße standen. Der WDR begleitete mehrere dieser Frauen in seiner Dokumentationsreihe „Menschen Hautnah“ ein
Jahr lang auf ihrem schwierigen Weg von der Arbeitslosigkeit in ein neues
Leben.
Viele Steine wurden ihnen dabei in den Weg gelegt, fast nichts klappte
wie geplant. „Das gängige Klischee von der dummen, billigen Schlecker-Frau, die
nichts kann, begleitet einen ständig“, erzählt eine ehemalige Angestellte.
Viele der Frauen galten nach der Schlecker-Pleite als unvermittelbar, zu alt
für den Arbeitsmarkt, zu schlecht ausgebildet. Eine Auffanggesellschaft gab
es trotzdem nicht, auch andere Drogerieketten stellten die Mitarbeiterinnen nur
ungern ein.
„Wir wollen auf keinen Fall
von Hartz IV leben!“
„Um nichts mehr zu machen und von
Arbeitslosengeld zu leben, sind wir aber noch zu jung“, meinten Rosina, Marina
und Birgit. Die WDR-Doku stellt sie allein mit Vornamen vor – und begleitet das gewagte Projekt, das die drei Frauen starteten.
Die Gewerkschaft riet ihnen, in
der alten Schlecker-Filiale einen eigenen Drogeriemarkt zu eröffnen. Zwölf
dieser neuen Läden sollten in Baden-Württemberg unter dem Namen „Drehpunkt“
entstehen. Anstelle des blauen Schlecker-Logos hängt dort nun ein lindgrünes
Zeichen. Der Weg dahin war lang und mühsam und auch die WDR-Dokumentation
schleppt sich stellenweise so dahin. Kleinteilig werden die
Renovierungsarbeiten gezeigt, wie die Schlecker-Frauen alle Spuren ihres
einstigen Arbeitgebers verwischen, um sich eine neue Existenz aufbauen.
Behörden und Banken legen Steine in den Weg
Beeindruckend ist das auf jeden
Fall, auch wenn man von vielen der Schwierigkeiten zuletzt schon
gehört oder gelesen hat. Ohne Erfahrung im Managementbereich müssen
Rosina, Marina und Birgit kämpfen, damit alles nach Plan läuft. „Besser als der
Gang zum Arbeitsamt“, finden sie alle. Der sei „beschämend“, vor allem, weil
man ab dem 50. Lebensjahr schwierig zu vermitteln sei.
Beim Aufbau des eigenen
Drogeriemarkts legen ihnen Behörden und Banken aber ebenfalls Steine in den
Weg. „Man rennt gegen Windmühlen an“, meint Rosina. „Solange es keinen
Handelsregistereintrag gibt, verzögert sich alles.“ Auch die Kredite für Waren
und Ausstattung fließen nur zögerlich, groß ist das Risiko einer erneuten
Pleite.
„Das schlimmste wäre, wenn sich die Eröffnung so nach hinten ziehen
würde, dass die Menschen sich an das Einkaufen woanders gewöhnt haben“, sagt
Marina. Um das zu verhindern, binden sie sogar die potenzielle Kundschaft in
den Dörfern mit ein. Indem Kunden in Aktien investieren, können sie den Laden
unterstützen. 9000 Euro Kapital steht den Schlecker-Frauen so zusätzlich zur
Verfügung.
Neueröffnungen verzögern sich
für die Schlecker-Frauen
Trotzdem verzögert sich die
Neueröffnung Monat um Monat. „Dass wir alles alleine schaffen müssen, belastet
uns schon“, sagt Marina. Alles soll heller, moderner und attraktiver für die
Kunden werden. „Der eigene Chef zu sein hat auch viele Vorteile, wir brauchen
uns nicht mehr schämen für die schlecht beleuchteten und ausgestatteten
Schlecker-Filialen.“ An ihrem ehemaligen Chef Anton Schlecker lässt Marina kein
gutes Haar aus. „Er hat uns belogen und betrogen und war nur auf seinen eigenen
Vorteil bedacht.“
Für einige der Schlecker-Frauen
hat die Pleite aber doch etwas Gutes gehabt. Mehr als ein Jahr nachdem für
Birgit, Marina und Rosina die Reise in die Selbstständigkeit begann, können sie
endlich auf die Früchte ihrer Arbeit blicken. „Das hat uns niemand zugetraut,
wir sind stolz wie Oskar“, sagen die drei Frauen bei der Eröffnung ihrer
„Drehpunkt“-Filiale und strahlen dabei. Ein Berg von Schulden plagt sie noch, dennoch überwiegt
der Stolz über die neue Existenz. „Wir haben uns selbst eine Perspektive
geschaffen, und das ist etwas, was die Politik versäumt hat.“