Wie der Schuh-Unternehmer Deichmann für die Zukunft plant
Im WAZ-Interview spricht Heinrich Deichmann, der Chef von Europas größtem Schuh-Einzelhändler, über Innenstädte, Online-Handel und neue Filialen.
Essen.
Der Essener Schuh-Unternehmer Heinrich Deichmann gibt nur selten Interviews. Erstmals seit dem Tod seines Vaters Heinz-Horst Deichmann äußert sich der Chef von Europas größtem Schuh-Einzelhändler im WAZ-Gespräch mit Andreas Tyrock und Ulf Meinke zur Zukunft des Unternehmens.
Herr Deichmann, man könnte den Eindruck bekommen, in nahezu jeder deutschen Innenstadt und jedem Einkaufszentrum gibt es schon eine Deichmann-Filiale. Geht die Expansion des Unternehmens ungebremst weiter?
Heinrich Deichmann: Auch in Deutschland gibt es für uns noch einige weiße Flecken, aber es werden weniger. Derzeit zählen wir bundesweit gut 1360 Filialen. Das sind 30 mehr als im Vorjahr. Im laufenden Jahr sollen rund 66 Filialen neu hinzukommen und 25 unattraktive Standorte geschlossen werden. Wir ersetzen auch kleinere durch größere Geschäfte und verbessern in einigen Städten die Lage unserer Läden. Etwa 70 Filialen werden im Verlauf des Jahres modernisiert.
Stoßen Sie in Deutschland an Grenzen?
Deichmann: Generell ist unser Wachstum im Ausland stärker als im Inland. 60 Prozent unseres Umsatzes entsteht mittlerweile jenseits unseres Heimatmarktes. Weltweit wollen wir im Jahr 2015 rund 150 zusätzliche Standorte im Filialnetz haben.
Oft ist von der Krise der Innenstädte in Deutschland die Rede. Gilt das auch für Deichmann?
Deichmann: Wir stellen nicht fest, dass die Menschen weniger in den Innenstädten einkaufen. Aber das Einkaufsverhalten hat sich etwas verändert. Viele Kunden kaufen gezielter ein, weil sie sich zum Beispiel im Internet vorab informiert haben.
Einstieg in den Sportfachhandel
Gerät das klassische Filialgeschäft durch den wachsenden Online-Handel zunehmend unter Druck?
Deichmann: Wir haben schon sehr früh in den Internet-Handel investiert. Das zahlt sich heute aus. Unser Ziel ist, das Filialgeschäft mit dem Online-Handel möglichst gut zu verbinden. In diesem Jahr wollen wir zum Beispiel ermöglichen, dass Kunden einen Schuh im Internet bestellen und in einer Wunschfiliale abholen können.
Ihr Online-Konkurrent Zalando ist an die Börse gegangen. Können Sie sich vorstellen, Aktien zu kaufen?
Deichmann: Nein, wir sind ganz zufrieden mit unserem eigenen Geschäft. Aber ich finde es gut, dass durch Zalando häufiger über Schuhe gesprochen wird.
Setzen Sie künftig in Deutschland auch auf neue Marken über Deichmann und Roland hinaus?
Deichmann: Zu unserem Unternehmen gehört auch Ochsner Sport, der Marktführer im Schweizer Sportfachhandel. In diesem Jahr werden wir erstmals eine Filiale von Ochsner in Deutschland eröffnen – und zwar ab Mitte März in Neu-Ulm.
Der Schuhhändler Deichmann verkauft künftig auch Textilien in Deutschland?
Deichmann: Das Konzept von Ochsner funktioniert in der Schweiz hervorragend. Nun wollen wir es auch auf unseren Heimatmarkt übertragen. Deutschland ist ein bedeutender Sportmarkt. Aber wir wachsen mit Bedacht. Zunächst sind in Deutschland drei Geschäfte von Ochsner Sport geplant.
In 23 europäischen Ländern und in den USA hat die Deichmann-Gruppe im vergangenen Jahr einen Brutto-Umsatz in Höhe von 4,9 Milliarden Euro erzielt – den höchsten in der Firmengeschichte. Hat auch der Gewinn Rekordcharakter?
Deichmann: Wir sind jedenfalls sehr zufrieden mit der Ergebnisentwicklung. Und klar ist auch: Das erwirtschaftete Geld fließt nicht in Gewinnausschüttungen, um luxuriöse Yachten oder Privatvillen zu finanzieren, sondern bleibt im Unternehmen, um Investitionen in die Zukunft zu tätigen.
Firmenzentrale bleibt in Essen
Deichmann wächst weltweit. Was bedeutet das für den Deichmann-Standort Essen?
Deichmann: Die Firmenzentrale befindet sich in Essen, und das soll auch so bleiben. Die Zahl der Beschäftigten am Standort ist rasant gewachsen – auf mittlerweile rund 680 Mitarbeiter allein in der Verwaltung. Auch wenn wir stark im Ausland präsent sind: Das Herz der Firma schlägt im Ruhrgebiet.
Der Durchschnittspreis eines Deichmann-Schuhs liegt bei 20 Euro. Ist das genug Geld, um Mitarbeiter und Lieferanten ordentlich zu bezahlen?
Deichmann: Ja, uns ist es wichtig, gut mit unseren Mitarbeitern umzugehen. Dazu gehört eine übertarifliche Bezahlung der Beschäftigten in den Filialen und in der Verwaltung. Unsere Lieferanten in den Herstellerländern halten sich an klar definierte soziale Standards nach Vorgaben der International Labour Organisation, die wir regelmäßig überprüfen lassen. Grundsätzlich profitieren wir auch davon, dass wir in hoher Stückzahl Schuhe herstellen lassen. Das beschert uns Preisvorteile und Kostenersparnisse beim Transport.
Sie fühlen sich dem christlichen Menschenbild verpflichtet. Geht das in der rauen Wirtschaftswelt überhaupt?
Deichmann: Das Unternehmen muss den Menschen dienen. Dieser Satz gilt. Für die tägliche Arbeit hat das viele Facetten. Es geht um Wertschätzung und Respekt für die Mitarbeiter, auch um Freiraum, damit die Beschäftigten eigene Entscheidungen treffen können. Wir helfen auch Mitarbeitern, die unverschuldet in Not geraten sind, schnell und unbürokratisch. Dafür gibt es eine Unterstützungskasse, die der Betriebsrat verwaltet. Richtig ist aber auch, dass bei uns hart und viel gearbeitet wird. Sonst würde sich der Erfolg auch nicht einstellen.
Unternehmen ohne externe Geldgeber in die nächste Generation führen
Was hat sich durch den Tod Ihres Vaters Heinz-Horst Deichmann im Unternehmen verändert?
Deichmann: Er fehlt uns allen. Mein Vater war eine ganz große prägende Figur, und er hatte ein großes Herz für die Mitarbeiter. Unsere Aufgabe ist es, das Unternehmen in seinem Sinne weiterzuführen.
Ihr Vater hat früh den Generationswechsel im Unternehmen auf den Weg gebracht. Schon 1999 sind Sie Vorsitzender der Geschäftsführung der Deichmann-Gruppe geworden. Wollen Sie einmal ähnlich handeln, um die Firmenführung in die Hand Ihrer Kinder zu legen?
Deichmann: Ich habe großen Respekt davor, wie mein Vater mit dem Thema Generationswechsel umgegangen ist. Sich Stück für Stück zurückzuziehen ist für einen Vollblutunternehmer nicht leicht. Das hat er großartig gemeistert. Es ging ihm immer um das Wohl des Unternehmens. Mein Ziel ist es ebenfalls, das Unternehmen ohne externe Geldgeber in die nächste Generation zu führen.