Die Beimischung von Biosprit zum Benzin hat die Erwartungen nicht erfüllt. Der Absatz geht zurück. Umweltschützer sind enttäuscht.
Berlin.
An den zusätzlichen Preisaushang an der Tankstelle haben sich die Autofahrer längst gewöhnt. E10 steht darauf, und das Benzin ist zwei Cent billiger als Superbenzin.
Das Kürzel steht für die Beimischung von zehn Prozent Bioethanol in den Kraftstoff. Doch allein die Ersparnis lockt nur wenige Fahrer auch an die Säule mit dem umweltfreundlicheren Sprit. „Das ist nicht in den Köpfen drin“, sagt ADAC-Sprecherin Melanie Mikulla. Ein Wunder ist das nicht. Denn bei den ständigen Preisanpassungen der Mineralölgesellschaften fällt der Unterschied kaum auf.
Fünf Jahre nach der Einführung von E10 sehen Experten aus verschiedenen Lagern darin keine große Erfolgsgeschichte. Der ADAC beobachtet zum Beispiel eine anhaltende Verunsicherung unter den Autofahrern hinsichtlich der Verträglichkeit des Kraftstoffs für die Motoren. „Über 90 Prozent der Autos vertragen E10“, versichert Mikulla. Bei den Gelben Engeln, die der Verkehrsclub als Nothelfer auf die Straßen schickt, sei seit der Einführung nicht ein Schadenfall durch den Biosprit bemerkt worden. Die Befürchtungen lassen sich zudem leicht aus dem Weg räumen. Im Internet gibt es Fahrzeuglisten, aus denen sich mögliche Probleme eines Fahrzeugmodells herauslesen lassen.
Umweltschützer bewerten die Bilanz des E10 kritisch
2011 beherrschte die Einführung der Beimischungsquote wochenlang die Schlagzeilen. Der damals amtierende Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) rief die Beteiligten sogar zu einem Autogipfel nach Berlin. Es mangelte trotzdem an Aufklärung. „Man hat die Werbetrommel nicht recht gerührt“, erinnert sich Mikulla. Die Einführung selbst geriet zu einem weiteren Flop. An vielen Tankstellen gab es zunächst kein E10, oder es war schnell ausverkauft. Zwar normalisierte sich die Lage schnell. Doch auf Begeisterung stößt der Biosprit nach wie vor nicht. Gerade einmal 14 Prozent des verkauften Benzins kommen mit dem zehnprozentigen Ethanolanteil in die Tanks.
Bioethanol und Biodiesel sparen im Vergleich zum ölbasierten Kraftstoff CO2 ein. „Biodiesel verringert den Treibhausgasausstoß um 60 bis 90 Prozent“, heißt es beim Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB). Dieser Diesel ist schon lange etabliert. Schon in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurde der erste angeboten. Er wird vor allem aus Ölpflanzen wie Raps hergestellt. Bioethanol wird für den Benzinmotor produziert. Als Rohstoff werden hier vor allem zuckerhaltige Pflanzen eingesetzt, in Deutschland vornehmlich sogenannte Industrierüben, die speziell für die Weiterverarbeitung zu Treibstoff angebaut werden.
Mit der E10-Einführung entbrannte über die Diskussion um mögliche technische Probleme hinaus eine Debatte über die Konkurrenz zwischen Tank und Teller. Sollen die wertvollen landwirtschaftlichen Flächen angesichts der weltweiten Hungerprobleme mit Energiepflanzen bewirtschaftet werden? Auch dieser Streit schadete dem Image des Biosprits. Die Kritik von Umweltverbänden ist immer noch nicht ausgeräumt. „Man spart mit Agrarrohstoffen kein CO2 ein“, sagt der Verkehrsexperte des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Jens Hilgenberg. Zwar kommt weniger Treibhausgas aus dem Auspuff.
Einige Firmen sind schon pleite
Doch unter Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Vorgeschichte sieht der BUND keine Umweltentlastung mehr. Unter dem Strich zieht Hilgenberg ein enttäuschtes Fazit. „Die Zwischenbilanz ist desaströs“, sagt er, „die Fahrzeuge müssen sparsamer werden.“ Ein schweres Luxusfahrzeug werde durch die Beimischung von Biosprit nicht ökologischer. Die Politik müsse die Dieselsubventionen abschaffen und endlich für realistisch gemessene Verbrauchswerte sorgen, damit die Autofahrer auch wissen, wie stark sie das Klima belasten.
Dass die Energiewende im Verkehr nicht in Fahrt kommt, hängt nach Ansicht der Industrie auch mit einer Gesetzesänderung zusammen. An die Stelle einer Beimischungspflicht für Biokraftstoffe ist 2015 eine Vorgabe zur Einsparung von Treibhausgasen gerückt. Die Mineralölgesellschaften müssen in diesem Jahr 3,5 Prozent CO2 einsparen, 2017 vier Prozent und ab 2020 sechs Prozent. Die Einsparung soll der Anteil an Biokraftstoffen ermöglichen.
In der Praxis bewirkt die Regelung das Gegenteil. „Da das Reduktionsziel mit einer geringen Menge an Biokraftstoffen erreicht werden kann, sinkt der Absatz“, heißt es beim VDB. Denn die Hersteller haben in den vergangenen Jahren erhebliche Effizienzfortschritte erreicht. Dadurch wird weniger Kraftstoff von ihnen benötigt, um denselben Klimaeffekt zu erreichen. „Die Branche schafft sich selbst ab“, stellt ein Experte des Biokraftstoffverbands fest. Erst nach 2020 werde der Absatz wieder steigen. Wirtschaftlich halten das nicht alle Unternehmen durch. Verschiedene Firmen hätten bereits aufgegeben.