Hinter dem geplatzten U-Boot-Geschäft von Thyssen-Krupp stehen viele Fragezeichen. Nicht nur am Werftstandort in Kiel ist die Enttäuschung über den entgangenen Auftrag groß.
Essen.
Reichte der blendende Ruf deutscher U-Boot-Konstrukteure nicht aus? Spielten globale sicherheitspolitische Aspekte eine Rolle? Oder war es am Ende schlichtweg der Preis? Viele Fragezeichen stehen derzeit über dem geplatzten Marine-Deal von Thyssen-Krupp mit Australien. Die Enttäuschung jedenfalls über das Aus im Bieterkampf um den 34-Milliarden-Auftrag für die Marinesparte des Essener Konzerns ist allenthalben groß.
Offiziell äußern will sich in der ohnehin zu Verschwiegenheit neigenden Wehrtechnikbranche kaum jemand. Marinekenner und Verbandsfunktionäre schalteten am Dienstag beim Thema U-Boot-Deal kommunikationstechnisch auf Schleichfahrt. Man wolle zunächst auf die Begründung der australischen Regierung warten, hieß es etwa beim Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie BDSV in Berlin.
„Gegen Staatskonzern kann man nur verlieren“
Insider äußerten sich allenfalls hinter vorgehaltener Hand: „Gegen einen Staatskonzern kann man nur verlieren“, sagte ein Marine-Experte ernüchtert dieser Redaktion. Der französische Staatskonzern DCNS, der jetzt den Zuschlag für den Bau von zwölf neuen U-Booten nebst Wartungsauftrag erhielt, war noch bis Kurzem eine Abteilung des französischen Verteidigungsministeriums und ist heute mehrheitlich im Staatsbesitz.
Einer wie Peter Seeger, 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Kiel, segelte zumindest auf Periskophöhe durch die Flut der Anfragen, die die Nachricht von den geplatzten Marine-Träumen im Hause Thyssen-Krupp auslöste. Seeger, der als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) eigentlich nah am Geschehen ist, hat es kalt erwischt. Bis Dienstag morgen noch hatte auch er auf einen positiven Bescheid aus Down Under gehofft. „Der Wettbewerb war sicher kein Selbstläufer für TKMS. Aber die Signale, die wir im Aufsichtsrat bis zuletzt erhalten hatten, waren schon ermutigend“, sagte Seeger hörbar enttäuscht am Telefon. Andere Branchenkenner freilich hatten schon im Januar ein mögliches Scheitern der deutschen Bewerbung um den größten Rüstungsauftrag in der Geschichte des fünften Kontinents auf dem Radar.
„Keine Auswirkungen“ auf die Werftstandorte
Dass es nun definitiv nichts wird mit dem für die Marinesparte von Thyssen-Krupp umfangreichsten Auftrag seit Bestehen, will Seeger keinesfalls schönreden. Trotzdem machte der Gewerkschafter auf gut Wetter. Kurzfristig werde der geplatzte U-Boot-Deal keinerlei Auswirkungen auf die Werftstandorte des Essener Dax-Konzerns haben, ist er sich sicher. TKMS beschäftigt an seinen Standorten Kiel, Hamburg und Emden insgesamt knapp 3500 Mitarbeiter. Die Auftragslage der Werften sei gut. Das Unternehmen verfüge über eine stabile Auslastung für die kommenden Jahre.
Derzeit baut die Kieler Werft vier U-Boote der Klasse 209 für Ägypten. Als weitere Kunden stehen Israel, Singapur und die Bundesmarine in den Auftragsbüchern. In den letzten drei Jahren, so Seeger, habe Thyssen-Krupp sogar 350 neue Jobs an der Küste geschaffen, und das nicht einmal im Hinblick auf den möglichen Großauftrag aus Australien.
Über die langfristigen Folgen etwa für die TKMS-Konstrukteure in Deutschland möchte Seeger nicht spekulieren. Auch auf die Frage, warum die Franzosen das Rennen machten, kann er sich derzeit keinen Reim machen. Eine Rolle könne der Umstand gespielt haben, dass DCNS Erfahrungen im Bau großer U-Boote habe. Etwas, was den Deutschen fehle.
Nur auf dem Reißbrett
Fakt ist: Deutsche U-Boote sind im Weltmaßstab vergleichsweise kompakt. Das für Australien vorgesehene Modell 214 sollte eine um 40 Prozent größere Weiterentwicklung der aktuell modernsten Typenreihe 212 der Bundesmarine sein. Allerdings existiert das Boot bislang nur auf dem Reißbrett. Der französische Staatskonzern will in Australien eine dieselelektrische Version seines serienmäßig von einem Druckwasserreaktor angetriebenen 5000-Tonnen-U-Boots Barracuda bauen. Die Boote sind mit knapp 100 Metern Länge wahre Unterwasserriesen und nahezu doppelt so lang wie der deutsche U-Boot-Typ 212.
Australien, das mit einem großen Flottenbauprogramm und Rückendeckung der USA auf Chinas ungebremste Aufrüstung auf den Weltmeeren reagiert, muss ein riesiges Seegebiet im Blick haben. Es reicht vom Indischen Ozean bis weit in den Pazifik. Die australische Marine schickt ihre Schiffe Tausende Seemeilen auf Patrouille. Die Größe der U-Boote könnte da eine Rolle spielen.
Thyssen-Krupp zählt freilich zu den größten U-Boot-Herstellern der Welt. Die Marinesparte genießt beim Bau nicht-nuklear angetriebener U-Boote großes Prestige. Die Kieler HDW-Werft, die 2013 mit Blohm und Voss zu Thyssen-Krupp Marine Systems verschmolz, gilt bei diesel-elektrischen U-Booten als Weltmarktführer. Dank Brennstoffzellentechnik können die modernsten Typen außenluftunabhängig fahren und wochenlang tauchen.