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Spezialist für Steine und Benzin

Spezialist für Steine und Benzin

Essen. 

Dass das boomende Geschäft rund um klassische Automobile das klassische PS-Tuning längst abgehängt hat, ist auch bei der Motor Show zu spüren: Es gibt deutlich mehr zumeist sehr teure alte Autos zu sehen als die früher auf der Tuningmesse unvermeidlichen jungen Männer mit einem in den Essener Messehallen erworbenen Sportauspuff über der Schulter.

So ist es kein größeres Problem, Andreas Dünkel in einem restaurierten Mercedes-Flügeltürer für zwei Millionen Euro abzulichten. Nur der Fußraum des 300 SL der Classic-Sparte von Brabus in Bottrop muss mit Papier vor eventueller Verschmutzung geschützt werden.

Der Schwabe Andreas Dünkel ist Experte für altes Blech und alte Gemäuer, ein Macher, der mit seinen Erlebnisparks für PS-Liebhaber vom anhaltenden Boom der Klassiker auf Räder profitiert. Bald wird der 400 000. über 30 Jahre alte Pkw in Deutschland mit einem H-Kennzeichen zugelassen, 2009 war es gerade einmal die Hälfte. Dazu kommen noch einmal 150 000 Oldtimer ohne das für „historisches Fahrzeug“ stehende Nummernschild sowie zwei Millionen zwischen 20 und 30 Jahre alte sogenannte Youngtimer; und alle wollen mit viel Geld am Rollen gehalten werden. Auf 16 Milliarden Euro schätzt eine aktuelle Studie das Marktvolumen im Klassikbereich.

Dünkel (52) hat sich mit der „Motorworld“ in Böblingen einen Namen gemacht. 600 000 Autonarren zieht es jährlich zum Tagesausflug in den umgebauten ehemaligen Regionalflughafen im Stuttgarter Speckgürtel, Eintritt: kostenlos. Oder die PS-Fans übernachten im V8-Hotel in zu Betten umgebauten Karosserien.

Anziehungspunkt sind die ausgestellten Vorzeige-Wagen von Privatleuten, die sich einen Einstellplatz fürs „heilige Blechle“ rund 200 Euro pro Monat kosten lassen. Den Fahrzeughaltern bietet das „Motorworld“-Konzept die Ballung von allen möglichen Dienst- und Handwerksleistungen rund ums das rostigste Hobby der Welt.

Auf Böblingen folgte ein Standort in Berlin inklusive exklusiver Messe, in München (ehemaliges Eisenbahnausbesserungswerk) und Köln (ehemaliger Flughafen) wird bereits fleißig gebaut. Die unschätzbare Rennsportsammlung von Michael Schumacher soll zur Eröffnung Anfang 2018 am Rhein zu sehen sein.

Zusammen mit lokalen Investoren hat Dünkel große Pläne für eine Motorworld auf dem riesigen Areal der Zeche Ewald in Herten. Die notwendigen Summen in zweistelliger Millionenhöhe schrecken ihn nicht. Über zwei Milliarden Euro habe er mit seiner Activ-Group bereits verbaut, darunter auch Projekte im dreistelligen Millionen-Bereich. Für das Herzstück in Herten, die imposante Rasenhängebank unter dem Doppelbockförderturm sei der Bauantrag inzwischen gestellt.

Keine Vorbehalte gegen Herten

Stuttgart, Berlin, Hamburg, Köln – und dann Herten? Mit dem nach Kohlestaub schmeckenden Namen sei er nirgendwo auf Vorbehalte gestoßen. Wie bereits in der Berliner „Schrauberwerkstadt“ geschehen, spricht Dünkel davon, auch in Herten ein bodenständigeres Auto-Publikum anzusprechen als im Umfeld der Firmensitze von Mercedes und Porsche.

Vorbelastet als Sanierungsexperte für alte Gemäuer und alte Autos ist Dünkel doppelt. Der Großvater war Baustoffhändler im beschaulichen Schemmerhofen mitten im tiefsten baden-württembergischen Ländle, und in den Dreißigern auch Mercedes-Händler. Schon lange vor den Anfängen des Oldtimer-Booms sammelte die Familie Dünkel alte Autos, vorzugsweise mit Stern. Im Flügeltürer fand er sich auf Anhieb zurecht. Schließlich fährt der Bruder auch einen.