Die Familien-Bäckerei aus Lünen, die auch den „Brottrunk“ erfunden hat, erzeugt ihren Strom zur Hälfte selbst. Dafür gibt’s den Initiativpreis NRW.
Lünen.
Bäcker, die ihre riesigen Öfen befeuern müssen, leiden besonders unter den hohen Strompreisen. Das Familienunternehmen Kanne aus Lünen, das mit seinem „Brottrunk“ bekannt geworden ist, hat schon früh umgesteuert und ein eigenes Windrad auf dem Betriebsgelände gebaut. Für ihr Umwelt-Engagement erhielt Kanne den „Initiativpreis NRW 2014“ von WGZ Bank und WAZ.
Wilhelm Kanne leitet zusammen mit seinem Vater Wilhelm Karl Kanne das Familienunternehmen in fünfter Generation. Aus der 1904 gegründeten Bäckerei ist längst ein kleiner Konzern mit 380 Beschäftigten und mehreren Standbeinen geworden. „Mein Großvater Wilhelm hat schon vor 40 Jahren auf Ökologie und gesunde Ernährung gesetzt, als diese Themen in der Gesellschaft noch keine große Bedeutung hatten“, erzählt der Geschäftsführer, der familienintern Wilhelm V. genannt wird.
Keine Chance für ein Reinheitsgebot
Doch der Großvater holte sich zunächst eine Abfuhr, als er dafür eintrat, analog zum Bier ein Reinheitsgebot für Brot und Backwaren in Deutschland einzuführen. „Dafür gab es damals weder in den Betrieben, noch in der Bevölkerung Rückhalt“, so Kanne. Das Lünener Unternehmen realisierte stattdessen ein Reinheitsgebot für die eigene Backstube und verzichtet seither auf den Einsatz von Emulgatoren, Fertigprodukten, Backmischungen und chemischen Geschmacksverstärkern.
Die frühe Entdeckung der Nachhaltigkeit sollte sich für die Kannes auszeichnen. „Heute ist die Strategie für uns ein wahnsinniges Pfund. Wir sind glaubwürdig, weil Nachhaltigkeit bei uns aus reinem Idealismus und nicht aus betriebswirtschaftlichem Kalkül entstanden ist“, sagt Wilhelm Kanne.
Windrad und Photovoltaikanlage
Die neue Denke spiegelt sich aber nicht nur in den Backwaren wider, sondern im gesamten Produktionsprozess. Über ein Windrad und eine Photovoltaikanlage erzeugen die Kannes rund die Hälfte des Stroms, den sie benötigen. Die Restwärme der Backöfen nutzen sie zum Beispiel, um Wasser für Spülmaschinen zu erhitzen. Der Betrieb versorgt sich aus einem eigenen Wasserreservoir. Auch die Expansionspolitik ist ökologisch ausgerichtet: Die 30 Bäckerei-Filialen, die bis zu dreimal täglich angefahren werden, befinden sich in einem maximalen Radius von 25 Kilometern um die Backstube herum, um Transportwege kurz zu halten.
Wilhelm Kanne ist davon überzeugt, dass sich die Orientierung an nachhaltigen Zielen auch betriebswirtschaftlich rechnet. „Wir setzen nur Rohzutaten ein. Das ist zeitintensiver, im Einkauf aber deutlich günstiger als Fertigmischungen“, sagt er.
Rezept ist ein Familien-Geheimnis
Zum Reich der Kannes sind im Laufe der Jahre ein Partyservice und eine Bio-Gärtnerei hinzu gekommen. Weit über die Grenzen Lünens hinaus machte das Unternehmen aber der selbst erfundene „Brottrunk“ bekannt, der inzwischen in 30 Länder, darunter China, exportiert wird. Schon der Arzt Friedrich Hoffmann (1660–1742) verwendete Pumpernickel aus Westfalen für seine Gesundheitstropfen. Auch Wilhelm Kanne sen. war von der „Kraft im Brot“ überzeugt. 20 Jahre lang experimentierte er, bis er 1981 den ersten „Brottrunk“ auf den Markt brachte.
Als Grundlage dient ein speziell gebackenes Vollkornbrot, das in Quellwasser gärt. „Bei diesem Prozess entwickeln sich Milchsäure-Bakterien“, erklärt der heutige Geschäftsführer Kanne. Die im „Brottrunk“ enthaltenen Vitamine, Mineralien, Aminosäuren, lebendigen Milchsäurebakterien und Eiweißbausteine sollen insbesondere den Magen-Darm-Trakt mobilisieren. „Brottrunk“-Produkte kommen aber auch in der Landwirtschaft und bei der Tierernährung zum Einsatz. Das Rezept für den „Brottrunk“ ist das über Jahrzehnte gehütete Geheimnis der Familie. Die Kannes denken nachhaltig.