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Drahtzieher des PFT-Skandals vor Gericht

Drahtzieher des PFT-Skandals vor Gericht

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Vor dem Landgericht Paderborn beginnt am Donnerstag das Verfahren um einen der größten Umweltskandale in NRW. Die Angeklagten sollen mit PFT belastete Industrieklärschlämme als Biodünger an Landwirte verkauft haben. Im Sauerland sollen so über 800 Flächen vergiftet worden sein.

Brilon. 

Im Landgericht Paderborn sitzen ab Donnerstag, 12. Januar, die mutmaßlichen Drahtzieher eines der größten Umweltskandale Nordrhein-Westfalens auf der Anklagebank. Im Mittelpunkt steht der 42-jährige Unternehmer Ralf W. aus dem benachbarten Borchen. Er und sein damaliger Betriebsleiter Martin A. werden beschuldigt, mit der Industriechemikalie PFT (Perfluorierte Tenside) belastete Industrieklärschlämme als Biodünger an Landwirte verkauft und dadurch Bodenflächen und Grundwasser verseucht zu haben.

Im Sommer 2006 entdeckten Forscher des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn an der Mündung der Ruhr zum Rhein auffällig erhöhte Werte des krebserregenden Stoffes PFT. Die Suche nach den Schuldigen führte zu dem Borchener Unternehmen GW Umwelt. Dessen Geschäftsführer Ralf W., der unter dem Namen Terravital auch eine Firma in Bleicherode (Thüringen) betrieb, soll von 2003 an gemeinsam mit seinem gleichaltrigen Betriebsleiter Martin A. große Mengen an industriellen Klärschlämmen vom belgischen Unternehmen Orinso aus Mechelen nach Deutschland gebracht haben.

Ein Jahr später soll die Firma einen ähnlichen Vertrag mit einem Unternehmen aus den Niederlanden abgeschlossen haben. Das Landgericht muss nun prüfen, ob die beiden Angeklagten wussten, dass die Klärschlämme hochgradig mit PFT vergiftet waren und sie die Behörden der jeweiligen Länder bewusst durch falsche Angaben zu den Schadstoffen getäuscht haben. Laut Anklageschrift vermengte GW Umwelt die eingeführten Klärschlämme auf dem Borchener Betriebsgelände mit unbelastetem Material und verkaufte sie anschließend als Biodünger mit den Namen „Terrafarm“ und „Terratop“ an Landwirte in NRW und weiteren Bundesländern.

Zahlreiche Äcker betroffen

Allein im Sauerland sollen so über 800 landwirtschaftlich genutzte Flächen vergiftet worden sein. Von dort gelangte das gesundheitsschädigende PFT über den Fluss Möhne in die Ruhr und somit ins Trinkwasser von über fünf Millionen Menschen. Schwangere und Babys sollten das Trinkwasser vorübergehend nicht zu sich nehmen.

Neben Ralf W. und seinem ehemaligen Betriebsleiter müssen sich vor der 2. Großen Strafkammer des Paderborner Landgerichts auch ein Vorstandsmitglied, zwei Produktmanager sowie eine Mitarbeiterin des belgischen Unternehmens verantworten. Von dem Verfahren unter Vorsitz von Richterin Margret Manthey hängt auch die in Zivilprozessen zu klärende Frage nach Schadenersatz für die Sanierung der verunreinigten Felder ab. Die Stadtwerke Arnsberg und der Ruhrverband als Betreiber von Wasser- und Klärwerken an der Möhne und der Ruhr haben bereits Zivilklage eingereicht. Sie mussten nach Entdeckung der PFT-Belastung neue Filteranlagen einbauen und aufwendige Messungen durchführen. Die Sanierungskosten belaufen sich nach Angaben des Bielefelder „Westfalen-Blatts“ auf rund 3,7 Millionen Euro. Allein der Hochsauerlandkreis fordert den Angaben zufolge für die Sanierung einer Agrarfläche in Brilon-Scharfenberg 2,5 Millionen Euro.

GW Umwelt hat schon vor einiger Zeit Insolvenz angemeldet. Ralf W. wird vorgeworfen, einen Teil seines Vermögens ohne angemessene Gegenleistung auf Familienangehörige übertragen zu haben. Damit wollte der 42-Jährige offenbar der Zwangsvollstreckung durch den Hochsauerlandkreis entgehen. In diesem Zusammenhang war auch gegen einen Anwalt des Angeklagten ermittelt worden, weil er Beweismittel versteckt haben soll. Die Ermittlungen wurden gegen Zahlung einer Auflage jedoch eingestellt.

Mit einem schnellen Urteil in dem Strafverfahren ist nicht zu rechnen. Richterin Manthey hat Verhandlungstermine bis zum Ende des Jahres angesetzt. (dapd)