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Der Friedhof von Chicago

Der Friedhof von Chicago

Früher, als Bonn noch die Bundeshauptstadt war, ging ja die Sage, die Stadt sei halb so groß wie der Zentralfriedhof von Chicago, aber doppelt so tot. Das war und ist natürlich völliger Unsinn. Allein schon, weil Chicago gar keinen Zentralfriedhof hat. Aber immerhin einen ziemlich berühmten Friedhof, der Graceland heißt. Wegen der bemerkenswerten Grabmäler, die an kleinere und größere Tempel erinnern und gern einmal hoch aufragen, ist er eine der Attraktionen Chicagos. Dort ruht unter anderem der Waggonfabrikant Pullman, der zu Lebzeiten seine Arbeiter so sehr ausgebeutet hat, dass er seine Gruft extra verbarrikadieren ließ, weil er fürchtete, dass der Zorn der Werktätigen auch nach seinem Tod nicht enden würde. Zum Ausgleich ließ er sich eine 15 Meter hohe Säule aufs Grab stellen. Je höher die Säule, desto näher sei der Verstorbene der ewigen Seligkeit, so der etwas steile Gedankengang des Herrn Pullman. Für Ludwig Mies van der Rohe muss man folglich fürchten, dass er auf sein Bauhausatelier im Himmel noch wird warten müssen: Er hat nur eine schlichte Grabplatte. Beschäftigt allerdings hat mich das Grab von Emilie Jane Smith, deren mir ansonsten völlig unbekanntes Leben am 15.Juli 1839 begann. Und am 22. Januar 1923 endete, jedenfalls vorläufig. Denn der Grabstein lässt erkennen, dass das Todesdatum mindestens einmal korrigiert wurde…