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Bewegende Worte im Prozess nach tödlichem Rad-Unfall in Lünen

Bewegende Worte im Prozess nach tödlichem Rad-Unfall

Bild Ruhrnachrichten
Foto: Peter Fiedler
Ein Lastwagenfahrer aus Nordkirchen übersieht beim Abbiegen in Lünen eine 74-jährige Radfahrerin. Sie stirbt. Dieser Unfall machte im März 2015 viele Menschen betroffen. Seit Freitag steht der Mann nun vor Gericht. Bewegend schilderte er, wie er den Unfall erlebte. Ein Gutachter ging auf die Frage ein: Hätte der Fahrer die Frau sehen müssen?

Lünen. 

Nun muss sich ein Lkw-Fahrer aus Nordkirchen vor Gericht verantworten. Er war im März 2015 in Lünen in einen tödlichen Unfall mit einer 74 Jahre alten Radfahrerin verwickelt gewesen. Beim Abbiegen hatte er die Frau übersehen.

Wann und wo geschah der Unfall? Was passierte?

Am 18. März 2015 auf der Kreuzung Moltkestraße/Konrad-Adenauer-Straße in Lünen. Beim Abbiegen nach rechts übersah der Fahrer die Fahrradfahrerin. Es kam zum Zusammenstoß. Kurze Zeit später – noch an der Unfallstelle – starb die Frau.

Wann und weswegen stand der Mann vor Gericht?

Am Freitag musste sich der 47-jährige Nordkirchener in Lünen vor dem Amtsgericht wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Nötigung verantworten. Gleich zu Beginn der Verhandlung wies Richterin Beatrix Pöppinghaus auf die unendliche Tragik dieses Unfalls hin und dass viele der Anwesenden das Geschehen am liebsten ungeschehen machen würden.

Wie verlief der Weg des Fahrers bis zur Kreuzung?

Für den Fahrer des LKW begann die Fahrt in Billerbeck und sollte nach Dortmund führen. Wegen eines Staus auf der A43 wählte er den Weg über die Landstraße. Tragisch, dass die Schranke an der Brunnenstraße geschlossen war, denn nun wich er über die Moltkestraße aus.

Was passierte an der Kreuzung?

An der Kreuzung Moltkestraße/Konrad-Adenauer-Straße zeigte die Ampel zunächst Rot. Der LKW-Fahrer wartete, Als der LKW-Fahrer auf Grün wechselte, bogen die Fahrzeuge vor dem Lastwagen rechts ab. Er folgte langsam, schaute nach eigenen Angaben in alle Spiegel – auch in den, der an einer Laterne angebracht wurde, nachdem sich dort schon ähnliche Unfälle ereignet hatten. Als der Nordkirchener ein Geräusch vernahm, dachte er zunächst an einen Auffahrunfall und stoppte das Fahrzeug. Mit 8,2 Metern Bremsweg, wie der Gutachter später erläuterte.

Wie reagierte der Lastwagen-Fahrer nach dem Unfall?

Als er sah, was passiert war, informierte er die Feuerwehr. Danach, so schilderte er, habe er die Hände vor sein Gesicht geschlagen und immer wieder gerufen: „Sie ist tot, sie ist tot“. Er habe professionelle Hilfe bei einem Psychiater gefunden und arbeite noch an dem posttraumatischen Erleben. Auch heute noch habe er die Bilder vor Augen. Mit einem Brief habe er sich an die Hinterbliebenen gewandt.

Was sagten die Zeugen dazu?

Zwei Autofahrer, die an der Ampel hinter dem Lastwagen gestanden hatten, bestätigten das weitestgehend. Ein 42-Jähriger aus Selm sagte, er habe die Fahrradfahrerin im Rückspiegel gesehen. Er habe sich über das hohe Tempo der doch betagten Frau gewundert. Der Lastwagen habe schon mit dem Abbiegen begonnen gehabt, die Frau sei aber weiter auf die Kreuzung zugefahren. Da sei ihm klar gewesen, dass das nicht gut gehen könne. Danach habe er gesehen, wie sie unter das Fahrzeug gerutscht sei. Eine 49-Jährige – ebenfalls aus Selm – bestätigte das im Wesentlichen.

Was sagte der Sachverständige?

Der Sachverständige erläuterte seine umfangreichen Berechnungen. Er hatte ein Bewegungsprofil für Lastwagen und Fahrrad erstellt. Demnach sei die Frau in jedem der Spiegel maximal eine Sekunde lang zu sehen gewesen. Der Fahrer hätte also in der richtigen Sekunde in den richtigen Spiegel schauen müssen. Und es sei unmöglich gewesen, in alle Spiegel gleichzeitig zu schauen.

Was sagte der Sohn der gestorbenen Frau?

Er ist Nebenkläger im Prozess. Sein Anwalt signalisierte, dass von ihm aus kein erhöhtes Sanktionsinteresse bestünde. Das Verfahren wurde gegen Zahlung von 500 Euro an die Ortsverkehrswacht eingestellt. Nach Prozessende war der Lastwagenfahrer im Gespräch mit dem Sohn der Verstorbenen zu sehen.